Viele tolle High-End-Smartphones mit Android gab es 2014, den Konkurrenten Apple und Microsoft gelang es nicht, mit nennenswerten Innovationen davonzueilen, mit Android One wurde eine Offensive gestartet, die nächste Milliarde Nutzer zu erreichen und über Android Wear, Android Auto und Android TV geht Google die Verbreitung des OS auf weitere Plattformen gezielt an — Entwicklungen, die viel versprechen, aber auch Gefahren bergen. Was können wir 2015 in Sachen Android also erwarten und worauf müssen wir gefasst sein? Ein Blick in die Glaskugel ...
Mit Android 5.0 Lollipop ist Googles mobiles OS im Jahr 2014 dort angekommen, wo wenigstens seine Macher und Nutzer es sich gewünscht haben: nicht nur quantitativ scheinbar unaufhaltsam,vor allem optisch auf einem Level mit der großen Konkurrenz aus Cupertino. Wer hier jetzt schon lesen möchte, was uns mit Android 6 erwartet und wann es kommt, den müssen wir enttäuschen — auch wenn wir da durchaus Wünsche und Vorstellungen hätten, so weit aus dem Fenster lehnen möchten wir uns keine zwei Monate nach dem Lollipop-Launch noch nicht.
Aber Android ist ja nicht nur die jeweilige Android-Version. Und dazu lassen sich durchaus Prognosen, Befürchtungen und Tendenzen formulieren.
Damoklesschwert Fragmentierung
Die größten Sorgen macht Google und uns Nutzern die sogenannte Fragmentierung, die gleichzeitig auch der häufigste Angriffspunkt von Kritikern des Betriebssystem sowie oftmals Grund zur Klage von App-Entwicklern ist. Fakt ist, dass im Gegensatz zu iOS beinahe sämtliche älteren OS-Versionen in gleichem oder deutlich höherem Maße auf allen aktivierten Geräten zu finden sind, wie die aktuellen Versionen 4.4 Kitkat oder gar 5.0 Lollipop. Da Android aber eben anders als iOS oder auch Windows Phone auf Hardware unzähliger Hersteller läuft und ob seines offenen Charakters von diesen teilweise angepasst wird, obliegt die Versorgung mit entsprechenden Firmware-Updates nicht Google, sondern den Herstellern respektive den Providern. Und die lassen sich mitunter Zeit mit den Aktualisierungen oder verzichten aus wirtschaftlichen Gründen oder solchen der Nutzbarkeit komplett darauf, besonders ältere oder schwächere Geräte konsequent zu versorgen.
Das ist ein systemimmanentes Phänomen, das sich nicht abstellen lässt. Aber Google hat sinnvolle Schritte gegen die damit verbundenen Probleme eingeleitet und wird diese weiterhin nachhalten und ausbauen. So werden viele sicherheitsrelevante aber auch die Funktionalität erweiternde Updates nicht mehr als komplette OS-Aktualisierung, sondern über die Play Services ausgerollt, die auf jedem Android-Geräte installiert sind. Aber auch die Hersteller hat Google zuletzt an die Kandare genommen und ihnen gewisse Verpflichtungen bezüglich der Aktualität der auf den jeweiligen Geräten befindlichen Betriebssystem-Versionen auferlegt.
Mit den Developer Previews, die im Fall von Android 5.0 bereits Monate vor dem offiziellen Rollout von Lollipop zum freien Download bereitstanden, eröffnete sich für Entwickler und Hersteller zuletzt die Möglichkeit, ihre Software rechtzeitig anzupassen — im Falle von Nvidia und LG, aber auch Samsung hat das dieser Tage dazu geführt, dass die entsprechenden Firmware-Updates teilweise noch vor dem vollständigen Rollout für die Nexus-Hardware verfügbar sind. Daran wird Google festhalten und so die Weichen dafür stellen, dass wenigstens die aktuellen Top-Smartphones und -Tablets zeitnah aktualisiert werden können.
