Die Idee ist gut: Statt mit Bargeld zahlen die Besucher des Hurricane-Festivals per Chip. Ach, es hätte so schön sein können.
Zuerst einmal heißt es warten. Das Papierticket fürs Hurricane-Festival, welches jedes Jahr Ende Juni zehntausende Besucher nach Scheeßel lockt, steckt zwar in der Tasche, aber aufs Gelände kommt man damit noch nicht. Nein, erst einmal muss man sich anstellen, um sein Bändchen fürs Handgelenk abzuholen. Das ist nicht wirklich neu, doch diesmal hängt ein kleiner Chip am Band. Das macht es zwar persönlich – aber auch kompliziert.
Mit dem Chip soll Bargeld auf dem Gelände überflüssig werden. Bezahlt wird quasi durch Handauflegen: An jedem Stand stehen Terminals und Lesegeräte, die den entsprechenden Betrag abbuchen. Damit das geht muss natürlich vorher Geld eingezahlt werden, denn Dispo gibt es beim Hurricane natürlich nicht. Wer wollte konnte, um Wartezeit zu vermeiden, schon vorher Geld überweisen. So weit die Theorie.
Erst einmal geht nichts
Noch bevor die erste Band auf die Bühne trat, ging nichts. Das ganze Funknetz brach zusammen, die Chips und Terminals konnten nicht mit dem System kommunizieren – und Bänder konnten entsprechend nicht verteilt werden. Aber ohne Bändchen kommt man halt eigentlich nicht aufs Gelände. Ohne Bändchen kann man im Festival-Supermarkt nicht einkaufen. Ohne Bändchen geht nichts. Also Zelt aufbauen, denn auf das Camp durfte man, und warten. Wohl dem, der sich vorher noch ein paar Getränke gekauft hat, denn kein Stand nimmt Bargeld an.
Das Dilemma ist, dass mein Vertrauen in eine neue Methode nicht unbedingt durch so einen Start gestärkt wird. Dabei ist die Idee prima: Der Chip ist personalisiert, wer den Verlust rechtzeitig meldet, kann weitere Abbuchungen verhindern. Man braucht keine Angst vor Diebstahl oder Verlust zu haben. Und am Ende des Festivals lässt man sich eventuell vorhandenes Guthaben einfach auszahlen.
Ob sich die Veranstalter mit dieser alternativlosen Bezahlmethode wirklich einen Dienst erwiesen haben, ist zu bezweifeln. Schnell ist das eingezahlte Kontingent verbraucht, neues Geld muss auf den Chip. Also doch wieder Bargeld mitführen, um es an den Kassenhäuschen einzuzahlen oder per EC-Karte erst einmal Geld abheben. Sicherheit kann also kein Aspekt sein.
Marktforschung am Arm
Aber schaut man ein wenig genauer auf das System, fühlt man sich schnell wie ein wandelndes Marktforschungsinstrument. Veranstalter können mit dem Band tracken, wer wann wo was gekauft hat. Das sagt eine Menge über den Gast aus, aber auch darüber, welche Verkaufsstände zu welcher Zeit oder gut eben gar nicht funktionieren.
Und es zeigt auch, in welche Richtung Zahlung per Smartwatch gehen wird. Man muss kein Geld mehr in die Hand nehmen, nicht mehr wie bei einer Kartenzahlung unterschreiben – nur das Gadget an ein Lesegerät halten. Das Gefühl für den Wert des Geldes wird dadurch doch mehr aufgeweicht. Ein kleine Armbewegung reicht um das Konto zu schmälern. Kaufen, kaufen, kaufen – ein Chip macht es möglich.
Dann lieber eine Smartwatch
Auf einer Smartwatch, egal welchen Herstellers, hätte man aber dank des Displays zumindest jederzeit einen Überblick, wie viel Guthaben noch vorhanden ist – und muss dafür nicht beim Bezahlen feststellen, dass man temporär Pleite ist. Gerade auf einem Festival der weiten Wege macht es keinen Spaß, im schlechtesten Fall mitten im Konzert erst einmal wieder den Kontostand auffüllen zu müssen.
Der Zwang zur Technologisierung und die Verwendung der generierten Daten lassen viele Besucher nicht kalt. Besonders wenn es dazu mit langen Wartezeiten verbunden ist. Technik soll unterstützen und das Leben erleichtern, ja, aber vor allem sollte die Nutzung auch Spaß machen und sich nicht wie ein Fremdkörper anfühlen. Und man sollte die Wahl haben, ob man dabei mitspielen will, wenn man doch eigentlich nur Musik hören will – und hätte so selbst bei einem Systemausfall noch volle Kontrolle über das eigene Geld.