Abschied von Nokia: Disconnected

Bald wird auf Lumia-Smartphones das neue Microsoft-Label zu sehen sein
Bald wird auf Lumia-Smartphones das neue Microsoft-Label zu sehen sein (© 2014 Nokia )
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Smartphones von Nokia? Das war einmal. Nach der Übernahme dieser Sparte durch Microsoft gibt der finnische Konzern den mobilen Zukunftsmarkt auf. Auch die Marke, die weltweit jahrelang für "Connecting People" stand, verschwindet von den Hosentaschen-Gadgets: Künftig werden die Lumia-Geräte das Microsoft-Logo tragen. Zeit, Adieu zu sagen.

Vielen Dank, Nokia. Vor allem dafür, dass Du mir gezeigt hast, wie cool es ist, unterwegs zu telefonieren. Denn ja, dafür stand Dein Name, lange bevor das Internet für die Hosentasche überhaupt erfunden war: Menschen miteinander zu verbinden. "Connecting People" stand oft direkt unter Deinem Logo. Nicht nur wie ein Teil des Namens, sondern als ein wichtiger Baustein Deiner Philosophie. Technik, die verbindet – egal, wo man sich befindet.

Mitte der 90er Jahre gab es mehrere Hersteller, die erfolgreich Handys produzierten. Mein erstes war von Philips, mein zweites von Siemens. Aber Ende der 90er begann die Zeit, in der es gefühlt nur noch Nokia-Handys gab. Auch ich griff irgendwann zur finnischen Technik und kaufte 1999 das 8210. Mein Gott war das ein tolles Gerät: klein, bunt, unglaublich lange Akku-Leistung. Es war toll, das Handy zu nutzen. Zu jener Zeit fragte man nicht nach dem Hersteller des Telefons, sondern nach der entsprechenden Nokia-Nummer. Denn: Jeder hatte eines, von meinem Nachbarn bis zu Keanu Reeves in "Matrix". Und den Nokia-Klingelton hörte man überall.

Kein Problem mit Flops

Das ist natürlich großer Quatsch, auch andere Hersteller produzierten weiter fleissig Handys, aber die spielten keine Rolle. Nokia dominierte den Markt, Philips, Siemens und Co. stellten irgendwann die Handy-Produktion ein oder verkauften das Geschäft. Andere mussten soviel in Marketing und Werbung investieren, dass sich das Geschäft für die Unternehmen kaum lohnte. Nokia dagegen konnte sich sogar Flops wie das Spielehandy N-Gage leisten, für andere Hersteller wäre so ein extravagantes Gerät der Todesstoß gewesen. Man muss nur bei Siemens mal den Namen "Xelibri" fallen lassen – man bekäme bestimmt Hausverbot. (Kleine Anmerkung: Heute sind das N-Gage von Nokia und die Xelibri-Handys von Siemens übrigens begehrte Sammlerobjekte.)

Hätte man damals schon merken können, dass der Zenit überschritten ist? Dass das so nicht weiter gehen kann? Hm, wahrscheinlich nicht. Nokia wuchs, weltweit. Europa, Asien, Afrika, Südamerika – Nokia eroberte Kontinent um Kontinent. Nur in den USA hatten die Finnen Probleme, vor allem mit dem local hero Motorala. Nokia musste das Wachstum organisieren – und übersah dabei wohl einen wichtigen Punkt: Weiterentwicklung.

Arroganz der Erfolgreichen

Bei einer der unzähligen Presseveranstaltungen, die ich als Journalist besuchen durfte, hörte ich den damaligen Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo sagen: "Bluetooth, Wlan, 3G, blablabla – natürlich hat unser neues Flaggschiff alles an Bord, was derzeit technisch möglich ist." Wahrscheinlich hatte er recht. Und die Idee war eigentlich auch gut, bei einer Präsentation nicht auf bestimmten Features rumzureiten, die später eh nur kleingedruckt auf einer Verkaufsverpackung stehen. Aber es zeugte auch von einer gewissen Arroganz: Wir haben alles. Wir können alles. Wir müssen uns nichts erzählen lassen. Es war 2007, das Jahr, in dem in den USA das iPhone vorgestellt wurde.

Vielleicht ist es wirklich schwierig, mitten im Lauf die Schuhe zu wechseln. Da verkauft man weltweit mehr Handys alle die meisten anderen Hersteller zusammen – und soll dann plötzlich die Strategie ändern? Und außerdem war nicht Apple der große Angstgegner, sondern Samsung. Die Koreaner schickten sich an, Nokia vom Thron zu stoßen – mit ganz normalen Tastentelefonen. Warum sollte man sich da um einen Computerhersteller kümmern, der bei seinen Telefonen komplett auf Tasten verzichtet? Hölynpöly (finn: Blödsinn).

