Für die meisten stammt das Smartphone in ihrer Hand von Apple, Samsung oder Nokia. Dabei steckt hinter der Entwicklung mobiler Technologie ein komplexes weltumspannendes Netzwerk aus Rohstofflieferanten, Zubehörherstellern und anderen Teilnehmern der Lieferkette. Wir haben uns die Schritte einmal genauer angesehen ...
Aluminium, Kunststoff und Glas: Hält man ein iPhone in der Hand, deutet nur wenig auf das halbe Periodensystem der Elemente, das sich im Innern befindet. Auch die Produktionsumstände von Mineralien wie Wolfram, Zin, Tantal und Gold bleiben dem durchschnittlichen Smartphone-Anwender verborgen.
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Der Smartphone-Kauf finanziert bewaffnete Konflikte
Da die englische Übersetzungen von Wolfram und Zin "Tungsten" und "Tin" lauten, werden die vier genannten Mineralien zusammen als 3TG bezeichnet. Aber noch etwas verbindet die vier Elemente: der Abbauort. Sie lagern in Minen in der Demokratischen Republik Kongo sowie in den Nachbarstaaten des Landes, das uns vor allem durch den andauernden Bürgerkrieg bekannt ist. Ein bekanntes Problem: Der Ankauf dieser Mineralien durch internationale Technologiekonzerne finanziert die Ausrüstung der bewaffneten Gruppen. Die persönliche Entscheidung, Produkte mit Konfliktmineralien nicht zu kaufen, war Konsumenten bisher nicht möglich, da Unternehmen zur Offenlegung ihrer Lieferanten nicht verpflichtet waren. Mit dem US-amerikanischen Dodd-Frank-Gesetz hat sich dieser Umstand kürzlich jedoch geändert.
Das Hauptaugenmerk des Gesetzestextes liegt zwar auf der Reform des US-amerikanischen Finanzmarktes, doch Abschnitt 1502 des umfassenden Werkes schreibt börsennotierten US-Unternehmen eine Informationspflicht vor. Mineralien, die aus Minen der Demokratischen Republik Kongo und den Nachbarländern stammen und die bei der Produktion in irgendeiner Form verwendet werden, müssen in einem jährlichen Bericht öffentlich aufgeschlüsselt werden. Kommen Konfliktmineralien zum Einsatz, sind die Unternehmen verpflichtet, Maßnahmen zur Sorgfaltspflicht der Lieferkette zu beschreiben und das Herkunftsland sowie die Maßnahmen zur Bestimmung der konkreten Mine zu nennen.
Gleichzeitig verpflichtet das Gesetz den US-Außenminister in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, eine Karte mit Fundorten der Mineralien und Handelsrouten zu entwickeln, die von bewaffneten Gruppen kontrolliert werden. Diese Maßnahme soll Unternehmen zukünftig dabei unterstützen, nur solche Minen auszuwählen, die nicht von Milizen kontrolliert werden. Da die Überprüfung laut Gesetz "nach bestem Wissen und Gewissen" durchzuführen ist, bedeuten die Maßnahmen keine Garantie für die Richtigkeit der Berichte.
Nichtsdestotrotz geben die ersten Berichte, die das Time Magazine veröffentlicht hat, ein Gefühl für die Realität. So schreibt Google, dass man Grund zur Annahme habe, dass 3TG-Mineralien aus den betroffenen Gebieten stammen, man jedoch keine direkte Unterstützung von bewaffneten Milizen hätte feststellen können. Von den Schmelzhütten im Kongo, die die Mineralien für die Produktion vorbereiten, arbeitet lediglich ein Drittel garantiert ohne Konfliktmineralien. Bei Apple liegt die Quote der garantiert konfliktfreien Schmelzöfen immerhin bei 80 Prozent. Der Prozessor-Hersteller Intel kann bereits jetzt garantieren, dass alle Prozessoren und Chipsets konfliktfrei sind. Der Online-Händler Amazon erklärte in seinem Bericht vorsichtig, dass die Mehrheit der Händler in der Lieferkette garantiert ohne Konfliktmineralien arbeite.
Die Pflicht zur Offenlegung ergibt sich theoretisch zwar nur für US-Unternehmen, doch aufgrund der komplexen Lieferkette mit US-Ablegern ausländischer Unternehmen, greift die Offenlegungspflicht auch für einige Unternehmen außerhalb der USA, darunter auch solche aus Deutschland. Der Einsatz von Konfliktmineralen bleibt zwar weiterhin erlaubt, doch die Offenlegung ermöglicht Verbrauchern den gezielten Verzicht auf bestimmte Produkte.
