Bereits seit über einem Jahr ist das vielgepriesene Rollenspiel "Divinity: Original Sin 2" für den PC erhältlich – nun werden endlich die Konsolenspieler mit einer Umsetzung bedacht. Wie gut die "Definitive Edition" letztlich geworden ist und welche Neuerungen erwarten euch? Wir haben uns die PS4-Version einmal genauer angesehen.
Aus einem Kickstarter Projekt der belgischen Larian Studios wurde eines der besten Rollenspiele unserer Zeit. Auch der zweite Teil von "Divinity: Original Sin" schlug zu Beginn den gleichen Weg ein, nur um jetzt mit einer der höchsten Wertungen aller Zeiten für ein Rollenspiel mit 93 Prozent auf Metacritic zu thronen. Nach der Version für den PC kommt "Original Sin 2" nun für die PS4 und Xbox One an den Start, dabei gehen die Entwickler sicher, dass alles passt. Über 130.000 neue Dialogzeilen, umgeschriebene Passagen und ein neuer Schwierigkeitsgrad münden in die "Definitive Edition".
Online oder Splitscreen?
Als wohl einziges waschechtes Hardcore-Rollenspiel auf dem Markt könnt ihr "Original Sin 2" wahlweise im Online-Koop mit bis zu vier Spielern oder per Split-Screen auf dem heimischen Sofa genießen. Ideal ist es hier, wenn ihr das Abenteuer dann gleichzeitig angeht. So baut ihr euch einen Charakter (oder zwei, wenn ihr nur zu zweit unterwegs seid), der Spielfortschritt wird ausschließlich beim Host der Session gespeichert. Soll es weitergehen, müsst ihr euch also mit dem Spielleiter entsprechend einigen, um nicht auf der Strecke zu bleiben. Wollt ihr zwischendurch alleine spielen, müsst ihr mit neuen Charakteren von vorne starten. Nicht ganz ideal, aber ein annehmbarer Kompromiss, wenn man bedenkt, dass der Koop-Modus in diesem Genre absolut einzigartig ist und euch eine Menge gemeinsamer unvergesslicher Momente bescheren wird – denn so sehr ihr euch auch beeilt: unter 100 Stunden werdet ihr "Original Sin 2" in keinem Fall abschließen.
Die Qual der Wahl
Klar, die Charakter-Erstellung nimmt in solch einem Brocken wie "Original Sin 2" eine Menge Zeit in Anspruch. Natürlich ist es auch möglich, euch Figuren zu basteln, die nicht dem geschichtlichen Rahmen der Story folgen – das ist für den ersten Run aber nicht empfehlenswert, da ihr sonst große und wichtige Teile der vielverzweigten Geschichte verpassen könnt und in den zahlreichen Gesprächen auch weniger Antwortmöglichkeiten habt. Also packt "Ifan Ben Medzd", den "Red Prince" oder "Beast", den Zwerg, in die Party – und schon kann es losgehen. Dass auch hier unfassbar viele Möglichkeiten zur weiteren Anpassung der Charaktere und deren Ausrichtung zur Verfügung stehen, versteht sich natürlich von selbst. Der in der "Definitive Edition" erstmals verfügbare Schwierigkeitsgrad "Story" bietet auch Neulingen die Möglichkeit, das Ende des Spiels zu sehen. Aber stellt ihr auf "Normal" oder wählt gar den "Tactician Mode" könnt ihr euch auf einen stellenweise wirklich knallharten Schwierigkeitsgrad gefasst machen, bei dem der kleinste Fehler zum Bildschirmtod führen kann.
Die Reise beginnt
Ihr werdet in diesem Test zwar keinerlei Spoiler lesen, aber dass ihr euch am Anfang eurer Reise in einer verdammt misslichen Lage befindet, muss der Vollständigkeit halber hier rein. Denn um eurem Hals tragt ihr unfreiwilligerweise ein Halsband, dass euch davon abhält, wirksame Zauber zu sprechen. Als geschasster Magier – auch wenn ihr Bogenschütze oder Kämpfer seid, greift das Ding – werdet ihr in die Sklavenkolonie "Fort Joy" verfrachtet, um dort euer Dasein zu fristen. Die ersten Stunden in "Original Sin 2" sind als großes und umfangreiches Tutorial gedacht, um euch mit dem Mechaniken des Spiels vertraut zu machen. Besonderes Augenmerk liegt hier auf die Einbeziehung der umweltlichen Gegebenheiten beim Kampf – und das funktioniert wie folgt.
So wird gespielt
Die Auseinandersetzungen in "Original Sin 2" laufen rundenbasiert ab. Trefft ihr auf einen oder mehrere Gegner, pausiert das Spiel und jede Figur ist nacheinander an der Reihe – es sei denn, ihr habt entsprechende Zauber gewirkt. Bei jedem Zug steht euch eine bestimmte Anzahl an Aktionspunkten zur Verfügung. Die könnt ihr nutzen, um euch an eine bestimmte Stelle zu bewegen, einen Zauberspruch loszufeuern oder eine andere Aktion auszuführen. Habt ihr alle Punkte verbraucht, ist die nächste Figur an der Reihe. Am linken Bildschirmrand seht ihr neben den Portrait-Bildern eurer Recken etwaige positive oder negative Status-Effekte oder Buffs, die gerade aktiv sind. Um die bei den Gegner zu sehen, müsst ihr sie im Kampf per Aktions-Menü (Viereck-Taste) untersuchen. In den meisten Fällen befinden sich Pfützen von Öl, Blut oder Gift auf dem Boden, die ihr geschickt für eure Zwecke einsetzen könnt. Zündet das Öl mit einer Kerze oder einem Zauberspruch an, wenn die Gegner in der Brühe stehen und schon brennen sie für ein paar Runden lichterloh und verlieren so zusätzliche Energie. Generell könnt ihr die mannigfaltigen Scharmützel nur für euch entscheiden, wenn ihr alle Gegebenheiten in der näheren Umgebung jederzeit zu eurem Vorteil nutzt. So gibt es nacheinander auf die Mütze, bis ihr oder die Gegner das Zeitliche segnen. Mitunter können diese Auseinandersetzungen schon bis zu zwei Stunden dauern – aber keine Angst, ihr könnt euren Spielfortschritt jederzeit speichern.
