Ziemlich genau 14 Jahre, nachdem die finale Folge der neunten und angeblich letzten Staffel der Mutter aller Mainstream-Mystery-Serien erstmals ausgestrahlt wurde, sind die FBI-Agenten Fox Mulder und Dana Scully zurück: Eine sechsteilige Miniserie, in der die X-Akten wieder geöffnet werden, ist jüngst in den USA gestartet. Ab dem 8. Februar werden die deutschen Folgen auf Pro 7 ausgestrahlt. Zuvor sind die neuen Folgen im Original mit Untertiteln bereits einen Tag nach US-Ausstrahlung via iTunes erhältlich. Wir haben uns die ersten Episoden für Euch angeschaut (geringe Spoiler-Gefahr).
Alte Helden müssen wieder ran
Nicht nur im Kino werden alte Helden immer und immer wieder aktiv, auch die Serienlandschaft lebt verstärkt von Reboots und Fortsetzungen früherer TV-Hits: „Heroes“, die „Muppets“, Full(er) House“, „24“ – und jetzt „Akte X“. Auch ein bereits etwas älteres Publikum kann mit den Neuauflagen bekannter Serien verstärkt abgeholt werden, so vermutlich die Überlegung vieler Produzenten. Natürlich gibt es Ausnahmen, bei denen tatsächlich ein künstlerisches Interesse und der Drang, eine nicht auserzählte Geschichte weiterzuführen, im Vordergrund stehen: Die Rede ist hier natürlich von der für 2017 angesetzten Fortsetzung des legendären TV-Events „Twin Peaks“ – einer Serie, ohne die auch „Akte X“ nicht denkbar gewesen wäre.
Dann wiederum werden derzeit eher absurd anmutende Projekte wie zum Beispiel die Fortsetzung des Action-Knast-Dramas „Prison Break“, in dessen Rahmen der am Ende der Serie verstorbene Protagonist sich wieder bester Gesundheit erfreuen soll, umgesetzt. Bei älteren Generationen von TV-Guckern werden hier ungute Erinnerungen an „Dallas“ und die „Traumstaffel“ wach: Hier wurden die Ereignisse einer kompletten Staffel rückwirkend einfach als Traumgeschehen gekennzeichnet, um die Rückkehr einer verstorbenen Figur zu „erklären“.
The truth is still out there
Akte X hat dieses Problem nicht: Am Ende der 9. Staffel waren der Verschwörungstheoretiker und Alien-Sucher Fox Mulder und seine rationale Kollegin Dana Scully noch immer am Leben. Beiden FBI-Agenten und dem Zuschauer war längst klar, dass außerirdisches Leben existiert, die Regierung Informationen diesbezüglich vertuscht und eine Alien-Invasion möglicherweise kurz bevorsteht. Zudem hatte sich zwischen Mulder und Scully eine romantische Beziehung entwickelt. So etwa endete seinerzeit die mutmaßlich letzte Folge der X-Akten.
An dieser Stelle setzt das aktuelle Revival an und versucht zunächst die Lücke der vergangenen 14 Jahre zu füllen. Mulder und Scully sind nicht mehr liiert, aber scheinbar noch offiziell beim FBI angestellt, wenn auch nicht im aktiven Dienst. Scully arbeitet als Ärztin, während Fox Mulder sich mit Drei-Tage-Bart und abgeklebter Laptop-Kamera Video-Clips im Internet anschaut. Eine Situation, in der deutlich wird, dass die Figur des Fox Mulder gar nicht so weit von „Hank Moody“, David Duchovnys zweiter großer Serienrolle („Californication“), entfernt ist. Der konservative Host („Das sind liberale Mainstream-Medien, die Sie belügen…“) einer TV-Show rund um Verschwörungstheorien wendet sich schließlich an die beiden, um Hilfe bei der Aufdeckung einer Regierungsverschwörung rund um zurückgehaltene Alien-Technologien zu erbitten.
Nach den ersten zwanzig Minuten der ersten Folge hofft der kritische Zuschauer, dass die neue Akte-X-Miniserie die alte „Aliens sind unter uns, aber wir können nichts beweisen“-Formel nicht zum (Achtung: Wortspiel) x-ten Mal durchkauen wird. Und man wünscht sich fast, die Serienmacher hätten sich eher für ein interessantes „ sueddeutsche.de es ausdrücken.
Funktioniert das Revival?
Fans der Serie müssen auch die neuen Akte-X-Folgen sehen, das ist klar. Während Anfang der 90er Akte X jedoch zur Speerspitze einer beginnenden Serienkultur zählte, gehört das Revival in Zeiten epischer Serien-Highlights wie „Fargo“, „True Detective“ und „Breaking Bad“ nicht mehr zur TV-Elite – so viel lässt sich nach den ersten Folgen sagen. Doch Akte-X-Anhänger werden zu schätzen wissen, dass das alte Feeling noch da ist: Mulders spitzbübischer Charme und trockener, teilweise bitterer Humor sorgen für den nötigen Humor, die Chemie zwischen den Hauptcharakteren und der Gruselfaktor stimmen. Ein Zugeständnis an aktuelle Sehgewohnheiten stellt dabei wohl die Tatsache dar, dass die Serie heutzutage expliziter und blutiger in ihren Darstellungen ist. Auch in Sachen Trickeffekten ist man (zumindest teilweise) im Jahr 2016 angekommen – etwa wenn in Rückblenden das legendäre UFO über Roswell abstürzt.
Wer sich auf das Revival des Serienklassikers einlassen will, muss sich aber auch mit einigen Ungereimtheiten abfinden. Echte Fans wird das aber vermutlich kaum stören. Wir sind in jedem Fall gespannt, wie es weitergeht, auch wenn der ganz große Wow-Effekt bislang ausblieb. Als Fazit und Antwort auf die Frage „Akte X – Relikt der 90er oder gelungenes Update“ kann somit ein entschiedenes „Beides!“ festgehalten werden.