Wir leben in wundervollen Zeiten. Jeder der Großen hat heute die Kompetenz ein gutes Smartphone zu entwickeln. Deshalb muss man uns überraschen, um uns zu verführen: Das Huawei P30 Pro tat dies Anfang des Jahres mit seiner Teleskop-Linse – Wahnsinn, wie viel Zoom sich hier rausholen lässt. Samsung tat dies mit seinem Galaxy S10 und seiner Weitwinkel-Kamera – ein Paradies für Fotografen und ambitionierte YouTube-Filmemacher. Was also bietet das Google Pixel 3a an, das uns verführen kann? Vieles, wäre wohl die richtige Antwort. Und das zum kleinen Preis.
„Okay wow“, waren die ersten Worte, die mir entfuhren, als die ersten Spiele installiert, die ersten YouTube-Videos angesehen, die erste Musik genossen war. Und ich war hin und weg, weil die Dual Stereo Speaker wirklich erstklassig sind. Sound ist eine der größten Schwächen fast aller Smartphones, weil die Geräte immer schmaler werden und nicht mehr das Volumen haben, den es für einen Resonanzkörper braucht. Man muss sich technisch behelfen, muss tricksen. Oft geht das schief, doch Google landet hier mit dem Pixel 3a einen Volltreffer.
Mehr durch Zufall surfte ich auf unserem Curved-Artikel zur AppleTV+-Initiative auf jenes Live-Video, in der Sara Beilles „Little Voice“ im Steve-Jobs-Theater performte. Und wow, klingen die Stereo Speaker gut. Das Klavier, welches nicht übersteuert, sondern harmonisch hochkommt. Sogar die Mitten und Höhen fühlen sich gut an, fühlen sich richtig an. Okay, „Little Voice“ ist ein eher einfacher Song – gehen wir mal eine Stufe höher, nehmen wir „She Used to be Mine“: Schwieriger Song für ein Smartphone, weil die Instrumente die zarte Stimme nicht übertönen dürfen.
Der Sound begeistert
Und ja, was soll ich sagen: So muss ein Smartphone klingen. Wenn ihr die Musik liebt und auch mal ohne Kopfhörer Musik genießen wollt, dann sollte das Pixel 3a bald euch gehören. Google verrät leider dessen Namen zwar nicht, aber es soll wohl ein Grammy-Produzent für das Optimieren des Sounds engagiert worden sein. Beeindruckend, kann man nicht anders sagen.
War auch kein Glückstreffer, selbst einige der schwersten Songs der Musical-Geschichte wie „Never Enough“ aus The Greatest Showman meistert das Google Pixel 3a XL mit guter Qualität. Spätestens beim Refrain gibt‘s dann doch kleinere Unstimmigkeiten, für die extremen Höhen sind die einfachen Soundchips eines Smartphones nicht gemacht. Aber wer auf dem Handy Musik genießen will, ist mit diesem Google-Smartphone bestens beraten. Offensichtlich sieht auch Google selbst den Sound als entscheidendes Kriterium – Pixel-Käufer erhalten drei Monate YouTube Music kostenfrei dazu.
Das Google Pixel 3a XL ist leicht wie eine Feder …
Google verwendet einen Metallbody und zieht bei unserem Test-Modell über rund 70 Prozent des Rückens ein Kunststoff-Coating in mattem Schwarz. Weitere Varianten: klassisch in weiß, wie schon beim Pixel 2 und 3, sowie Purple-Lila. Die oberen 30 Prozent sind in Klavierlack gehalten. Dadurch wirkt das Android-Telefon edel und schick, zieht aber anders als viele seiner Kollegen Fingertoucher nicht magisch an. Und dann ist da das Gewicht: Noch so ein kleiner „Okay, wow“-Moment. Nicht vergessen: Wir reden hier von einem 6-Zoll-Display, also keinem kleinen Android-Smartphone. Und doch ist es leicht wie eine Feder. Nur 167 Gramm bringt es auf die Waage. Leichter noch als das Honor 10 oder Galaxy S6, die beide eher kleine Displays hatten. Das Pixel 3 hatte noch einen Glasbody, dadurch war das „alte“ Google-Phone etwas schwerer.
Das ist natürlich Geschmackssache, manche Leute mögen eher schwere Smartphones, weil sie wertiger wirken. Aber das Google Pixel 3a XL kann man problemlos zum Joggen in die Sporthose stecken und merkt es kaum. Für viele mag das keinen Unterschied machen, doch gerade Sportler werden die Leichtigkeit feiern. Und ich feiere den 3,5 Klinkenanschluss – wer noch nicht komplett auf Wireless Buds umgestiegen ist, der wird die Rückkehr begrüßen. Das Display löst mit 2.160 x 1.080 auf, wird von Samsung hergestellt, kommt aber nicht an das perfekte Galaxy S10-Display ran, dafür fehlt HDR10+. Die Pixeldichte liegt bei 402 ppi, was ein guter Wert ist. Das Galaxy S10 hat 522 ppi, ist aber auch signifikant teurer.
