Ein Tweet reicht aus, schon sind Karrieren ruiniert. Manchmal unabsichtlich die eigenen, manchmal vorsätzlich die anderen. Und wir sind mit daran schuld.
Nein, ich mag Adam Sandler wirklich nicht. Weder seine Flatulenz-Witze noch seine Stimme. Er ist der Til Schweiger des US-Kinos: Einfach gestrickte Filme für den kleinsten gemeinsamen Zuschauer-Nenner. Nicht sehr tiefgründig, aber unglaublich erfolgreich. Wer mit Sandler dreht, weiß wahrscheinlich, dass dieser nie ganz aus der Pubertät herausgekommen ist. Daher sollte man sich auch nicht darüber wundern, wenn er beim Casting für einen Film Schauspielerinnen auffordert, in expliziter Garderobe aufzutreten. Nein, das hilft sicher nicht bei der Rollenfindung. Aber es befriedigt Adam Sandler.
Nun wird es kurios. Rose McGowan hat ebenfalls eine Einladung zum Casting bekommen – mit eben dieser Aufforderung, sich doch bitte entsprechend anzuziehen. Das fand sie wohl ziemlich blöd:
Plötzlich kein Management mehr. Nur weil man einmal die Wahrheit ausgesprochen hat. Nur weil man nicht mehr mitspielen will. Ein Schande! Oder?
Spielen im Netz statt im Film
Rose McGowan spielt virtuos innerhalb der sozialen Medien, um ein wenig Selbstmarketing zu betreiben. Und das ist gut so. Und sie weiß offenbar wirklich, wie das Business funktioniert. Wer auffallen will, muss laut, frech und vor allem schnell sein. Natürlich verrät sie nicht in ihren Tweets, dass sie Ihre Managerin vorher in einem TV-Interview als Söldnerin tituliert hat. Sie fühle sich nicht gut aufgehoben in der Agentur. Menschen verlieren ihren Job für weniger deutliche Worte. Mit dem System Hollywood hat ihre Kündigung allerdings nicht sonderlich viel zu tun – eher mit einer großen Klappe.
Doch wir glauben schnell das, was uns mundfein aufbereitet auf dem Schirm präsentiert wird – und davon ist kaum jemand frei. Keiner von uns hat vorher auch nur irgendeine Äußerung von Rose McGowan mitbekommen. Sie ist einer dieser Egal-Promis. Aber wie es nun einmal so ist: Jede Äußerung im Netz, selbst von unbekannten Schauspielerinnen, lässt sich riesig aufblasen. Und es ist egal, ob man damit möglicherweise auch die Rechte anderer Menschen verletzt.
Wie wahr ist die Wahrheit?
Weiß irgendwer, ob diese Casting-Notiz wirklich existierte? Kennt jemand den Grund für die Kündigung dieser Schauspielerin? Wohl kaum. Das Internet ist zu einer Yellow-Press-Hölle geworden. Schnell irgendwas über andere veröffentlichen, morgen ist es eh wieder vergessen. Wir hinterfragen nichts mehr, wir konsumieren nur noch. Lassen uns von Worten und Bildern berieseln. Wir machen uns nicht mehr die Mühe, mal die andere Seite zu hören, mal nachzuhaken. Wir glauben, was wir lesen – egal, wer es geschrieben hat. Steht da doch, Pixel für Pixel, Schwarz auf Weiß.
Doch diese virtuelle stille Post macht uns gleichgültig. Wir schnappen hier oder da etwas auf, aber eigentlich ist es uns egal. Es ist uns egal, dass Adam Sandler gerne leichtbekleidete Frauen bei der Arbeit beobachtet. Es ist uns egal, dass Rose McGowan eigentlich nur ihren eigenen Kurzfilm promoten will. Aber alles was wir zu lesen bekommen, dient unserer Meinungsbildung. Entweder werden Vorurteile bestätigt oder die große Empörung geschürt. Eine Überschrift reicht und wir wissen Bescheid. Und es ist schwer, uns wieder von unserer Meinung abzubringen.
Warum ich mich über einen dämlichen Tweet einer langweiligen Schauspielerin äußere? Weil es so schön einfach ist. Ich hätte auch Edward Snowden nehmen können – aber für den interessiert sich ja keiner mehr. Auch nicht, dass ihn gekaufte Artikel als bösen Menschen darstellen. Oder ich hätte über die Meinungsbildung im Netz zu Griechenland schreiben können. Ja, die blöden Griechen, die immer nur unser Geld wollen. Oder die einfachen Formeln zur Russland-Krise. Oder die Flüchtlinge, die offenbar – so kann man in Foren, auf Twitter, Facebook und sogar bei traditionellen Nachrichtenseiten lesen – unsere Wohnungen, Jobs und Frauen wegnehmen wollen. Oder ganz einfach die ganzen Opfer virtuellen Mobbings. Ach nee, warum, ist ja alles wahr. Steht doch so im Netz.
Du schöne, Du einfache Welt. Du machst mir ein wenig Angst. Schnell den Gedanken beiseite wischen – da rege ich mich doch lieber über eine kleine Schauspielerin auf, die die Gunst der Stunde nutzt, um sich ein wenig ins Gespräch zu bringen. Schließlich sollte sie doch bei Adam Sandler … – ach, lassen wir das.