Es ist soweit, Nintendo hat mit Miitomo das erste “Spiel” für iOS und Android angekündigt. Doch statt Jubelschreien gab es bei uns nur verständnisloses Schweigen. Denn Nintendo hat so viel mehr zu bieten als eine Sims-Kopie mit Chatfunktion. Was haben sich die japanischen Spielepioniere bloß gedacht?
Wir bei CURVED sind mit Nintendos Spielen aufgewachsen. Ob Mario, Link oder Pikachu: Nintendo hat es wie kaum ein anderer Games-Entwickler geschafft, ikonische Spielefiguren zu erschaffen. Als der Konzern im März die Bombe platzen ließ und ankündigte, in Zukunft auch Games für Smartphones zu entwickeln, stand hier alles Kopf. Wir waren von der Idee so angetan, dass wir Martin Hajek sogar ein Nintendo-Smartphone designen ließen. Denn: MarioKart auf dem iPhone? Smash Bros für Android? Pokemon in App Store und Play Store? Shut up and take our money!
Nintendo nutzt sein Potenzial nicht
Heute dann die Ernüchterung. Statt unseres italienischen Lieblingsklempners kommt ein Sims-Klon mit den veraltet wirkenden Miis. In Miitomo lässt man die eigene Figur in einer Welt umherlaufen und chattet über sie mit anderen Spielern. Das soll den Kontakt zu anderen Menschen erleichtern und schüchternen Personen helfen, mehr über sich zu erzählen, erklärte Nintendo-Chef Tatsumi Kimishima bei der Vorstellung. Klingt mehr nach Beziehungshilfe für Einsiedler als nach einem spaßigen Zeitvertreib, oder? Kein Wunder, dass die Aktie erstmal um fünf Prozent fiel.
Der Name deutet darauf hin, dass Miitomo auf dem für Nintendo 3DS erschienen Simulator “Tomodachi Life” basiert. Der war vor allem in Japan ein echter Hit, flog hierzulande aber eher unterm Radar. Dort ist auch der Messenger Line und das dazugehörige Social-Game Line Play sehr beliebt - das ebenfalls stark an Miitomo erinnert. In Japan hat Miitomo also durchaus Hit-Potenzial. Trotzdem dürfte der angeschlagene Konzern besser damit fahren, sich nicht nur auf den Heimatmarkt zu konzentrieren. Denn seien wir mal ehrlich: Nur mit japanischen Kunden lässt sich das einbrechende Geschäft nicht retten. Dabei hätte gerade die Smartphone-Adaption so viele Chancen.
Denn während heutzutage kaum noch jemand eine tragbare Konsole mit sich herumschleppt, ist das Smartphone längst allgegenwärtig - und bietet Abermillionen potenzielle Kunden. Statt den Gamern verzweifelt ein weiteres Gerät aufschwatzen zu wollen, könnte sich Nintendo ohne großen Aufwand einen ordentlichen Teil des mobilen Spielemarktes schnappen. Den schwierigsten Schritt als App-Entwickler haben die Japaner nämlich längst hinter sich: Während sich andere in einem extrem erkämpften Markt erst mühsam einen Namen machen müssen, hat der Traditionskonzern einen legendären Ruf vorzuweisen.
Warum kommen nicht die beliebten Serien?
Mit Mario, Pokemon und Co. hat Nintendo nicht nur einige der größten Videospiele-Ikonen aller Zeiten im Portfolio, deren Spiele immer wieder Verkaufs-Garanten sind. Mit einer Ankündigung aus dem Mario-Kosmos oder ähnlichem hätte man sicher nicht nur in Japan, sondern eben auch im Westen für leuchtende Fan-Augen gesorgt - und den Erfolg so gut wie sicher gehabt. Immerhin sollen im März noch vier weitere Spiele erscheinen, Hoffnung besteht also noch. Trotzdem bleibt die Frage: Warum nicht mit einem der Fan-Lieblinge als Einstieg anfangen?
Eine weitere riesige Einnahmequelle scheint Nintendo gar nicht erst anzapfen zu wollen: Das schier unendliche Spiele-Archiv. Über die Jahre hat Nintendo eine gigantische Anzahl an großartigen Casual-Spielen herausgebracht - lange bevor sie so genannt wurden. Schon seit Jahren holen sich Android-Nutzer die schnellen Games für zwischendurch per Emulator aufs Smartphone. Warum also nicht einfach die beliebtesten Titel aus dem riesigen Katalog auf Android und iOS bringen? Ich würde zumindest sofort für eine gelungene Android-Umsetzung von Dr. Mario zahlen.
Mario und Microtransactions passen nicht zusammen
Zumindest scheint Nintendo einen großen Fehler nicht zu machen: Auch wenn es sich bei Miitomo um einen Freemium-Titel handeln wird, will sich der Konzern wohl nicht alleine auf die bezahlbaren Miniinhalte als Einnahmequelle verlassen. Die kommenden Spiele sollen ganz klassisch kaufbar sein. Ein Mario-Spiel, in dem man etwa fürs Weiterspielen zahlen oder Leben kaufen muss? Unvorstellbar!