Einsteigen, Motor starten, Musik anschalten und ab auf die Autobahn: Eine Fahrt mit dem Auto könnte so einfach sein, wäre da nicht die nervige Eingabe des Ziels im Navi, die Suche nach dem richtigen Musikmix und das Kramen nach dem Audio- oder USB-Kabels. Von der Unverständlichkeit eingehender Anrufe ganz zu schweigen. Mit CarPlay wollte Apple das eigentlich ändern. Und hat es nur anders umständlich gemacht.
„Apple CarPlay – Das beste iPhone-Erlebnis auf vier Rädern“, so Apples verheißungsvolles Versprechen. „Ganz leicht Wegbeschreibungen abrufen, telefonieren, Nachrichten senden und empfangen oder Musik hören – und dich trotzdem auf die Straße konzentrieren. Einfach iPhone anschließen und los geht’s“. Einzige Voraussetzungen für CarPlay sind ein iPhone 5 oder neuer sowie ein CarPlay-kompatibles Autoradio. Diese liefern einige Automobilhersteller bereits ab Werk, ältere Autos sind nach dem nachträglichen Einbau bestimmter Radios CarPlay-fähig. Wird das iPhone angeschlossen, wechselt die Radio-Ansicht automatisch auf eine Art XL-Homebildschirm mit Symbolen für Telefon, Musik, Karten, Nachrichten, Podcasts, Hörbücher und andere kompatible Apps. Statt über das iPhone erfolgt die Steuerung der auf das Radiodisplay angepassten Apps über das Radio-Display, Radio-Schalter oder Siri. So viel zur Theorie.
Grundsätzlich eine fabelhafte Idee, da Apple uns mit seiner Technik auf einen Schlag von den technisch schnell überholten und in der Regel nur wenig ambitioniert designten Multimediasystemen in Autos befreit. Statt Klicki-Bunti, Tasten-Labyrinth und der Kartenbasis von vor fünf Jahren ist CarPlay stets aktuell – egal ob mit Blick auf Karten oder Interface. Die Hersteller liefern nur die Hardware, Apple das Erlebnis. Kleiner Bonus: Mit dem eigenen iPhone als Basis verfügt jeder Fahrer über seine Musik, seine Kontakte, Kartenziele und andere Inhalte.
Einfach iPhone anschließen – und eine Handvoll Apps verwenden
Wir wollten CarPlay nicht nur unter Laborbedingungen, sondern direkt auf der Straße erleben. Unser Testmodell: Das Alpine iLX-700. Zumindest beim Anschluss des iPhones im Auto konnten wir Apple sofort Recht geben: Mehr als Anschließen und Entsperren – auf Wunsch auch nur beim ersten Start – gibt es auf iPhone-Seite tatsächlich nicht zu erledigen. Apples Credo „It just works“ kommt auch bei CarPlay zum Tragen. Die Kabelpflicht nervt zwar, mit iOS 9 hat Apple aber auch eine drahtlose Alternative geschaffen, die in der nächsten Generation CarPlay-fähiger Radios zum Einsatz kommen dürfte.
Von Anfang an überzeugend ist die Musik-App. Wie auf dem iPhone stehen auch hier Titel, Alben, Wiedergabelisten, Künstler oder die Radio-Sender aus Apple Music zum Abruf bereit. Die Auswahl des passenden Autobahn-Soundtracks sowie die Wiedergabesteuerung ist dank der großen Schaltflächen erstaunlich bequem. Auch die Podcast-App ist auf die gleiche Art und Weise zu verwenden. Zu den weiteren unterstützten Apps zählen beispielsweise Audible, Spotify, TuneIn, Deezer oder Rdio. Neue CarPlay-Apps entdeckt man im App Store aber nur schwer, da Apple bisher auf eine eigene „Kompatibel mit CarPlay“-Kategorie verzichtet. Vermutlich wäre die Auswahl derzeit noch zu überschaubar.
Definitiv nicht von CarPlay unterstützt werden derzeit Navigations-Apps außer Apples hauseigener Kartenservice. Anwender von Google Maps, Navigon, TomTom und anderen müssen daher abwarten. „Wir würden unsere Navigon-Apps liebend gerne für CarPlay veröffentlichten, allerdings ist dies vorerst nicht möglich, da Apple gegenwärtig keine Navigations-Apps für CarPlay zulässt“, so Garmin. Die einzige plausible Erklärung ist, dass Apple seinen eigenen Kartendienst pushen will.
