Kritik an Google kommt schon lange und aus vielen verschiedenen Ecken, aber erstmals kam es sogar zu Protesten während der Keynote der Entwicklerkonferenz I/O. Ursache waren aber weder der Datenhunger des Internetkonzerns noch die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung der Nexus-Hardware, sondern Gentrification und Killer-Roboter.
Gleich zwei Mal kam es bei der Keynote der Google I/O zu Unterbrechungen durch lautstarke Proteste. Ein Demonstrant warf Google vor, Maschinen herzustellen, die Menschen töten. Gemeint waren die Roboter von Boston Dynamics. Google hat das Unternehmen, dass auch das US-Militär beliefert, im Dezember 2013 übernommen.
Zum bekannten Produktkatalog gehören allerdings nur Roboter, die Menschen unterstützen oder in gefährlichen Situationen ersetzen können. Was das Militär nach dem Kauf allerdings mit den Maschinen anstellt, verkünden die Soldaten nur sehr selten und sicherlich nie in vollem Umfang.
Steigenden Mieten und Zwangsräumungen
Zuvor machte aber die Lehrerin Claudia Tirado auf sich aufmerksam. Sie wohnt im Mission District von San Francisco, nur wenige Minuten vom Moscone Center, dem Ort der I/O, entfernt. Das Haus, in dem sie wohnt, gehört dem Google-Anwalt Jack Halprin, der die Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln will. Deswegen soll Tirado spätestens bis zum 26. Februar 2015 ausziehen, anderfalls droht ihr die Zwangsräumung. Dies klingt im ersten Moment nach der privaten Angelegenheit eines Google-Mitarbeiters, aber der Konzern und andere Tech-Unternehmen wirbeln gerade den gesamten Wohnungsmarkt in der Bay Area auf.
Die Durchschnittsmiete in San Francisco hat eine Höhe von 3200 US-Dollar erreicht, die für untere und durchschnittliche Einkommen nicht zu finanzieren ist. Im benachbarten Oakland haben sich die Mieten in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Tirado steht als Lehrerin nach einem Auszug vor dem Problem, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Und für die gestiegenen Mieten sind die Tech-Konzerne indirekt mit verantwortlich.
Google, Apple und Co. holen jede Menge gut bezahlte Leute in die Bay Area, die natürlich gerne in den angesagten Vierteln wohnen wollen und höhere Mieten als die bisherigen Bewohner zahlen können, die über kurz oder lang verdrängt werden. Ein Phänomen, das als Gentrifizierung oder Gentrification bekannt geworden ist. Google unterstützt seine Mitarbeiter mit Bussen, mit denen sie täglich die 60 Kilometer von San Francisco nach Mountain View pendeln können.
Die Lehrerin Tirado stand mit ihrem Protest aber nicht alleine dar. Vor der Tür des Moscone Center unterstützen sie Mitglieder von "Eviction Free San Francisco" und dem "Anti Eviction Mapping Project", die sich schon länger gegen die steigenden Mieten und Zwangsräumungen engagieren. Sie fordern von Google ein Statement zur Gentrifizierung und dass der Konzern eingesteht, dass er und seine Mitarbeiter für die Entwicklung mit verantwortlich sind. Projekte wie techcandobetter.com versuchen die finanziellen Probleme leicht verständlich zu machen und auch die Mitarbeiter der Tech-Konzerne für die Problematik zu sensibilisieren.
Keynotes als Bühne für Proteste
Dass eine Keynote als Bühne für Proteste dient, zeigt auch, welche große Aufmerksamkeit die Produktvorstellungen von Unternehmen inzwischen erhalten. Der inzwischen übliche Livestream findet Zuschauer auf der ganzen Welt, und Medien berichten in Live-Tickern und Artikeln - CURVED eingeschlossen. Da lohnt es sich durchaus, solch eine Veranstaltung für Proteste zu nutzen, die in direktem Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen, als sich in eine Fußgängerzone zu stellen und Flugblätter zu verteilen oder in entlegene Winkel der Welt zu G8-Gipfeln zu fahren.