Vor knapp einem Jahr erlebte die Assassin's Creed-Reihe mit "Origins" eine Renaissance. Einer der bis jetzt besten Teile soll nun von dem neuen "Assassin's Creed Odyssey" noch einmal getoppt werden. Wir haben uns das Mammut-Open-World-Spiel für euch rund 30 Stunden auf der PS4 angesehen. Wie viel Spaß hat das gemacht? Der Test.
Die Wirren des peloponnesischen Krieges um 430 v. Christus haben es in sich: Die Spartaner verteidigen sich mit aller Kraft gegen die schier übermächtigen Griechen. Ihr befindet euch mittendrin und geht wahlweise mit Alexios oder Kassandra eurer eigenen Geschichte nach. Habt ihr euch für eine der beiden Spielfiguren entschieden, geht es nach einer kurzen Einführung direkt mit dem Abenteuer los, dass euch locker für 100 Stunden und mehr bei der Stange halten sollte.
Entscheidungen überall
Alexios wurde als Kind scheinbar von seinem Ziehvater – dem Wolf von Sparta – verstoßen und lebte seither bei einem noblen Gönner. Für dieses Schlitzohr führt ihr dann natürlich auch die ersten Aufträge auf der kleinen Heimatinsel aus. Im Gegensatz zum direkten Vorgänger "Origins" habt ihr bei vielen Einsätzen oft die Wahl, wie ihr nun weiter vorgehen wollt. Tötet ihr den Priester, der fest daran glaubt ein ganzes Dorf ausrotten zu müssen, um das Voranschreiten einer Krankheit zu verhindern? Oder stellt ihr euch auf die Seite der röchelnden Dorfbewohner? Was im ersten Moment richtig erscheint, kann sich im späteren Spielverlauf ganz übel gegen euch wenden. Also sind hier viele gewichtige Entscheidungen gefragt.
Auch die nun verfügbaren Auswahlmöglichkeiten beim Gespräch sind neu hinzugekommen. Anstatt euch nur eine Sequenz anzusehen, habt ihr nun die Möglichkeit aus verschiedenen Antworten auszuwählen, oder noch einmal genau zu hinterfragen, wo ihr für die Ausführung eines Auftrags eigentlich hinlatschen sollt. Das ist nett gemacht, letztlich aber nicht viel mehr als ein Feigenblatt.
Neue RPG-Systeme
Um "Assassin's Creed Odyssey" noch mehr in die Richtung "waschechtes Rollenspiel" zu schieben, wurden auch die Ausrüstungsmöglichkeiten und Talentbäume überarbeitet. Hier sind zwar noch deutliche Ähnlichkeiten zum Vorgänger zu erkennen, beide Systeme wurden aber gehörig aufgebohrt und erweitert. Schon in den ersten Spielminuten schwant euch: Das wird ein verdammt langer Ausflug.
Natürlich bekommt ihr für jeden erfolgreich absolvierten Einsatz und jedes neu entdeckte Fitzelchen Erfahrungspunkte, die euch aufleveln lassen. Ein Blick auf die Karte zeigt beim Herauszoomen an, in welchem Gebiet ihr euch mehr oder weniger mit eurem aktuellen Level bewegen könnt. Die ganz ausgebufften Spieler mit sehr sehr viel Zeit, stellen beim Spielstart auf den neu verfügbaren "Erkundungs-Modus". Hier werden die fetten gelben Salmis, die sonst euer Ziel darstellen, durch wage Beschreibungen ersetzt. Klar, der "Zelda-Ansatz" ist nett gemeint, hat sich aber im Test nicht bewährt. Zu lange dauert es, bis ihr bestimmte Dinge entdeckt, die Welt ist einfach viel zu groß geraten. Hier empfehlen wir euch eher, den "Normalen Modus" zu wählen und die Anzeigen (HUD) auf "Minimal" zu stellen. So habt ihr den Bildschirm von Anzeigen frei und könnt selber einstellen, was angezeigt werden soll.
