SMS kennt und hat jeder auf dem Handy, doch die simplen Textnachrichten wurden von WhatsApp & Co. nahezu abgelöst. Trotzdem bringt sich gerade der SMS-Nachfolger RCS neu in Stellung. Das steckt dahinter.
Vielleicht erinnert ihr euch: In den Zeiten vor Mobilfunk-Flatrates habt ihr eure Freunde mit SMS-Nachrichten angeschrieben und musstet auf viele Dinge achten: Die Zeichen waren begrenzt, ihr wolltet keine Missverständnisse hervorrufen und auf die Kosten achten. Außerdem ging es ausschließlich um Texte. Bilder, Videos, Sprachnachrichten oder den aktuellen Standort konntet ihr per SMS nicht verschicken.
Den Short Message Service gibt es heute zwar immer noch, aber er fristet ein Nischendasein und steht im Schatten von WhatsApp, Facebook Messenger & Co. Erst kürzlich knackte WhatsApp die 2 Milliarden Nutzergrenze, laut Statistiken nutzen 97 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 29 Jahren den zu Facebook gehörenden Messenger.
SMS dagegen sind stark auf dem Rückzug, nur noch ab und zu flattert eine ein, etwa bei Terminbestätigungen. Das Volumen verschickter SMS-Nachrichten in Deutschland hat drastisch abgenommen. 2012 war der Höhepunkt erreicht, in diesem Jahr wurden fast 60 Milliarden SMS-Nachrichten verschickt, 2018 waren es dann nur noch 8,9 Milliarden. Doch die Mobilfunk-Provider tüfteln schon länger am SMS-Nachfolger genauer gesagt an einer SMS-Weiterentwicklung namens RCS (Rich Communication Services).
Messenger waren einfach schneller als RCS
Die SMS ist eigentlich technische Steinzeit, und doch ist eine SMS-Flatrate in so gut wie jedem Handy-Vertrag dabei. Doch Menschen kommunizieren heute anders, nicht nur per Textnachricht, sondern multimedial. Rückblickend geben sogar die Mobilfunkanbieter heute zu, dass man vor rund zehn Jahren einfach die aktuellen Entwicklungen beim Thema Messaging verschlafen hat.
2011 ging es mit LTE los – und die Netze haben sich schneller verändert als ihre Macher es gedacht hätten. Startups wie WhatsApp haben damals die Chance genutzt. Zwar haben sich die Mobilfunkanbieter auch damals schon Gedanken zur Weiterentwicklung von SMS gemacht, doch das mobile Internet verbreitete sich schneller und die ersten Schritte von Rich Communication im Jahr 2012 waren verhältnismäßig klein. Dazu kam: Jeder Provider vermarktete RCS selbst.
RCS ist wie ein vorinstalliertes WhatsApp
Doch RCS hat eigentlich auch seine Vorteile. So könnt ihr mit jedem Handy nach dem Einbuchen ins Mobilfunknetz telefonieren. Es braucht keine zusätzliche App und auch kein Nutzerkonto. Einfach die vorinstallierte App aufrufen und eine Telefonnummer eintippen – und ihr erreicht die Zielperson.
Dabei ist es auch egal, ob man bei einem Teilnehmer in einem anderen Mobilfunknetz anruft, im Festnetz oder im Ausland. In diesem Punkt ist auch die SMS einfacher gestrickt als jeder Messenger. Ihr benötigt keine App und müsst euch nicht zusätzlich registrieren. Bei WhatsApp und Co. dagegen erreicht ihr die Personen nur, wenn euer Kontakt ein Konto dort hat.
Die Idee hinter RCS ist im Prinzip eine Art vorinstalliertes WhatsApp zu bieten, die einfach per Mobilfunkvertrag verfügbar ist. Nutzer starten dafür einfach die Nachrichten-App auf dem Handy und können dann nicht nur texten, sondern auch Bilder, Videos und Standortdaten verschicken. Was viele Nutzer nicht wissen: RCS steckt schon in vielen Handys.
Android unterstützt RCS
Die Entwicklung von RCS hat schon 2008 begonnen, 2012 legten die Provider mit ihren Angeboten los. Allerdings war das Nutzererlebnis zum Anfang eher bescheiden. Die Dienste waren wenig zuverlässig.
Dass RCS nicht auf dem Friedhof für ungenutzte Techniken gelandet ist, verdankt der Dienst Google: 2018 hat das Unternehmen beschlossen, RCS-Support direkt in seine Nachrichten-App in Android einzubauen. Da Android den Smartphone-Markt dominiert, ist RCS-Messaging heute möglich, ohne dass man sich dort eine Zusatz-App laden muss. Laut GSMA, die hinter RCS steht, nutzen bereits heute über 373 Millionen Nutzer den Dienst.
Für den ganz großen Wurf fehlt allerdings die Unterstützung durch Apple, denn die haben mit iMessage eine eigenen Messaging-Welt für iOS- und iPadOS-Geräte aufgebaut.
RCS heute nutzen
Wer RCS schon heute nutzen möchte, braucht einen Provider, der das unterstützt. In Deutschland sind das momentan Telekom und Vodafone. Außerdem braucht ihr ein Android-Smartphone oder eine Zusatz-App für iOS, die es derzeit aber nur von der Telekom gibt.
Android-Nutzer müssen nur die Messenger-App starten und den RCS-Dienst über einen per SMS zugesendeten Code aktivieren. Da RCS ein Dienst der Mobilfunk-Provider ist, klappt die Nutzung nicht ohne SIM-Karte. Die Handhabung ist genauso wie man das von WhatsApp kennt, ihr könnt mit einzelnen Nutzern kommunizieren oder in Gruppen. Bilder, Fotos und Standortdaten lassen sich ebenfalls teilen. Es gibt sogar eine Anrufmöglichkeit.
Im Unterschied zu WhatsApp werden Anrufe aber über das Mobilfunknetz der Provider abgewickelt, was gute Sprachqualität sicherstellt. Einen Haken gibt es aber noch bei RCS: Wegen gesetzlicher Vorgaben darf es keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geben. Zur Abhörsicherung kommt deshalb nur eine Transportverschlüsselung zum Einsatz. Hohe Zusatzkosten müsst ihr hingegen nicht befürchten. Die Abrechnung legt zwar der Provider fest, in der Regel sind die Kosten für RCS aber mit den gebuchten SMS- oder Daten-Flats beglichen.
Startet RCS 2020 durch?
Es ist wohl nicht zu erwarten, dass plötzlich niemand mehr WhatsApp nutzt, die App hat sich einfach durchgesetzt und ist derzeit kaum wegzudenken. Doch laut GSMA zeigt die Kurve von RCS nach oben. 2020 soll der Dienst bei über 100 Providern am Start sein und 444 Millionen Nutzer erreichen.
Das klingt zumindest nach einer Alternative, die ihr im Auge behalten solltet. Das Engagement von Google verleiht dem Ganzen noch zusätzlichen Schub, denn so wird eine Art iMessage für Android aufgebaut. Samsung bastelt auch an einer eigenen App für seine Smartphones. Und wenn irgendwann auch noch Apple in RCS einsteigen würde, wäre auch die Erreichbarkeit quer über verschiedene Plattformen kein Problem mehr.