Mit "Marvel's Spider-Man" wagt sich Sony auf das dünne Eis der Comic-Umsetzungen. Kann das Action-Abenteuer, welches ausschließlich für die Playstation 4 erhältlich ist, im Test überzeugen? Wir haben den Netzkopf rund 40 Stunden begleitet, um euch ein Urteil liefern zu können.
Dieser Test ist absolut frei von Spoilern!
Schon zahllose Spielehersteller und Entwickler haben sich an "Spider-Man" versucht – mal mit mehr, mal mit weniger Glück. Letztlich konnte der beliebte Superheld aber den neueren Spielen der Batman-Reihe nie das Wasser reichen. So wagten wir uns gespannt an das neue "Marvel's Spider-Man" für die PS4: Wird die neue Comic-Umsetzung den Fähigkeiten der Spinne gerecht oder müsst ihr euch wieder über lahmes Geschwinge mit noch lahmerer Story ärgern?
Ein Held ist geboren
"Marvel's Spider-Man" greift nicht die Origin-Story der Spinne auf, sondern setzt mitten im Alltag von Peter Parker ein. Als gleichzeitig vielgeliebter und nicht zuletzt dank Jonah Jameson meistgehasster Superheld von New York City verdingt sich der kluge und vorlaute Netzschwinger als Beschützer der Stadtbewohner und geht nebenbei seiner Forschungsarbeit nach. Wer ihm dabei zur Seite steht und welche unheilvolle Wendungen die Reise in die Wissenschaft nach sich zieht, wollen wir euch an dieser Stelle aber nicht verraten. Der Auftakt zum Spiel macht euch natürlich gleich mit dem wichtigsten Steuerungsdetail bekannt: Dem Schwingen mit euren aus Netzdüsen abgeschossenen Spinnenfäden.
Besser geht's nicht
Und das ist so gut gelungen, wie in noch keinem anderen Spiel der Serie vorher. Per L2 und R2-Taste verschießt ihr abwechselnd den klebrigen Schmodder und könnt zusehen, wie sich die Seile an den verschiedensten Teilen der Umgebung befestigen, um euch die Möglichkeit für einen satten Schwung zu geben. Dabei könnt ihr die Tasten entweder gedrückt halten, oder den Druck so timen, dass ihr entweder kurz und schnell oder sehr hoch hinaus schwingt, um an oft notwendige Höhe zu gewinnen. Drückt ihr die beiden Tasten gleichzeitig, zieht sich der Netzkopf mit zwei Fäden an überall aufploppende aber sehr dezente Markierungen. Drückt ihr nun im Moment der Landung die X-Taste, wird Spidey mit voller Wucht nach vorne geschleudert. Diesen Move solltet ihr schon zu Beginn üben und schnell verinnerlichen, denn spätestens wenn ihr die obligatorischen Rennen gegen die Zeit aufnehmt, habt ihr so mit Leichtigkeit die Oberhand über die zahlreichen Prüfungen abseits der Hauptgeschichte.
Immer auf die Zwölf
Natürlich stellen sich euch im Spielverlauf neben zahlreichen Superschurken in spannenden und optisch extrem opulenten Bosskämpfen auch ohne Ende Smalltime-Gangster und Handlanger in den Weg, oder besser: ihr euch ihnen. Denn Spider-Man kann Verbrechen bekanntlich nicht ausstehen. Folglich geht – wenn ihr das wollt – ein großer Teil der Spielzeit mit extrem spaßigen aber zu Spielbeginn äußerst fordernden Kloppereien drauf, bei denen ihr euch nicht selten mit 20 Gegnern gleichzeitig balgt. Tipp: Nehmt es mit dem Gangster-Fußvolk erst auf, wenn ihr Level 20 erreicht habt. Dann habt ihr schon genügend Lebensenergie, Zusatz-Fähigkeiten und Schlagkraft, um den anstürmenden Horden mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht Herr zu werden. Denn dank auch im Kampf ausnehmend gut funktionierender und eingängiger Steuerung freut ihr euch über jeden Gegner, der sich in eurem Netz verfängt. Dann wirbelt ihr die Schurken herum, klebt sie behände an Wände, knallt ihnen per Netzfaden Gegenstände in der näheren Umgebung an die Birne oder stellt zahllose andere "Gemeinheiten" mit ihnen an. Ist der Ansturm vorbei, wird die gesamte Kampfumgebung von vielen kleinen Kokons verziert – die unnachahmliche Handschrift der Spinne. Ein Vergleich mit den schon guten Kämpfen der Batman-Spiele fällt allerdings schwer, denn Spidey bewegt sich um ein Vielfaches schneller und eleganter als sein düsterer Kollege. Kleines Detail am Rande: So sehr die bösen Jungs auch einstecken müssen: In Spider-Man stirbt keine einzige Figur, die ihr ins Reich der Träume schickt. Selbst der weite Tritt von einem Hochhausdach hat für den Gegner zur Folge, dass er auf seinem Weg in die Tiefe rechtzeitig von einem Netzfaden gerettet wird – witzig!
