Jaano sorgt für italienisches Lebensgefühl in Hamburg: Das Start-Up verleiht Vespas nach dem gleichen Prinzip wie Stadtrad, DriveNow und Car2Go Fahrräder und Autos "sharen" - mit einem besonderen Touch. CURVED hat den neuen Dienst, der das Smartphone ins Zentrum rückt, noch in der Beta-Phase ausprobiert.
Die smarte Vespa denkt mit
Jaano stellt keine 0815-Vespas auf die Straße, sondern macht sie intelligent: In den aktuellen Primavera 50 4T sind Sensoren verbaut, die für den Verleih notwendig sind. Sie überprüfen zum Beispiel, ob bei der Rückgabe die Helme an ihrem Ort und alle Abdeckungen geschlossen sind. Zusätzlich müssen die Roller mit einem Hubraum von 50 Kubikzentimetern natürlich auch per GPS zu orten und über eine mobile Internetverbindung zu erreichen sein. Ansonsten bieten die Vespas eine Automatik-Schaltung, Handgas und verfügen über eine Hinterrad- und Vorderradbremse sowie zwei Rückspiegel.
Am Windschild befestigt Jaano eine Universalhalterung, in der vom iPhone 4 bis zum großen Phablet alle Smartphones sicher Halt finden. Wollt Ihr Euch von einer Navi-App den Weg zeigen lassen, habt Ihr sie so immer im Blick. Ihr könnt Euer Smartphone aber auch während der Fahrt aufladen. Leider nicht in Eurem Sichtfeld, sondern nur in einem Fach im Fußraum. Dort befinden sich drei Kabel mit Micro-USB-, Dock- und Lightning-Anschlüssen. Das ist einerseits ein Service für Euch, verhindert andererseits aber effektiv, dass Ihr eine Leihe wegen eines leeren Akkus nicht beenden könnt.
PKW-Führerschein genügt
Derzeit nimmt Jaano nur gelegentlich neue Anmeldungen entgegen. Bevor Ihr auf eine der Vespas hüpfen könnt, müsst Ihr persönlich bei einem Anmelde-Event erscheinen und Personalausweis sowie Führerschein vorlegen. Klasse B reicht für die Leih-Vespas aus, ein Motorradführerschein ist nicht notwendig. Anschließend erhaltet Ihr eine Einweisung in die App und die Roller und dürft dann noch ein paar Runden drehen. Vor allem für Leute wie mich, die noch nie mit einer Vespa gefahren sind, eine sinnvolle Veranstaltung, die auch Bestand haben soll.
Anfangs kommen mir selbst Geschwindigkeiten, die man mit dem Rad leicht erreicht, noch sehr schnell vor. Aber ich taste mich zügig an 40 bis 50 Stundenkilometer heran. Ein etwas mulmiges Gefühl vor der ersten richtigen Fahrt auf den mit Autos gefüllten Straßen Hamburgs bleibt trotzdem.
Die gesamte Ausleihe der Roller erfolgt über die Web-App von Jaano, zu der Ihr eine Verknüpfung auf Eurem Homescreen speichern könnt und so am Ende keinen Unterschied zu einer nativen App bemerkt. Für das Start-Up hat der Verzicht auf eigene Apps für iOS, Android und Co. zwei große Vorteile: Die Entwicklung ist einfacher und günstiger, gleichzeitig kann die Miete trotzdem über alle internetfähigen Geräte erfolgen.
Ausleihe und Rückgabe über Web-App
Die App zeigt Euch an, wo die Vespas stehen. Ihr könnt einen Roller für 15 Minuten kostenlos reservieren, damit er nicht weg ist, wenn Ihr nach einem kurzen Fußweg bei ihm angekommen seid. Direkt zu Beginn der Miete zeigt das System bekannte Schäden an — entdeckt Ihr weitere, könnt und solltet Ihr diese telefonisch melden, damit sie nicht Euch zur Last gelegt werden. Die Fahrt mit dem Leihroller kostet 13 Cent pro Minute. Parkt Ihr die Vespa, wollt aber später weiterfahren, könnt Ihr Sie für neun Cent in der Minute im Parkmodus abstellen, ohne dass jemand anderes mit ihr fahren kann.
