Die Stiftung Warentest hat Netflix, Sky und Co. abgestraft - und untermauert damit einmal mehr die eigene Unfähigkeit im Umgang mit neuen Technologien.
Die Stiftung Warentest ist in Deutschland eine Instanz. Eine gute Note für ein Produkt kann über den Erfolg - eine schlechte über den Misserfolg entscheiden. 1964 gegründet, steht die Institution für Seriösität und Genauigkeit. Oder sollte ich sagen “stand”? Denn längst testet das Blatt nicht mehr nur Spülmaschinen, Shampoos und Versicherungen, sondern stellt auch moderne Technologien und Services auf den Prüfstand.
Dabei beweist die Stiftung immer wieder aufs Neue, wie sehr die Stiftung und ihre Methoden in der Vergangenheit verhaftet sind. So schneidet das iPhone, über die genaue Positionierung kann man trefflich streiten, ständig schlecht ab, weil Apple dem Gerät kein Handbuch beilegt. Ferner rieten die Tester einst von Facebook ab und empfahlen hingegen die Anmeldung bei meinVZ und StudiVZ. Mit anderen Worten: Die Rankings der Stiftung Warentest haben, wenn es um neue Technologien geht, längst nur noch wenig mit der Realität der Konsumenten zu tun, für die sie die Produkte eigentlich testen. Das lässt sich nun auch an den miserablen Noten für Video-On-Demand-Dienste ablesen.
Eine Videothek als Testsieger?
Das Testfazit kurz umrissen: Die Videothek um die Ecke hat mehr zu bieten. 13 Portale hätten die Tester unter die Lupe genommen – darunter namhafte Anbieter wie Amazon, Apple, Maxdome, Netflix und Watchever. Zur Methode: In allen Onlinevideotheken suchten die Prüfer nach 100 besonders populären Filmen. Als Vergleichsmaßstab diente eine große Berliner Videothek, dort fanden sie 83 der 100 Titel. Die Meinung der Stiftung Warentest: “Keine Onlinevideothek im Test kann da mithalten. Beim Anbieter mit dem höchsten Wert waren 71 der gesuchten Filme ausleihbar, ein anderer Dienst kam hingegen gerade mal auf 7 von 100.”
Besonders hart trifft es Netflix. Eine 4,0 geben die Tester dem deutschen Ableger des On-Demand-Pioniers. Den letzten Platz im Ranking teilt sich Netflix mit Watchever. Am “besten” schnitt noch Amazon Instant Video mit einer 3,5 ab. Gefolgt von Sky Snap (3,6) und Maxdome (3,8). Beim Einzelabruf holte Maxdome immerhin eine 2,8, iTunes eine 3,1.
Was mich kolossal an diesem Ranking stört, ist die Herangehensweise. Sie zeugt von alten, überholten Sehgewohnheiten. Ein Test von Video-Anbietern im Jahr 2015, der tatsächlich zu dem Schluss kommt, dass die Videothek um die Ecke weiterhin unschlagbar ist, ist meiner Meinung nach einer schlechter Witz. Den Reiz von Netflix, Sky Go und Co. macht aus, dass ich meine Inhalte jederzeit und überall solange und so oft, wie ich möchte, sehen kann. Auf meinem Smartphone, Tablet, Rechner oder Fernseher. Ich entscheide. Ferner bin ich nicht mehr an einen Datenträger gebunden, den ich abholen und zurückbringen muss. Online-Videotheken machen mich zum Programmchef: in der Bahn, auf dem Weg nach Hause oder aus dem heimischen Bett. Das sind Komfort-Kriterien, die die Tester gar nicht erwägen.
Google Play und Sky Online vergessen?
Was mich zudem stört, ist die Auswahl der Inhalte. So verglichen die Tester vor allem das Filmangebot basierend auf der Internet Movie Database. Warum? Ich nutze Netflix und Co. nicht, um mir ein halbes Jahr nach Kinostart abendfüllende Blockbuster anzuschauen, sondern weil ich Zugriff auf meine Lieblingsserien haben will - ohne sie illegal herunterladen zu müssen. Und dafür soll ich nach dem Verständnis der Tester zur Videothek um die Ecke? Stiftung Warentest, bitte aufwachen!
Während iTunes immerhin beim Einzelkauf mit einem großen Angebot - 60 von gesuchten 98 Serien - überzeugen konnte, muss man sich die Frage stellen, warum Google Play gar nicht erst im Test auftaucht - ebenso wenig wie das jüngst gelaunchte Sky Online. Offenbar spielte auch die Möglichkeit, über entsprechende Apps die Inhalte auf unterschiedlichsten Endgeräten abzuspielen, überhaupt keine Rolle. Gemessen wurde die Bildqualität lediglich auf dem Fernseher. So würden HD-Streams beinahe an die Qualität echter Blurays heranreichen. Allerdings hätten die Discs wiederum den Vorteil, Zusatzmaterial zu enthalten. So steht für die Berliner Redaktion der Sieger fest: Eine Videothek in der Hauptstadt verfügte über 83 von 100 gesuchten Filme und erreichte damit die Note "sehr gut". Wir finden: Dieser Test ist "mangelhaft" bis "ungenügend". Die Stiftung Warentest wäre gut beraten, ihre Kriterien modernen Nutzungsszenarien anzupassen - und nicht andersherum.