Die Play Services wurden bereits erwähnt, daneben wird Google aber künftig auch an weiteren Stellen "outsourcen" — sprich, bestimmte APIs und Dienste so bereitstellen, dass diese "over the air" und ohne Zutun der OEMs oder Provider aktualisiert werden können. Dazu gehört unter anderem WebView, die Komponente, die Apps das Anzeigen von HTML5-Inhalten erlaubt, aber auch sicherheitsrelevante Teile des OS, wie der Lockscreen und der Einrichtungsprozess.
Das Schlagwort "Fragmentierung" wird damit wohl auch 2015 oft fallen — einen relevanten Hemmschuh für die weitere Entwicklung des Google OS stellt es aber faktisch nicht mehr dar.
Die ungewisse Zukunft des Nexus-Programms
Gänzlich unklar ist derzeit, wie es im kommenden Jahr mit der von Google vertriebenen Hardware im Rahmen des Nexus- oder Silver-Programms weitergehen wird. Mit dem Nexus 6 und dem Nexus 9 sind jüngst die möglicherweise letzten Geräte dieser Art erschienen; das Nexus 5, das einzige Smartphone im 5 Zoll-Formfaktor, wird derweil schon nicht mehr verkauft.
Seit Wochen schon gibt es keine Neuigkeiten, Meldungen oder Gerüchte zu diesem Thema, sodass wir nur darüber spekulieren können, in welcher Form und ob überhaupt Google im nächsten Jahr Hardware bauen lassen und verkaufen wird. Fraglich ist ohnehin, ob sich ein solches Konzept für Mountain View weiterhin lohnen würde: Nexus 4, Nexus 5 und Nexus 7 waren stark subventionierte Geräte, die sich dank ihres niedrigen Preises gut verkauften und dem Android OS damit nicht nur zu einer weiteren Verbreitung verhalfen, sondern in Teilen der Nutzerschaft auch das Bewusstsein für die Vorteile eines unbehandelten Betriebssystems ohne Hersteller-UI schärften.
Dieses Ziel hat Google aber inzwischen soweit als möglich erreicht — schließlich verkündete das Unternehmen auf der I/O-Konferenz im Sommer quasi die Sättigung des Marktes in der Ersten Welt und legt seinen Fokus mit dem Android One-Programm auf die Regionen des Globus, die Konkurrenten aus Cupertino und Redmond bislang ignorieren. Als die Preise für Nexus 6 und Nexus 9 bekannt wurden, ging ein Aufschrei durch die Fan-Gemeinde, diese seien viel zu hoch. Dabei liegen sie im Bereich dessen, was auch andere Hersteller für ähnliche Hardware verlangen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die beiden vorerst letzten Nexus-Geräte somit überhaupt befriedigend verkaufen werden — und damit, ob es für Google überhaupt Sinn macht, die Nexus-Familie in dieser Form fortzuführen.
Ob eine Art Silver-Programm, wie es eine Zeit lang diskutiert, dann aber von Mountain View wohl wieder verworfen oder wenigstens auf Eis gelegt wurde, eine Alternative wäre? Statt selbst Hardware in Auftrag zu geben, könnten die diversen Hersteller, die auf Android setzen, spezielle Smartphones, Phablets und Tablets mit Vanilla-Android bauen, die dann von Google zertifiziert und über den Play Store vertrieben werden — ähnlich den Google Play Editions. Allerdings hatten auch diese kommerziell nur mäßigen Erfolg und insofern dürfte der Anreiz für OEMs und Mountain View diesbezüglich gleichermaßen gering sein.
