Mit 4,34 Milliarden Euro hat die Europäische Kommission eine Rekordstrafe gegen Google verhängt. Hintergrund sind Bedingungen, die Smartphone-Hersteller erfüllen müssen, um Android verwenden zu dürfen. Was das für Android-Nutzer jetzt und in Zukunft bedeutet, erfahrt ihr hier.
Google stellt Android den Herstellern von Smartphones kostenlos zur Verfügung. Diese müssen ihrerseits einige Bedingungen erfüllen, um das Betriebssystem auf ihren Geräten installieren zu dürfen. Damit nutzt der Internetkonzern nach Meinung der EU-Kommission seine marktbeherrschende Stellung aus, um seine ebenfalls "beherrschende Stellung" bei der Internetsuche zu festigen.
Die Auswirkungen auf Android-Nutzer
Auf bereits verkaufte Smartphones und Tablets hat die Entscheidung der Europäischen Kommission keine Auswirkungen. Auf euren Geräten ändert sich erst einmal nichts. Google hat 90 Tage Zeit die Anforderungen der EU zu erfüllen. Sprich: Spätestens zum 16. Oktober stünden Änderungen an, würden aber vor allem neue Modelle betreffen, die danach in der Verkauf gehen – nachträgliche Änderungen über Software-Updates an bereits in Nutzung befindlichen Geräten, sind aber nicht ganz ausgeschlossen. Allerdings hat Google bereits angekündigt in Berufung gegen die Entscheidung der EU zu gehen. Das letzte Wort ist hier also noch nicht gesprochen.
Die Europäische Kommission wirft Google drei verschiedene Vergehen vor und hat nach eigenen Angaben genug Belege gefunden. Einer davon ist für Android-Nutzer direkt spürbar, wenn sich die bisherige Praxis ändert. Smartphone-Hersteller müssen, damit sie den Play Store nutzen dürfen, gleichzeitig auch die Google-Suche und den Chrome-Browser installieren. Selbst wenn dieser Zwang entfällt, dürfte sich an der Dominanz des Play Store wenig ändern. Ein wirklich konkurrenzfähiger App-Store für Android ist nicht in Sicht, so dass kaum ein Hersteller auf ihn verzichten würde. Die momentan einzig denkbare Ausnahme wäre einer der bestehenden chinesischen App-Stores, der mit großen Investitionen weltweit expandieren will.
Bei den Browsern könnte es schon schneller zu Änderungen kommen. Hier stehen bereits jetzt mit Firefox, Opera oder Dolphin etablierte Konkurrenten bereit, die Chrome als vorinstallierten Browser ersetzten könnten. Samsung hat seinen eigenen Internet Browser bisher immer zusätzlich zu Googles Chrome installiert und könnte sich bald auf den hauseigenen Browser beschränken.
Microsoft könnte gleich doppelt aktiv werden und auf die Smartphone-Hersteller zugehen. Bei einer Kooperation würden die neben dem Edge Browser dann sicherlich auch Bing als Standard-Suche vorinstallieren.
Weitere Vorwürfe der Europäischen Kommission
Die Europäische Kommission wirft Google aber nicht nur die unrechtmäßige Verknüpfung des Play Store mit seiner Suche und Chrome vor. Zusätzlich soll der Konzern durch Zahlungen an Smartphone-Hersteller und Mobilfunknetzbetreiber, wenn diese nur die Google-Suche auf ihren Geräten vorinstallierten, seine marktbeherrschende Stellung gefestigt haben.
Theoretisch könnte sich jeder Hersteller aus dem frei zugänglichen Quellcode von Android seine eigene alternative Android-Version entwickeln. Eine Verbreitung solcher sogenannter Android-Forks habe Google aber nach Meinungen der EU-Kommission behindert. Denn sobald ein Hersteller auch nur ein Modell mit einer nicht genehmigten Android-Version verkaufen würde, dürfte er auf anderen Geräten keine Google-Apps mehr vorinstallieren.
Google überlegt Geld für Android zu nehmen
Google reagierte sofort auf die Strafe der EU-Kommission. In einem Blog-Post kündigte Firmenchef Sundar Pichai nicht nur gegen die Entscheidung der EU in Berufung zu gehen, sondern betonte auch die große Vielfalt, die Android den Nutzern böte: 24.000 verschiedene Geräte – nicht nur Smartphones – stünden in allen Preisklassen zur Auswahl. Vorinstallierte Apps seien in kurzer Zeit und mit wenigen Klicks durch Alternative aus dem Play Store ersetzt. Über eine Million Apps warteten dort auf die Nutzer, von denen jeder im Schnitt 50 installiere. Insgesamt sei es deutlich einfacher, vorinstallierte Software zu ersetzen als in den 1990ern oder den frühen 2000er Jahren. Die EU-Kommission hält dagegen, dass nur wenige Nutzer sich die Mühe machen, vorinstallierte Apps zu ersetzen.
Zudem sei kein Hersteller gezwungen, die Vereinbarungen mit Google einzugehen. Als Beispiel dient Amazon, auf dessen Fire-Tablets zwar Android als Betriebssystem installiert sei, aber keine Google-Apps und Amazons eigener App-Store.
Außerdem sieht Pichai durch die Entscheidung der EU das ausbalancierte Android-System in Gefahr und legt nahe, dass Smartphone-Hersteller in Zukunft für Android und/oder Apps von Google Lizenzgebühren zahlen müssten. Sollte dieser Fall eintreten, wäre es eine große Überraschung, wenn die Hersteller diese zusätzlichen Kosten nicht an die Käufer weiter geben.
Insgesamt sieht Google durch die Forderungen der Europäischen Kommission proprietäre Systeme gegenüber offenen Systemen bevorteilt.
Kurzfristig ändert sich durch die Entscheidung der Europäischen Kommission nichts. Langfristig könnten die Auswirkungen auf das gesamte Android-System massiv sein, allerdings wehrt sich Google vor Gericht noch gegen die Strafe und die damit verbundenen Forderungen.