… und schnell wie ein Rennpferd
Reden wir über die Performance und Ausstattung dieses Modells: Nur 4 GB DDR4 Arbeitsspeicher, genau wie beim Pixel 3. Man schaut überrascht, mittlerweile gelten 8 GB in der Branche als Minimum, einige Smartphones haben gar 12. Und trotzdem rennt das Ding, Wahnsinn. Die Kombination aus Qualcomms neuem Snapdragon 670 mit 64Bit Octa-Core, der sich in 2.0 Ghz und 1.7 GHz splittet, und dem Adreno 615 Grafikchip macht richtig Laune. Liegt sicherlich auch daran, dass Google wie gehabt Stock-Android verwendet. Keine Services vorinstalliert, keine fancy Oberfläche – alles auf Speed optimiert. Games, Multi-Tasking, Foto-Bearbeitung? Alles easy.
Ihr könnt jetzt Fotos im RAW-Format speichern und via Lightroom bearbeiten, ähnlich wie beim Nokia 9 Pure View. Dann dauert das rendern mal einen Moment, aber ansonsten rennt das Pixel 3a: Fortnite in höchsten Einstellungen, durch 20 offene Tabs switchen via Multi-Tasking, zwischendurch ein Video – kein Thema. Auch ein Asphalt 9, welches mit seinen scharfen Texturen und aufwendigen Umgebungseffekten ordentlich auf die GPU geht, läuft schön flüssig. Sagen auch die Benchmarks: 2.430 Punkte im 3D Mark mit der Slingshot-Demo sind ein guter Wert für ein Budget-Phone in der 400 Euro-Liga, auch wenn das Google Pixel 3a XL natürlich nicht mit 1.000 Euro-Flagschiffen wie dem Huawei P30, iPhone XS Max oder Galaxy S10+ mithalten kann, die hier locker den doppelten Benchmark-Wert holen.
Google Pixel 3a XL im Kamera-Test: Nicht nur #teampixel wird’s gefallen
Google weiß, worauf es bei Kameras ankommt. Nicht umsonst hat sich auf Facebook, Instagram und Twitter mittlerweile die #teampixel-Bewegung seit dem Pixel 3 gegründet. Es sind günstige Telefone mit exzellenter Kamera. Dafür mache ich standardmäßig den „Foto aus dem Auto raus“-Test: Ab auf die Autobahn, anderes Fahrzeug fokussieren und Resultate anschauen – bitte nur als Beifahrer! Warum? Weil es zeigt, ob der Shutter Speed passt, das Image Processing und natürlich die Qualität. Das Telefon muss binnen sehr kurzer Zeit ein fahrendes Fahrzeug scharf stellen. Je mehr Details es hier liefert, desto besser. Das Google Pixel 3a XL nutzt für seine Hauptkamera Sonys IMX363 mit f/1.8 Blende. Und die Resultate machen Spaß: Ihr bekommt ein scharfes Bild mit sehr hohem Dynamikumfang und vielen Details. Aus der Fahrt heraus ist es für ein Smartphone ziemlich tricky, auch die Wolkenkonstellation im Hintergrund natürlich einzufangen, dem Pixel 3 gelingt das spielend. Manchmal sind die Fotos sogar zu scharf, zu authentisch – denn das Pixel fängt kleinste Hautunreinheiten und Falten ein.
Das Menü ist übersichtlich, die Funktionen reichlich. Ihr könnt etwa die Farbtemperatur des Fotos einstellen: Mit Glühlampe erhält es einen leichten bläulichen Schimmer, bei Neonlicht wird die Helligkeit intensiviert, die Einstellung Sonne lässt Farben etwas mehr strahlen, insbesondere Gelbtöne. Was mir persönlich sehr gut gefällt, ist der Motion Auto-Focus: Ihr könnt etwa eine Blume anvisieren und selbst beim Sturm verliert die Kamera nicht den Fokus. Auch das Bokeh lässt sich schön setzen. Die IMX ist ein Partner, auf die Verlass ist, unterstützt von exzellenter Google-Software: Top Shot etwa ist brillant. Macht ihr zehn Bilder hintereinander, berechnet das Pixel automatisch, welches das beste Framing hat. Angenommen der Wind tobt, erkennt die Software das euch Haare ins Gesicht wedeln und bietet an: „Hey, es gibt da ein besseres Foto, möchtest du die anderen löschen?“.
Night Sight ist ein Highlight
Größtes Highlight ist und bleibt aber Night Sight: Die Google Pixels sind die Könige der Nacht. Ihr könnt ein Foto bei absoluter Dunkelheit schießen und es wird gut aussehen. Das ist ein bisschen wie Magie: Ein Foto einer Katze, im Raum geschossen, bei Dunkelheit. Auf normalen Smartphones wäre nichts zu erkennen, außer beim Huawei P30 Pro. Das Pixel jedoch errechnet daraus ein wirklich schönes Foto, welches sogar das weiße Fell authentisch wiedergibt. Wohlgemerkt in einem Moment, in dem ihr selbst das Fell selbst gar nicht richtig sehen könnt.