Eine Plattform für alle Hersteller
Andererseits könnte ein von Google betriebenes oder wenigstens unterstütztes Programm dieser Art für bestimmte Hersteller sehr interessant sein — nämlich für die, die mit ihren Geräten nicht ohnehin schon an der Spitze der Verkaufscharts stehen: Zuletzt liefen Nexus-Modelle teilweise gegen den Trend mit Chipsätzen von Nvidia (Nexus 9) und Intel (Nexus Player) und wurden von LG, ASUS, Motorola und HTC statt von Samsung gebaut. Gut möglich also, dass ein Silver- oder Nexus-Nachfolge-Programm fortan weniger zum weiteren Forcieren des Betriebssystems selber, als mehr als Schaufenster für die Hardware-Diversität von Android fungiert — zum beiderseitigen Nutzen für OEMs und Google.
Es ist zu diesem Zeitpunkt also schlicht nicht prognostizierbar, was uns 2015 in Sachen Google-Hardware erwartet. Gut möglich, dass Nexus 6 und Nexus 9 die letzten Geräte ihrer Art waren. Ich persönlich gehe nicht davon aus, dass wir weiterhin im Jahresrhythmus neue Google-Smartphones oder -Tablets präsentiert bekommen. Wohl aber davon, dass es auch im kommenden Jahr besondere, neue oder von Google gerne in den Fokus gerückte Geräte im Play Store geben wird.
Android überall, Google überall
Denn in den Fokus zu rücken hat Google in den nächsten Monaten Einiges: Der Weg des Android OS ist sehr deutlich vorgezeichnet und wird sich 2015 erstmalig massiv vom reinen Smartphone- und Tablet-OS lösen. Android Auto — Google möchte mit seinem mobilen Betriebssystem überall hin.
Man könnte nun vermuten, dass der Smartphone-Markt allein Mountain View nicht mehr lukrativ genug erscheint, tatsächlich geht es wohl aber eher darum, das Kernprodukt — die Google-Suche zusammen mit dem Suchassistenten Google Now — omnipräsent zu machen. Ob am Handgelenk, auf dem großen Wohnzimmer TV oder im Auto, überall sollen wir über Google suchen. Klar, Consumer-Angebote wie Play Music, Play Movies, YouTube und Maps stehen für den Nutzer dabei im Vordergrund. Es darf aber nicht vergessen werden, womit der Konzern sein Geld verdient: Mit Werbung und mit Daten und somit also damit, dass möglichst viele Menschen Google nutzen. Hier liegt der große Unterschied zwischen Mountain View und Apple oder Microsoft; die beiden letztgenannten verkaufen Hardware und ein Ökosystem, Google verkauft das Internet.
Mit Android TV, Android Wear, Android Auto und Android One ist Google 2015 breit aufgestellt, noch mehr Nutzer zu gewinnen. Für uns heißt das zum einen zwar viele neue Produkte und Plattformen, die uns das Leben teilweise praktischer, cooler und unterhaltsamer gestalten. Wir müssen uns aber auch immer gewahr sein, dass wir uns damit mehr und mehr an ein Unternehmen ausliefern, das jetzt schon eine teilweise beängstigende Vormachtstellung in unser aller zweiten Welt, dem Internet, innehat.
Ich schreibe das als jemand, der Google für seine zahlreichen innovativen und praktischen Produkte sehr schätzt und sie fleißig nutzt — aber das Motto Mountain Views "Don't be evil" muss nicht zwingend für immer Bestand haben.
Konsolidierung und Wachstum
Android wird 2015 also unbeirrt weiter wachsen, wenn auch nicht im klassischen Sinne auf Smartphones und Tablets und zu großen Teilen außerhalb von Europa.
Im Kernsektor, also eben auf Smartphones und Tablets, dürften wir ein weiteres "Erwachsenwerden" des OS' erleben: Android wird mit künftigen Versionen noch flüssiger laufen, mehr sinnvolle Features bringen und hochwertiger aussehen. Die Tage des Betriebssystems für Bastler und Nerds sind gezählt. Ebenso aber wohl auch die der nischigen Nexus-Geräte.