Her mit dem Loot!
Es versteht sich bei einem Spiel dieser Art sicherlich von selbst, dass ihr nach einer gewonnen Schlacht erst einmal der Leichenfledderei nachgeht und die Looser um alles erleichtert, was nicht niet- und nagelfest ist. Auch in den großen Spielgebieten finden sich natürlich zahlreiche Schätze, Truhen und andere Kostbarkeiten. Das kann im Koop stellenweise recht problematisch werden, denn die Beute gibt es nur für den Spieler, der sie auch schnell genug einsteckt. Unter Umständen führt das zu Spannungen unter den Mitspielern, die sich nur dadurch umgehen lassen, dass so gut wie alles brüderlich geteilt wird oder den eben gefundenen Zweihänder dem Spieler aus der Session gibt, der ihn am besten gebrauchen kann. Idealerweise sind die Teilnehmer des Spiels so gut aufeinander eingestellt, dass jeglicher Zwist im Keim erstickt werden kann – einfach ist das jedoch nicht.
Ein spielbarer Roman
Was sich bei "Divinity: Original Sin 2" unweigerlich aufdrängt, wenn ihr durch die Lande zieht und dabei auf die verschiedensten Personen, Monster und andere eventuelle Unwegbarkeiten trefft, die das Dialogfenster aufploppen lassen, ist der wirklich herausragende Schreibstil, in dem die Buchstaben aneinandergereiht sind. Nicht nur, dass ab und zu ein Erzähler euch die Details eures Gegenübers fast schon bildlich rüberbringt, auch die Gespräche selbst sprühen oft derart vor intelligentem Witz, dass man sich oft wünscht, die Autoren von "Original Sin 2" würden mal bei Bethesda vorbeischauen, um ein paar Unterrichtsstunden zu geben. Doch auch hier gibt es im Koop-Modus einen Haken: Denn nur der Spieler, der das Gespräch zuerst startet, kann auch den weiteren Verlauf wählen. Kommen andere Spieler später oder gar nicht in den Genuss des anstehenden Plausches, können diese nur zuhören oder verpassen die Konversation gleich ganz – das hätte eventuell besser gelöst werden können. Abgesehen davon können die Dialoge und auch die daraus hervorgehenden Quests aber absolut überzeugen und sorgen mit vielen Überraschungen und ungewöhnlichen Verläufen für das Salz in der Suppe eines modernen Rollenspiels. Ein besseres Quest-Design als in "Original Sin 2" werdet ihr kaum finden.
Fazit: RPG Deluxe
Auch auf den Konsolen büßt "Divinity: Original Sin 2 – Definitive Edition" so gut wie nichts von seiner ursprünglichen Faszination ein: Ansehnliche Optik, geniales Writing, tonnenweise Loot zur Herstellung verschiedenster Gegenstände, toll animierte und mit feinen Lichteffekten garnierte Zaubersprüche und Rüstungsteile, die kaum zu zählen sind. Kurzum: "Original Sin 2" ist ein echtes Umfangsmonster. Dass für das Mikromanagement des Inventars ohne Maus deutlich mehr Zeit draufgeht, ist dabei locker zu verschmerzen. Dann wird abends in der Koop-Runde eben mal zwei Stunden rumgefuzzelt, anstatt die Geschichte weiter voranzutreiben. Am positiven Gesamtergebnis nagt allerdings ein fehlendes Gitter, das euch im Kampf immer genau anzeigt, wie weit welche Aktion nun reichen würde und auch die echt üblen Spitzen im Schwierigkeitsgrad können dem geneigten Rollenspiel-Fan schonmal die Laune verhageln: Hier wäre mehr Spielerführung nötig gewesen. Wenn ihr mit 30 offenen Quests im Journal vor eine Wand nach der anderen rennt, weil die Gegner weit über eurem Level sind, hilft oft nur ein kurzer Blick in die Weiten des Internets. Nichtsdestotrotz ist "Original Sin 2" auch auf PS4 und Xbox One mit Leichtigkeit das Rollenspiel des Jahres, das Genre-Freunde auf gar keinen Fall verpassen sollten.
"Divinity: Original Sin 2 – Definitive Edition" ist ab dem 31.08.18 für Playstation 4 und Xbox One zum Preis von rund 60 Euro erhältlich und hat die Altersfreigabe "Ab 16 Jahren". Der nachfolgende Trailer zeigt in bewegten Bildern, was genau euch erwartet:
Testwertung: Divinity: Original Sin 2 (Definitive Edition)
- Genial geschrieben
- Sehr lange Spieldauer
- Vier-Spieler-Koop
- Spannende Aufgaben
- Schwankender SKG
- Orientierung teils schwierig
- Fehlendes Gitter/Raster