Obwohl der finanzielle Teil des Dodd-Frank-Acts nur selten als Erfolg gewertet wird, haben die Maßnahmen mit Bezug auf Konfliktmineralien bereits erste Wirkungen gezeigt. In einem Bericht des Enough Projects, einer Initiative, die gegen Genozide und Verbrechen gegen die Menschlichkeit kämpft, heißt es: "Das Gesetz [...] hat den Abbau von Zin, Wolfram und Tantal durch bewaffnete Gruppen unwirtschaftlicher gemacht."
Freiwilliger Verzicht auf Konfliktmineralien
Ein Unternehmen das bereits jetzt komplett auf Konfliktmineralien verzichtet ist das niederländische Unternehmen Fairphone. "Im Fairphone verbauen wir ungefähr 30 Mineralien, von denen vier von der OECD als Konfliktmineral klassifiziert wurden: Zin, Tantal, Wolfram und Gold", so Roos van de Weerd, Public Engagement Verantwortlicher des gleichnamigen Unternehmens. Der Verzicht von Konfliktmineralien ist laut der Expertin der erste Schritt in der Wertschöpfungskette eines Smartphones, den es radikal umzukrempeln gilt. "Unsere große Mission ist eine ethische und transparente Wertschöpfungskette. Die wachsende Komplexität unserer elektronischen Helferlein nimmt uns allerdings immer mehr die Sicht auf den Boden der Wertschöpfungskette. Wir wissen höchstens, woher die Materialien in der ersten und zweiten Zulieferer-Ebene stammen, danach verliert sich die Übersicht."
Was Fairphone derzeit noch nicht kontrolliert, sind die Arbeitsumstände in den Minen sowie die faire Bezahlung der Minenarbeiter. Die hundertprozentig faire Produktion ist zwar ein langfristiges Ziel, doch derzeit seien nur kleine Schritte möglich. "Wenn wir von jetzt auf gleich ein komplett faires Smartphone herstellen möchten, ginge dies nur bei herrschendem Weltfrieden", so van de Weerd. "Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen. Unsere höchste Priorität war das Eliminieren der Konflikt-Stimuli und die Unterstützung der lokalen Wirtschaft in der Demokratischen Republik Kongo. Zusammen mit Initiativen wie Solutions for Hope sind wir auf einem guten Weg. Arbeitskonditionen und Löhne stehen auf unserer Prioritätenliste erst auf Platz zwei." Auch die Bekämpfung von Umweltproblemen, die beim Abbau der für die Produktion benötigten Mineralien entstehen, sind bei Fairphone noch Zukunftsthemen: "Wir kümmern uns zuerst um die sozialen Probleme. Beim Produktentwurf haben wir allerdings schon die bessere Umweltverträglichkeit im Hinterkopf."
Seltene Erden für bessere Smartphones
Für die mit Abstand größten Umweltprobleme sorgen die sogenannten Metalle der seltenen Erden. Diese werden benötigt, um unsere Smartphones mit bestimmten Eigenschaften zu versehen. Wirklich selten sind die Mineralien zwar nicht, doch die Konzentration ist in der Regel derartig gering, dass sich der Abbau nur an wenigen Orten auf der Welt lohnt, darunter im Süden Chinas. Die weltweite Nachfrage und die Konzentration am Abbaugebiet ist so lukrativ, dass China derzeit für 97 Prozent der weltweiten Lieferungen verantwortlich ist.
Ein Abbauort befindet sich in Baotou, einer Stadt in der Mongolei. Zu dieser konnte sich ein Reporter der britischen Daily Mail Zugang verschaffen, um die Umweltsituation vor Ort zu begutachten. Für die Verarbeitung der seltenen Erden werden Säuren benötigt, um die verschiedenen Stoffe wie Yttrium, Cer oder Dysprosium voneinander zu trennen. In Baotou landen die Abfälle in einem See mit "apokalyptischem Anblick", so der Reporter Simon Parry. Statt ehemals grünen Wiesen und Feldern befindet sich an der Stelle jetzt ein schwarzes Meer aus Säuren und anderen Industrieabfällen, in das pro Jahr sieben Millionen Tonnen weitere Abfälle fließen, die bei der Produktion von Neodym und anderen seltenen Erdmineralien übrigbleiben.