Ganz leicht Wegbeschreibungen abrufen – ganz leicht das alte System vermissen
Dass der Apple-Dienst Rückenwind benötigt, damit dieser überhaupt zum Einsatz kommt, zeigt der Praxis-Test beim Wochenend-Einkauf. Der Befehl „Siri, bringt mich zu Netto!“ veranlasst den Start einer Route vom östlichen Berlin-Tempelhof irgendwo in den Norden der Hauptstadt. Und das, obwohl der gesuchte Supermarkt nicht einmal einen Kilometer entfernt liegt. Also muss ich doch erst wieder auf dem iPhone suchen um die Route dort zu starten. Fairerweise muss ich erwähnen, dass das iPhone auch ohne CarPlay den gleichen Fehler macht. Unterwegs fehlen von anderen Navis bekannte Features wie eine Warnung beim Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit, Fahrspurassistenz sowie ein Blitzerwarner oder eine Warnung vor Gefahrenstellen. Vor allem aber wird während der Navigation eine Online-Anbindung benötigt, über eine Download-Funktion verfügt der Kartendienst nicht – ein teurer Spaß, vor allem im Ausland ohne passenden Mobilfunkvertrag. Hier kann sich Apple andere Apps, allen voran den großen Konkurrenten Google Maps, zum Vorbild nehmen, die Offline-Karten erlauben. Pluspunkte gibt es hingegen für die gute Darstellung der Route sowie die präzisen Anweisungen.
Ganz leicht telefonieren und Nachrichten senden – ganz leicht verzweifeln
Wie schon die Musik-App überzeugt auch die Telefon-Anwendung durchgängig. Siri muss die Anfrage zwar verstehen, das Telefonat an sich mit Funktionen wie "Halten" oder "Konferenz" sind dank großen Display-Tasten aber kein Problem. So muss handsfree sein! Schade, dass Apple das positive Erlebnis mit der Nachrichten-App wieder komplett zunichte macht. Klar, um die Sicht auf die Straße zu halten, zeigt das System nie Textnachrichten an, sondern liest diese lediglich vor. Allerdings nur einmal – danach ist nur noch das Verfassen von Nachrichten möglich. Auch hier setzen sich die Probleme fort. Was schon in einem ruhigen Raum nur jedes zweite Mal funktioniert, klappt in einem Auto mit Fahrgeräuschen erst recht nicht. Zu Hause wie im Auto versteht Siri Wörter nicht und zwingt mich mangels Korrekturfunktion, die komplette Nachricht erneut zu verfassen. Kurz zu telefonieren ist in diesem Fall einfach die bessere Lösung.
Fazit: Zu sicher, noch zu beschränkt
Bei der Telefon-, Nachrichten- und Karten-App zeigt sich klar Apples Ziel. Die Bedienung soll möglichst einfach sein und funktionieren, ohne dass der Blick die Straße verlässt. Dabei haben die Entwickler vergessen, dass leider notwendige Textkorrekturen und der Versuch, Siri beim dritten Versuch verständliche Befehle zu übermitteln, für nicht weniger Ablenkung sorgen. Offensichtlich ist die Schuld nicht bei CarPlay zu suchen, sondern bei Siri die auch kurz vor ihrem vierten Geburtstag noch Nachholbedarf in Sachen Verständlichkeit hat.
Auch fehlende Apps machen CarPlay aktuell zu einem eher mittelprächtigen Produkt, zumindest wenn die Navigation im Mittelpunkt steht. Hier liefern andere Hersteller deutlich mehr als Apple. Die einfachste Lösung wäre die Freigabe der CarPlay-Schnittstelle für Karten-Konkurrenten. Theoretisch könnte Apple es anderen Herstellern sogar erlauben, die App wie mit AirPlay einfach auf das Radio-Display zu spiegeln. Vermutlich blockiert auch in diesem Fall die Angst vor einem nicht optimalen Erlebniss eine Rolle. Aber das liefert CarPlay derzeit noch nicht. Ein Autoradio mit Handsfree-Kit, Bluetooth-Anbindung für Musik und Navigationshinweise sowie eine ordentliche Halterung, mit der das iPhone links oder rechts des Lenkrads im Blickfeld des Fahrers Platz findet, führt zumindest aktuell zu einem deutlich komfortableren Erlebnis.