Auf hoher See
Ebenfalls wieder vertreten sind die umstrittenen Bootstouren. Natürlich ist die griechische Inselwelt nur per Schiff erkundbar und auch viele andere, oft feindliche, Kapitäne versuchen euch unterwegs auf den Senkel zu gehen. Glücklicherweise hatten die Boote damals noch keine Kanonen oder sonstige Apparaturen am Start, so müsst ihr nur Pfeilschützen oder Lanzenwerfer koordinieren. Die Auseinandersetzungen zur See sind in den ersten Stunden auf jeden Fall deutlich einfacher zu bewältigen, als es in "Origins" oder "Black Flag" der Fall war. Ebenfalls ist es nun auch möglich bis zu vier Generäle auf eurem Kahn einzusetzen, die euch – je höher der Rang, desto besser – verschiedenste Boni beim Seekampf bescheren.
Der blanke Stahl
Auch neu gestaltet wurde abermals das Kampfsystem: Auf ein Schild wurde komplett verzichtet, ihr blockt und pariert lediglich mit den zahlreichen unterschiedlichen Waffen wie Schwertern, Hämmern oder Speeren und setzt zusätzlich in den Schleichpassagen wieder euren Dolch ein. Von dem Mechanismus am Arm ist nichts zu sehen, auch auf Wurfmesser müsst ihr in "Origins" verzichten. Dafür spielt der Kampf mit dem Bogen abermals eine wichtige Rolle. Die Kämpfe gegen mehrere Gegner gehen gut und flott von der Hand, das Parieren funktioniert vortrefflich – besonders der aus dem Film "300" bekannte Tritt mit dem gestreckten Bein wirkt oft wahre Wunder.
Die Welt als Star
Wie wohl kaum einem Entwickler gelingt es dem Hersteller Ubisoft nahezu perfekt, die gigantische griechische Inselwelt glaubwürdig abzubilden. Die Optik wurde im Vergleich zu "Origins" nochmals verbessert und die Welt hat nahezu die doppelte Größe. Natürlich ist wieder alles vollgeknallt mit Fragezeichen, Kisten, Sehenswürdigkeiten, Höhlen und anderem Zeug, dass es zu entdecken gilt. War euch "Origins" schon zu groß, ist "Odyssey" sicher kein Spiel für euch. Die Entdecker unter den Videospielern bekommen aber ziemlich genau das, was sie erwarten – und zwar in der wirklich hübschen XXL-Version. Überhaupt ist die griechische Mythologie noch ein deutlich interessanterer Ort für ein Spiel der "Assassin's Creed"-Reihe, als es Ägypten jemals sein konnte. Und ihr könnt euren Allerwertesten darauf verwetten, dass sich euch alle Unwegbarkeiten in den Weg stellen, mit denen schon Odysseus zu kämpfen hatte.
Fazit: Lieb' es oder hass' es
Ob es herstellerseitig schlau ist, schon ein Jahr nach "Origins" mit dem nochmals stark vergrößerten und stellenweise geschickt erweiterten und verbesserten "Odyssey" an den Start zu gehen, ist schwierig zu beantworten. Aber ohne Zweifel bekommen Liebhaber von Mammut-Open-World-Spielen aus dem Hause Ubisoft hier das bis jetzt kompletteste Paket: Top-Optik, riesige Welt, fluffige Kämpfe, Vorwärts- und Aufwärtsbewegung ohne lästige Hängenbleiber und einen satten Gewaltgrad mit wahlweise einer Menge rotem Lebensaft auf dem Bildschirm. Die "echten" Neuerungen sind marginal, aber dem Spiel ist deutlich anzumerken, dass es bis jetzt wohl noch kein "gereifteres" Assassin's Creed gab. Die Frage nach einem Kauf stellt sich also für Spieler, die "Origins" mit Wonne durchgespielt haben keine Sekunde. Flog der Ausflug nach Ägypten schon nach wenigen Tagen kaum gespielt von der Platte, werdet ihr auch mit "Odyseey" keinen Spaß haben.
"Assassin's Creed Odyseey" ist ab dem 05. Oktober 2018 für PC, PS4 und Xbox One erhältlich und hat die Altersfreigabe "Ab 16 Jahren". Nachfolgende noch der aktuelle Launch-Trailer:
Testwertung: Assassins Creed Odyssey
- Sehr hübsche Optik
- Riesige Spielwelt
- Zahllose Aufgaben
- Sehr nah am Vorgänger
- Flaches Dialogsystem