An Alternativen ist hingegen noch nicht zu denken. Für leuchtende Farben werden in Smartphone-Displays Yttrium, Lanthan, Praseodym, Europium, Gadolinium, Terbium und Dysprosium benötigt. Für die winzigen aber kraftvollen Lautsprecher kommen ebenfalls Praseodym, Gadolinium, Terbium, Dysprosium und zusätzlich Neodym zum Einsatz. Die .
Aus Metallen werden Einzelkomponenten
Mit der Anlieferung der Mineralien in den Fabriken in Asien beginnt die eigentliche Produktion der Smartphones. Besser gesagt: Der einzelnen Komponenten wie Display, Prozessor, Arbeitsspeicher, Kamera, Chips für Wi-Fi, 3G, 4G, GPS, Bluetooth, NFC und mehr. Der Laie kann nur vermuten, was die Hersteller detailliert in ihren Geräten verbauen, da konkrete Hersteller- und Modellnamen winziger Einzelteile im Marketing zugunsten von Features und Spezifikationen vorenthalten werden. Dank Analysen von Spezialisten wie iFixit ergibt sich aber dennoch ein Gesamtbild, welche Teile beispielsweise im Falle des iPhone 5s zum Einsatz kommen.
Die Analyse der Einzelteile ermöglicht wiederum die Berechnung der kompletten Hardware-Kosten, wie diese iSupply regelmäßig durchführt. Das iPhone 5s mit 16 Gigabyte Speicherplatz besteht unter anderem aus einem Flashspeicher-Chip für 9,40 US-Dollar, Arbeitsspeicher und Prozessor (je 30 US-Dollar), Kamera-Modul (13 US-Dollar), Mobilfunkchips (32 US-Dollar), Sensoren wie dem Fingerabdruckscanner (15 US-Dollar), dem Chip für WLAN, Bluetooth und GPS (4,20 US-Dollar), Akku-Technik (11,10 US-Dollar) und weiteren mechanischen Teilen für 28 US-Dollar. Das teuerste Teil ist mit 41 US-Dollar die Kombination aus Display und Touchscreen, für Verpackung und Verpackungsinhalt zahlt Apple 7 US-Dollar. Zuzüglich der Fertigung, für die Unternehmen wie Foxconn etwa 8 US-Dollar berechnen, kostet die Herstellung des günstigsten iPhones 198,70 US-Dollar oder umgerechnet knapp 150 Euro. Was sich jedoch nicht beziffern lässt, sind die Kosten für Forschung und Entwicklung, Patent-Gebühren, Software-Entwicklung sowie Transportkosten.
Die Schätzung der Kosten erfolgt wiederum basierend auf den Herstellern, die hinter den einzelnen Komponenten stehen. Der Akku in Apples Top-Modell stammt von Desay Battery Co., LTD der Fingerabdruck-Scanner von dem von Apple aufgekauften Unternehmen AuthenTec, die iSight-Kamera von Sony, und eines der Funkmodule von Broadcom. Die Liste an Zulieferern ließe sich mit Namen wie SK Hynix, Qualcomm, TriQuint, Texas Instruments, Skyworks beliebig fortsetzen, das Fazit bleibt immer gleich: Die Handhabung aller Lieferanten ist neben der Rohstoffbeschaffung die zweite Mammutaufgabe für Smartphone-Produzenten.
Branchenübergreifend holte Apple 2014 das siebente Mal in Folge die Krone für das beste Supply Chain Management (deutsch: Lieferketten-Verwaltung), dicht gefolgt von McDonald's, Amazon, Unilever und P&G, so das Ranking der Marktforscher von Gartner. In seiner aktuellen Liste der Lieferanten führt Apple 200 Unternehmen, die zusammen 97 Prozent der Ausgaben für Materialien, Produktion und Zusammenbau der Produkte ausmachen. Deutschland ist auf der Liste mit der Bertelsmann-Tochter Arvato AG, Henkel, Infineon, Osram sowie der Dialog Semiconductor GmbH vertreten. Der Löwenanteil der Zulieferer sitzt jedoch ebenso wie die für die Endmontage zuständigen Unternehmen Foxconn und Pegatron in China.
