Das Web ist kaputt: Wie dessen Erfinder es wieder reparieren will

Tim Berners-Lee
Tim Berners-Lee (© 2016 CC: Flickr/ITU Pictures )
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Der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, ärgert sich sehr darüber, zu was "sein" Web heute geworden ist: eine vom Staat und übermächtigen Firmen beherrschte Infrastruktur. Die Menschen werden stetig ausspioniert. Das will er jetzt ändern.

Schon seit Jahren spricht Berners-Lee von einem neuen dezentralen WWW, bei dem es nicht mehr so einfach sei, Menschen zu tracken, ihr Surfverhalten aufzuzeichnen und auszuwerten. Das Ziel sei mehr Privatsphäre, weniger Kontrolle durch die Regierung und weniger Einflussnahme durch Unternehmen.

Von einer Hilfe zur Bedrohung

1989, also vor 27 Jahren, hat Tim Berners-Lee mit dem World Wide Web ein Medium geschaffen, das vor allem Wissenschaftlern helfen sollte, schnell an viele Informationen und Wissen zu gelangen und es zu verbreiten. Im Laufe der Jahre ist es rasant gewachsen und bis heute zum wichtigsten Informationsmedium unserer Zeit geworden. Doch zufrieden ist er damit nicht.

"Es kontrolliert, was die Leute sehen, schafft Mechanismen, wie Menschen interagieren", sagte er über das moderne Web. "Es war großartig, aber Spionage, das Blockieren von Webseiten, das Umfunktionieren von Inhalten anderer Menschen und das Umleiten auf falsche Webseiten untergräbt vollständig die Idee, Menschen beim Erschaffen zu helfen."

Jetzt hat Berners-Lee lange genug zugeschaut und wird aktiv: Gemeinsam mit anderen Informatikern und Technikern - unter anderem mit Brewster Kahle, dem Leiter des Internet Archive - hat er sich in San Francisco zusammengefunden, um die Wege für ein neues Internet vorzubereiten.

"Dezentral" ist das Schlüsselwort

Momentan können Länder wie China einfach bestimmen, dass ihre Einwohner bestimmte Webseiten nicht sehen oder Online-Dienste nicht nutzen dürfen. Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden ist uns auch bekannt, in welchem Umfang wir ausspioniert werden, wenn wir uns im Web bewegen. Alles ist miteinander vernetzt und vieles läuft über die zentralen Serverfarmen bestimmter Unternehmen wie Google, Facebook oder Amazon, die dadurch ein umfassendes Profil von uns bekommen.

Um diese Entwicklung zu stoppen, treffen während des "Decentralized Web Summit" in San Francisco hochrangige Internet-Pioniere und andere interessierte Menschen zusammen, um gemeinsam einen Ausweg zu finden und eine neue Art Internet auf die Beine zu stellen. Es geht vor allem um eine Möglichkeit, wie Webseiten veröffentlicht werden können, ohne dass sie unter der Kontrolle von Staaten oder Unternehmen stehen und dass man wissenschaftliche Erkenntnisse veröffentlichen kann ohne Speicher bei Dropbox, Amazon oder Google kaufen zu müssen.

"Wir haben kein Technologie-Problem, wir haben ein soziales Problem"

Vor allem sollen mehr Teile der Internetkommunikation verschlüsselt werden und Webseiten in allen Versionen gespeichert und archiviert werden. Das würde eine Zensur erheblich erschweren. Die Idee dahinter ist der Einsatz dezentraler Technologien, wie sie zum Beispiel bei der Internetwährung Bitcoin oder dem Datenaustausch per Peer-to-Peer zum Einsatz kommen.

Eigentlich ist unser bestehendes World Wide Web auch dezentral. Aber nur in Maßen. Denn die Art und Weise, wie Webseiten erstellt und gespeichert werden, sorgt momentan noch dafür, dass sie unerreichbar sind, wenn der zugehörige Server, auf dem sie liegen, offline geht. Die Idee eines dezentralen Internets ist aber, dass der Inhalt auch dann nicht verloren geht, wenn ein Server ausfällt. Das heißt aber auch: Komplett dezentral geht nur, wenn alle mitmachen. Doch nicht alle wollen das. Berners-Lee fasste diesen Punkt treffend zusammen: "Das Problem ist die Dominanz einer Suchmaschine, eines großen sozialen Netzwerks, eines Twitters für Microblogging. Wir haben kein Technologie-Problem, wir haben ein soziales Problem."

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