Gleich drei Bundesminister fühlten sich berufen, die Digitale Agenda der Bundesregierung vorzustellen. Was dabei heraus gekommen ist, hätte jeder Ortsverein der Piratenpartei besser gemacht.
Dass ein Ministerposten nur selten nach thematischer Kompetenz vergeben wird, ist eine Binsenweisheit. Aber zumindest die Mitarbeiter der Ministerien sollten über ausreichend Fachwissen verfügen. Doch an der am 23. Juli 2014 vorgestellten Digitalen Agenda der Bundesregierung scheinen nicht gerade die kompetentesten Beamten mitgearbeitet zu haben. Bestenfalls ist das überflüssige Papier im Kompetenzgerangel zwischen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) zu einem verwaschenen Kompromiss geworden, der - anders als der Name vermuten lässt - kaum konkrete Handlungsvorschläge enthält. Stattdessen hagelt es Allgemeinplätze. Es sollen erst noch "Mechanismen", "Dialoge" und "Strategien" entwickelt und gefunden werden. Dabei besteht in vielen Bereichen akuter Handlungsbedarf.
Schauen wir uns einige Punkte der Digitalen Agenda genauer an:
Breitbandausbau lässt auf sich warten
Die Kanzlerin hat bereits vor der Digitalen Agenda versprochen, dass alle in Deutschland bis 2018 Zugang zum schnellen Internet erhalten. Mal davon abgesehen, dass es sehr unterschiedliche Definitionen von "High Speed" gibt, ist das Versprechen nicht günstig, sondern kostet wohl etwa knapp 30 Milliarden Euro. Schon jetzt hinkt Deutschland beim Breitbandinternet im Europa-Vergleich hinterher. Den Ministern fällt nicht mehr ein, als zu verkünden, den Ausbau in Gebieten mit staatlichen Mitteln zu unterstützen, in denen sich der Ausbau rein wirtschaftlich betrachtet nicht rechnet. Es gibt aber weder einen Zeitplan noch Aussagen, wo das Geld dafür herkommen soll. Bis 2018 sind es nur noch vier Jahre. Da muss feststehen, wo noch Glasfaserkabel unter die Erde gebracht und LTE-Funkmasten aufgestellt werden müssen.
Sicherheit und Datenschutz ohne wenn und aber
Die großen Datensammelaktionen der NSA hat auch Spuren in der Digitalen Agenda hinterlassen. Da ist die Rede davon, "Verschlüsselungsstandort Nr.1 auf der Welt werden" zu wollen. Gleichzeitig sollen die für Cybersicherheit zuständigen Behörden mehr Personal bekommen und eine eigene Netzwerkinfrakstruktur aufgesetzt werden. Diese eigentlich sinnvoll klingenden Maßnahmen führen die Minister mit der geplanten Pflicht zu De-Mail in Behörden ad absurdum. Die Technik funktioniert bisher nicht nur schlecht, sondern ist durch das Porto für jede De-Mail auch unverschämt teuer und durch die zwischenzeitliche Entschlüsselung auch alles andere als sicher. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, wenn die Bundesregierung dafür sorgen will, dass alle Internetnutzer einfachen Zugang zu Verschlüsselungstechniken erhalten. Aber spätestens wenn der Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz vor Gefahren für die nationale Sicherheit warnen, gibt es einen Rückzieher. Und ist es wirklich besser, von deutschen als von amerikanischen Geheimdienst anlasslos überwacht zu werden?
Der Gesetzgeber ist zu langsam
Der Digitalen Agenda zufolge will die Bundesregierung "innovationsfreundliche Bedingungen" schaffen. Doch Gründer von Start-Ups können nicht auf viel mehr als Foto-Termine mit Merkel und Co. hoffen. Zwar ist von schneller Beratung und einfacher Finanzierung die Rede. Doch mit solch vagen Versprechen lässt sich kein Unternehmen anlocken. Dazu kommt noch, dass in Deutschland zu wenig Fachkräfte verfügbar sind und sich Berufsbilder nur sehr langsam ändern. Werben die Unternehmen Experten aus dem Ausland an, legen ihnen die Behörden immer noch viele Stöcke zwischen die Beine.
Das Verbot von neuen Diensten wie Wundercar zeigt, dass die deutschen Gesetze und Vorschriften nicht mehr zeitgemäß und die Legislative zu träge ist. Statt eines totalen Verbots könnte man die Regeln auch anpassen, wie es zum Beispiel in Kalifornien der Fall ist, wo für die Amateur-Fahrer von Uber Pop fast die gleichen Bedingungen in Bezug auf Ausbildung und Versicherungsschutz gelten wie für klassische Taxis.
Entschärfung der Störerhaftung und Festschreibung der Netzneutralität
Es lassen sich aber auch positive Punkte finden. So könnte ab Herbst die Nutzung von WLANs unterwegs einfacher werden. Die Bundesregierung will im Herbst die Störerhaftung reformieren und das Bereitstellen von drahtlosen Netzwerken erleichtern. Sicher können wir uns aber auch hier erst sein, wenn das entsprechende Gesetz gültig ist und die ersten Gerichtsentscheidungen erfolgt sind.
Darüber hinaus soll die Netzneutralität gesetzlich festgeschrieben werden. Das würde bedeuten, dass alle Verbindungen und Datenströme im Internet gleichbehandelt werden müssen und ein Provider zum Beispiel keine Extrakosten erheben darf, wenn Ihr Videos bei Watchever schaut. Aber auch hier wird es am Ende auf jeden Buchstaben im Gesetzestext ankommen.
Insgesamt bleibt nach der Betrachtung der Digitalen Agenda das Gefühl, einen Stapel (virtuelles) Papier, der mit viel heißer Luft beschrieben wurde, gelesen zu haben. Da dürften nach einer Sitzung des durchgedrehtesten Ortsvereins der Piratenpartei mehr greifbare Ergebnisse im Protokoll stehen.