Zu früh? Nein, zu spät!

Manchmal ist es so, dass wir Technik-Redakteure zu schnell von neuen Entwicklungen begeistert sind. Wir freuen uns, wenn ein Hersteller den Mut hat, einfach mal etwas anders zu machen. Als Apple damals das erste iPhone vorstellte, war mir klar, dass dieses Gerät unser mobiles Leben verändert wird. Wenigstens aber meines. Ich wollte ein großes Display, wollte Bilder darauf anschauen, vielleicht sogar Videos, wollte damit im Internet surfen. All das ging auch irgendwie mit Nokia-Handys. Aber war das bequem?  Ich war mir sicher: Diesmal bin ich mit meiner Meinung nicht zu früh dran. Und ein Jahr später merkte ich, dass Nokia zu spät dran ist.

Es war ein Termin im Design-Studio von Nokia. Dort, wo Materialien und Form für die nächsten Handys entwickelt wurden. Der Chefdesigner bezweifelte damals den langfristigen Erfolg des iPhones und dessen Betriebssystems. Er vertraute lieber auf die tolle Verarbeitung seiner Hardware. Und das würden die Nokia-Kunden auch so sehen. Und da war sie wieder, diese Arroganz. Dieses "Uns kann keiner was". Ich hatte damals das Gefühl, dass Nokia lieber Uhren herstellen würde. Die Uhrzeit ist einfacher zu handhaben und zu verpacken, als die mobile Zukunft.

Fehler in der System-Wahl

Später setzte Nokia natürlich auch auf große Displays, mal mit, mal ohne zusätzlichen Tasten. Mal für jüngere Leute, mal für Geschäftskunden. Aber egal für wen die Handys, – oder wie Nokia sie nannte: Feature-Phones" – sein sollten, in allen Geräten werkelte immer noch das Symbian-Betriebssystem. Ein tolles System für Tastentelefone, ohne Frage. Aber auf Smartphones mit großem Display wirkte es damals so, als würde man mit einer Zeitmaschine zurück zu den Anfängen von Windows zurückgeschleudert worden sein. Hässlich, langsam, unübersichtlich. Das sah nicht nur bei Apple schöner aus. Auch Google brachte mit Android eine deutlich gelungenere Symbian-Alternative heraus.

Und was macht Nokia nach ein paar Jahren der Orientierungslosigkeit? Statt Symbian zu verbessern oder ebenfalls auf Android zu setzen, stattet der Konzern ab 2011 alle seine Smartphones exklusiv mit dem jungen Betriebssystem Windows Phone aus. Sicher, keine schlechte Wahl – schließlich ist die Microsoft-Software inzwischen prima. Aber die Entscheidung war eine Vollbremsung. Und auch wenn die Hardware wie immer über jeden Zweifel erhaben war, vertrauten Kunden der neuen Allianz nicht – auch, weil es deutlich weniger Apps und Spiele gab, als bei der Konkurrenz.

Vom Vorreiter zum Ramschobjekt

Einst war Nokia in technologischen Dingen ein wegweisender Konzern. Ich hätte mir gewünscht, dass die Finnen vor ein paar Jahren dann wenigsten den Weg der anderen Hersteller gefolgt wären. Doch offenbar lässt sich ein globales Unternehmen in dieser Größenordnung nicht einfach so neu erfinden. Ich stelle mir ab und zu vor, wie die Nokia-Manager in ihren Büros sitzen, fassungslos auf die Handys schauen – und nicht verstehen, was falsch gelaufen ist. Wieso man vom Vorreiter zum Ramschobjekt wurde. Und das Traurige daran ist, dass man der Hardware wirklich nicht die Schuld dafür geben kann, denn bessere findet man noch immer kaum, wie das Lumia 930 eindrucksvoll beweist.

Vielleicht ist es ein Trost, dass Nokia nicht wirklich verschwinden wird. Als Netzwerkausrüster und Anbieter von Services bleiben den Finnen aktiv und fahren damit hohe Gewinne ein. Es wäre auch schade, wenn der Name komplett gestrichen werden würde und nicht nur von den Lumia-Geräten. Aber dennoch, Nokia, werde ich Dich ganz schön vermissen – und darum zum Abschied gleich mal Deinen Klingelton auf meinem iPhone installieren.

Wie findet ihr das? Stimmt ab!
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