Es reicht einfach nicht: Social Media-Liebling Twitter bringt nicht die Aerodynamik mit, die sich die Wall Street wünscht, um die luftige Bewertung des Kurznachrichtendienstes zu rechtfertigen. Eine schwarze Null bei explosiv gestiegenen Umsätzen ist der Börse nicht genug – die schwachen Zuwächse der Nutzerzahlen besorgen Anleger weiter. Die Aktie crasht.
Es ist schon eine seltsame Wechselbeziehung: Twitter und die Wall Street – eigentlich passt das nicht. Der 140-Zeichen-Dienst lässt zwei der wichtigsten Grundvoraussetzungen für den nachhaltigen Börsenerfolg vermissen: Schnelles Nutzerwachstum und Profitabilität.
Auf der anderen Seite bietet Twitter paradoxerweise das, wonach Investoren dürsten: Twitter ist ein Hype-Unternehmen, das mit seinem 140-Zeichen-Dienst eine so unverkennbare Internetmarke wie nur eine Handvoll andere Dotcom-Unternehmen geschaffen hat, und es wächst nach Umsätzen so explosiv wie Facebook und Google in jungen Jahren.
Ständige Zitterpartie: Aktie fährt Achterbahn
Entsprechend rasant fällt die Achterbahnfahrt aus, die Twitter seit dem Börsendebüt vor knapp einem Jahr hingelegt hat – es ist und bleibt ein wilder Ritt. Vom vorsichtig gepreisten Debüt bei 26 Dollar zog das Papier binnen weniger Wochen auf 75 Dollar ab – eine Verdreifachung. 2014 dann jedoch das böse Erwachen: Immer noch rote Zahlen und viel schwächeres Nutzerwachstum, während jüngere Apps wie Instagram, Snapchat, WhatsApp massiv neue Mitglieder anlockten.
Die Folge: Ein Höllenritt zurück fast wieder auf Ausgabekurs – die Twitteraktie brach von 75 auf 29 Dollar ein, nachdem zudem die Haltefrist für Altaktionäre auslief und offenkundig jeder, der noch Kasse machen konnte, sein Kapital absicherte. Seit Frühsommer dreht der Trend jedoch wieder: Beflügelt durch die Fußball-WM zogen Mitteilsamkeit und Nutzerzuwächse massiv an – wenn sich selbst Rihanna als twitternder Edel-Fan outete…
Die Wall Street-Erwartungen zu erfüllen, reicht nicht
Lohn des Twitter-Booms: Ein starkes Juli-Quartal und die nächste Kursverdopplung bis auf 56 Dollar. Doch nun geht das Gezitter mit Twitter schon wieder weiter: Die nach Handelsschluss vorgelegten Quartalszahlen trafen zwar die Erwartungen der Wall Street – mehr jedoch nicht. Zwischen Juli und September setzte der Kurzmitteilungsdienst immerhin schon 361 Millionen Dollar um und überbot damit die Konsensschätzungen, die noch bei 351 Millionen Dollar gelten hatten.
Auch eine “schwarze Null“ stand endlich mit einem Gewinn je Aktie von einem symbolischen Cent. Der Nutzerzuwachs zog um 13 Millionen auf insgesamt 284 Millionen aktive monatliche Nutzer an – wie von Analysten erwartet. Und auch der Umsatzausblick liegt mit 440 bis 450 Millionen Dollar im Weihnachtsquartal gerade so im Rahmen der Erwartungen von 448 Millionen Dollar.
Anleger reagieren wie bei Amazon: entnervt
Doch "gerade so" reicht eben nicht, um die turmhohen Erwartungen der Börse zu erfüllen: Twitter wird mit 30 Milliarden Dollar an der Wall Street bewertet – das ist aktuell mehr als das Vierfache der Deutschen Lufthansa.
Um diese Bewertung zu rechtfertigen, muss der Zwiterscherdienst seinen Anlegern eines präsentieren: nachhaltige Gewinne. Gelingt CEO Dick Costolo nicht mehr als die schwarze Null, geht die Zitterpartie weiter. Im nachbörslichen Handel reagierten Anleger wie schon vergangene Woche bei Amazon – entnervt. Twitter-Aktien gehen in den Sturzflug über und verlieren zur Stunde mehr als 11 Prozent an Wert…