Chinas Vorteil
Dass die Produktion in China stattfindet, ist keinesfalls Zufall, sondern logische Folge der Suche nach günstigen Lohnbedingungen. der Bericht der Non-Profit-Organisation Fair Labor Association. Laut Roos van de Weerd von Fairphone liegt dies ganz einfach am klassischen Modell aus Gewinn und Wachstum: "Das Ziel aller kapitalistischen Unternehmen ist Profit. Wir haben uns industrieweit zu schwer auf die Unternehmen aus der Lieferkette gestützt. Die Probleme im Kongo und die Arbeitsverhältnisse in China sind Zeuge von dieser Entwicklung. Für uns ist es deshalb wichtig aufzuzeigen, wohin das Geld der Kunden fließt und aus welchen Mineralen und Einzelteilen ein Smartphone besteht."
Obwohl Fairphone für etwas bessere Löhne sowie einen Sozialfonds bei seinem Vertragsfertiger Guohong sorgt, musste sich der Hersteller in der Vergangenheit mit der Kritik auseinandersetzen, sich mit schönen Worten statt echten Taten zu schmücken. Wie van de Weerd erklärt, sei es gerade für kleinere Unternehmen schwierig, mit einem Mal ein ganzes System zu ändern: "Wir bezahlen die Arbeiter selbst nicht, sondern der Hersteller. Um faire Löhne zu erreichen, muss sich die Arbeitskultur ändern. Wie können zwar mehr Geld vom Verbraucher an den Vertragsfertiger liefern, aber damit werden keine höheren Löhne gezahlt. Durch die geringe Menge lassen wir auch nur wenige Monate pro Jahr produzieren." Verbraucher haben somit kaum eine Chance, mit ihrem Kauf Veränderungen in der Volksrepublik durchzusetzen.
Neben Fairphone, das auf direktem Wege versucht, Maßnahmen vor Ort durchzusetzen, lassen sich andere Größen durch die Fair Labor Association (FLA) vertreten. Zu den prominentesten Unterstützern der FLA gehören neben Apple Branchengrößen wie H&M, Nestlé, Nike, Adidas, Puma und S. Oliver – "von Kaffee und Elektronik bis Kleidung und Schuhe", so die FLA. Hauptziel der FLA ist das Festlegen und Durchsetzen von Standards zum Schutz der Arbeitnehmer und der Umwelt. Ob und wie die Arbeitsbedingungen vor Ort sind und ob Regeln eingehalten werden, untersucht die FLA durch Überwachung und Kontrollen, über die öffentlich berichtet wird. Bei der Umstellung und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen greift die FLA Unternehmen durch Trainings unter die Arme.
Im Falle von Apple hatte die FLA in einem Bericht von Dezember 2013 deutliche Fortschritte bezüglich der Arbeitsdauer festgestellt, wenngleich Apples Vertragsfertiger noch nicht komplett den FLA-Anforderungen entspricht: "Foxconns Konformität mit den Arbeitszeiten-Standards der FLA ist ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Die FLA erwartet, dass Apple die Arbeitsdauer rigoros überwacht, um den FLA-Standard einzuhalten, gleichzeitig aber Fortschritte in Richtung der in China geltenden Limits von 49 Stunden pro Woche macht", so die FLA-Chefin Auret van Heerden. Die aktuell höhere Stundenzahl ist vor allem Überstunden geschuldet, die aufgrund des Lohnniveaus als Zuverdienst-Möglichkeit bereitwillig in Kauf genommen werden.
Code für weniger Elektroschrott: Recycling
Bewaffnete Konflikte, Umweltschäden durch den Abbau von Mineralien, Abfallmisswirtschaft und schlechte Arbeitsbedingungen. So sauber das neue Smartphone seinen Besitzer aus der Verpackung heraus anblitzt, so schmutzig ist mitunter der Weg, den unsere Geräte auf ihrem Produktionsweg zurücklegen. Der freiwillige Verzicht auf ein regelmäßiges Upgrade kommt nur für die wenigsten Technik-Fans infrage. Die Smartphone-Industrie erschwert es Anwendern allerdings auch zunehmend, selbst kleinste Defekte wie einen aufgebrauchten Akku selbst zu ersetzen.
Doch auch hier versucht Fairphone seine Branchen-Kollegen zum Umdenken zu bewegen, wie Roos van de Weerd erklärt: "Wir versuchen unseren Kunden keine Blackbox zu verkaufen. Bei unserem Smartphone kann nicht nur der Akku einfach getauscht werden, sondern auch das Kamera-Modul, der Bildschirm oder der Vibrationsmotor. Wir finden es wichtig, dass ein Gerät aufgebraucht wird und nicht nach einer bestimmten Zeit geplant zum alten Eisen gehört."