Sobald Ihr die Miete über die App begonnen habt, entriegelt sich der Sitz der Vespa und Ihr könnt den Schlüssel sowie einen Helm aus dem Sitzfach holen. Ein zweiter Helm in einer etwas anderen Größe befindet sich im Top Case. Mein Kopf passte gut in den Helm. Er hat großzügige Polster, die beim Aufsetzen für einen großen Spielraum sorgen, aber trotzdem weder drücken noch zu locker sind. Ist Euch unwohl beim Gedanken, einen Helm mit Unbekannten zu teilen, setzt Ihr einfach eine der OP-Hauben auf, die sich im Sitzfach befinden. Jaano verspricht außerdem, die Helme täglich bei der Kontrolle der Roller zu reinigen und regelmäßig die Polster auszutauschen.
Habt Ihr den Helm auf, kommt der Schlüssel ins Zündschloss und die Fahrt kann beginnen. Droht Euch unterwegs das Benzin auszugehen, steuert Ihr mit der Tankkarte am Schlüsselbund einfach die nächste Tankstelle an und füllt den Tank wieder auf — die Benzinkosten sind in der Leihgebühr enthalten.
Wollt Ihr die Miete beenden, erkennen die Sensoren in der Vespa ob das Vorderrad nach Links gedreht ist, die Helme zurück gelegt und alle Abdeckungen geschlossen sind. Erst dann könnt Ihr die Leihe beenden. Von Euch verursachte Schäden müsst und solltet Ihr auf jeden Fall nicht verschweigen. Spätestens der nächste Ausleiher wird sie bemerken.
Wie geht es mit Jaano weiter?
Jaano ist ein kleines Start-Up aus Hamburg, zum Kernteam gehören ungefähr zehn Leute. Neben den beiden Gründern Jaan Hofmann und Tino Hoffrichter sind dies mehrere Programmierer, die sich um die Web-App und die Elektronik der Roller kümmern, sowie eine Mitarbeiterin für die PR-Arbeit und mehrere weitere helfende Hände. Unterstützung erhält das junge Unternehmen von einem Vespa-Händler aus Hamburg, der unter anderem beim Umbau der Roller hilft und auch die Wartung übernimmt.
Nach den ersten zwei Wochen der Testphase fällt die Zwischenbilanz von Jaano positiv aus: "Es gab bisher keine Unfälle, keine Fälle von Vandalismus und die Vespas werden viel gefahren," berichtet Linda Lartey. Derzeit seien bereits etwa 200 Fahrer angemeldet.
In der Anfang Juli begonnen Testphase stehen erst einmal nur 15 Vespas auf den Straßen Hamburgs zum Ausleihen bereit. Das Geschäftsgebiet ist derzeit noch vergleichsweise klein und umfasst die Hafencity, die Innenstadt, die Neustadt und das Schanzenviertel sowie den Bereich um den Uni-Campus. Kleine Inseln bestehen darüber hinaus am Altonaer Bahnhof, am Winterhuder Marktplatz, am Stadtpark und in Mundsburg. Den großen Start hat Jaano für März oder April 2015 pünktlich zum nächsten Sommer anvisiert. Dann sollen 150 Roller auf Hamburgs Straßen für das Start-Up unterwegs sein und auch das Geschäftsgebiet deutlich ausgeweitet werden.
Konkrete Angaben, ob und wann Jaano in weitere Städte expandiert kann das Start-Up derzeit nicht machen. Da sie jedoch viele Anfragen von außerhalb Hamburgs erhalten, machen sich die Gründer und Ihr Team auch Gedanken um eine möglich Expansion und strecken zumindest die Fühler in andere Großstädte wie Berlin, Frankfurt oder Köln aus. Sollten Konkurrenten entstehen, will Jaano sich die Marktführerschaft beim Roller-Sharing nicht streitig lassen machen.