Des Kaisers neue Kleider
Wie erwähnt könnt ihr euch im Spielverlauf nach und nach über immer neue und durchschlagende Fähigkeiten freuen, die ihr nach Belieben durchtauschen und für euren Spielstil zusammenstellen könnt. Zudem spielt ihr nach und nach neue Anzüge für Spidey frei, die ihr allerdings erstmal bauen müsst. Dazu nutzt ihr bestimmte Münzen, die ihr während des Hauptspiels oder dank kleiner Nebenaufgaben samt Denk- und Puzzlespielen erspielt. Die Anzüge bringen jeweils eine neue Fähigkeit mit sich. Doch welche Anzüge das genau sind, und was für Optimierungen sie euch bieten, wird hier ebenfalls nicht verraten. Nur so viel: Echte Connaisseure der Hauptfigur werden des öfteren mit der Zunge schnalzen.
Was gibt es noch?
Obwohl wir über die Haupt-Story und die Personen, die ihr trefft hier ebenfalls kein Wort verlieren, müssen natürlich ein paar Sätze zur technischen Umsetzung von "Marvel's Spider-Man" hier hinein. Denn auch wenn die Spielwelt – ihr seid ausschließlich in Manhattan unterwegs – nicht sehr groß ausfällt, ist sie a) sehr glaubwürdig und b) vollgestopft mit kleinen Details an jeder Ecke. Passanten bevölkern die Straßen und schimpfen oder bitten aufgeregt um ein Selfie, die Straßenschluchten sind vollgestopft mit dem typischen New-Yorker-Stadtverkehr. Neben der kongenialen Steuerung des Protagonisten ist die belebte und glaubwürdige Spielumgebung wohl einer der absoluten Hingucker. Dazu gesellen sich filmisch gestaltete Actionsequenzen, die es sogar den größten Quick-Time-Hassern leicht macht, sie zu mögen. Denn die eingestreuten Geschicklichkeits-Tests sind äußerst rar und sehr einfach auszuführen. Zudem ist die Optik kaum noch von einem Marvel-Film zu unterscheiden, kein Flimmern, keine Treppcheneffekte sondern krachend scharfe Texturen und feinste Lichtspielereien lassen euer Gamer-Herz höher schlagen. Für einen Durchlauf der Story benötigt ihr rund 20 Stunden, erledigt ihr alles was zu tun ist, könnt ihr die Angabe verdoppeln.
Fazit: Ihr seid Spider-Man!
Viele Jahre hat es gedauert bis der liebenswürdige Comic-Held endlich wieder mit einer brauchbaren Videospielumsetzung bedacht wurde. Aber jede Sekunde des Wartens hat sich gelohnt. Hersteller Sony und Entwickler Insomniac-Games haben ein Spiel erschaffen, dass dem Superhelden gerecht wird und ihn in ein perfektes Licht rückt. Habt ihr die Steuerung erst einmal verinnerlicht, ertappt ihr euch dabei, dass es euch vorkommt, als wärt ihr selber als "Spider-Man" in New York unterwegs. So die Mattscheibe zu durchbrechen und dem Spieler dieses Gefühl zu vermitteln ist die hohe Kunst eines Videospiels – und kann hier in absoluter Perfektion genossen werden. Dass die Spielwelt recht klein und die Nebenaufgaben gewohnt schablonenhaft gestaltet wurden, ist bei diesem Kino-Feeling am Gamepad mehr als locker zu verschmerzen. "Marvel's Spider-Man" ist ein echtes "Kind der Liebe" und gehört ganz sicher in jede PS4-Spielesammlung.
"Marvel's Spider-Man" ist ab sofort exklusiv für die Playstation 4 zu haben und hat die Altersfreigabe "Ab 12 Jahren". Denn nachfolgenden Trailer solltet ihr nicht ansehen, wenn ihr weiterhin fiese Spoiler vermeiden wollt:
Testwertung: Spider-Man
- Sehr gute Optik
- Glaubwürdige Spielumgebung
- Perfektes Schwung-Gefühl
- Schablonenhafte Nebenaufgaben
- Recht kleine Spielwelt