Wie funktioniert das? Night Sight verlängert via Software den Lichteinfall. Will heißen: Ihr drückt ab, aber Night Sight verlängert das Speichern des Restlichts, welches vorhanden ist, auf bis zu 6 Sekunden. Weil das Foto allerdings nicht stabilisiert aufgenommen wird, sondern aus der Hand, muss die Software zusätzlich das leichte Wackeln der Hand und vielleicht sogar die Bewegung des Objekts berechnen und ausbalancieren. Etwa bei einem Bus, der gerade in die Nacht entschwindet. Und es sieht wunderschön aus, wenn man vom Dach des Mandarin Oriental in die Skyline Münchens fotografiert.
Ein Traum für Filmemacher: Fused Video Stabilization
Es ist vielleicht der beste Kamera-Trend des Jahres: Smartphone-Videos verwackeln nicht mehr. Die neue Fused Video Stabilization von Google ist ein Mix aus Hardware und Software; aus Linsensystem, Sensen und Machine Learning. Und das bis zu 4K-Aufnahmen bei 30 Bildern pro Sekunde. Einige Hersteller beschränken dieses Feature auf 1080p. Im Grunde ist es gemacht für Sportler. Für Typen wie Casey Neistat, die auf ihrem Longboard durch den Verkehr von New York City rauschen.
Aber auch wer Vlogs vom Skateboard oder Fahrrad aufnehmen will, profitiert davon. Theoretisch könnt ihr eure Umgebung auch beim Joggen filmen und das Bild wackelt nicht mehr wie ein Kuhschwanz, sondern ist smooth, als hättet ihr spezielles Equipment wie einen Gimbal verwendet. Ich bin schon sehr gespannt, wie Google dieses Setup für das Pixel 4 fortführen wird. Denn ein Flaggschiff-Brüderchen soll das Pixel 3a ja noch bekommen.
Google Home im Pixel: Die neue Lust an Entschleunigung
Google hat ein paar nette Services und Ideen im Angebot, die eure Beziehung zum Smartphone neu gestalten. So zeigt es auf Wunsch jetzt an, wie oft ihr eigentlich am Tag euer Pixel 3a in die Hand nehmt und wie viel Zeit ihr in einzelnen Apps verbringt. Auch sehr praktisch: Das neue Dashboard gibt euch einen Überblick, wie viele Notifications ihr pro Tag erhaltet, auch anhand eines Graphen. Ihr könnt also mal ein paar davon abschalten und dann nachverfolgen, ob das zu etwas weniger Handy-Nutzung führt. Sehr schön und gerne genutzt ist auch der Shh-Modus. Süßer Name, heißt im Grunde, dass ihr euer Pixel auf die Vorderseite legen könnt, um automatisch den Sound und alle Notifications zu deaktivieren – optimal für einen Powernap am Mittag.
Auch nett: Sagt ihr „Hey Google, Zeit zu entspannen“ aktiviert das Telefon einen neuen Schwarz-Weiß-Modus fürs Display des Smartphones und deaktiviert alle Notifications. Das System gehört zur neuen Initiative Digital Wellbeing: Technologie-Unternehmen machen sich zunehmend Gedanken darüber, dass ihre Geräte ihren Nutzern helfen und sie unterstützen anstatt sie zu überfordern und schlecht schlafen zu lassen. Es ist ja allgemein bekannt, dass das helle Display eines Smartphones kurz vor dem Ratzern zu schlechteren Schlafergebnissen führt, weil das Gehirn denkt, es müsse jetzt nochmal arbeiten. Ein entspannendes Android-Phone.
Das Google Pixel 3a XL ist nicht das beste Smartphone, aber …
Das Pixel 3a ist nicht das außergewöhnlichste Smartphone des Jahres. Es ist auch kein Pixel 4. Es hat keine Notch und kein randloses Display, vom Design ist es eher 2018 und ich persönlich vermisse Wireless Charging sehr. Aber es ist ein tolles Android-Phone: Es ist schnell, es ist effizient und es hat eine der besten Kombinationen aus Image Processing und Auto-Fokus auf dem Markt. Sowohl bei Fotos als auch Videos.
Es ist faszinierend, dass wir in Zeiten leben, wo Technologie uns keine Grenzen mehr setzt. Ich kenne Filmemacher, die nur noch mit dem Smartphone filmen, weil es klein, leicht und handlich ist. Weil es mehr Spielraum bietet als eine Spiegelreflexkamera. Und so butterweich wie die Schwenks mit diesem obendrein sehr günstigen Google-Flagschiff gelingen, kann sich jeder auf YouTube ausprobieren. Und genau darum geht es: Im Urlaub in New York den magischen Timelapse ziehen, damit wir zu Hause in Erinnerungen schwelgen können. Ist also das Google Pixel 3a XL das perfekte Gesamtpaket? Es ist verdammt nah dran.