Privatsphäre? Diese App pfeift drauf! "Reporter" belauscht Euch und Eure Umgebung auf Schritt und Tritt.
Seit Freitag ist "Reporter" im App Store für 3,59 Euro erhältlich und dürfte in den kommenden Tagen und Wochen für mächtig Aufruhr sorgen. Denn die Idee hinter der App ist genial und radikal zugleich. Auf den ersten Blick ist "Reporter" nur ein digitales Tagebuch, das Momente aus Eurem Leben festhält.
Doch tatsächlich macht das Tool aus Eurem iPhone eine mobile Abhörstation. Direkt nach der Installation räumt sich die Software üppige Rechte ein. So lief der Start-Dialog bei mir ab:
iPhone: "Darf 'Reporter' auf Ihre Fotos zugreifen? Ich: "Hmmm...Ja, okay."
iPhone: "Darf 'Reporter' auf Ihre Kontakte zugreifen? Ich: "Ja, machen Whatsapp und Facebook schließlich auch."
iPhone: "Darf 'Reporter' auf Ihre Aktivitätsdaten zugreifen? Ich: "Ja, herrje. Machen Runtastic und all meine anderen Fitness-Apps schließlich auch! Wann geht's denn jetzt los hier?"
iPhone: "Darf 'Reporter' Ihren aktuellen Ort verwenden? Ich: "Jaaahaaa..."
iPhone: "Darf 'Reporter' auf Ihr Mikrofon zugreifen? Ich: "Äh, Moment, was?!"
Kurzum: "Reporter" will alles über Euch wissen: Wo Ihr Euch befindet, mit wem Ihr Euch wo befindet, was Ihr dort macht, wie Ihr geschlafen habt, wie viel Kaffee Ihr getrunken habt, wie das Wetter zu einem bestimmten Zeitpunkt war, wie viel Ihr Euch bewegt - und wie laut es zu diesem Zeitpunkt war.
Für diese detaillierten Reportings stellt Euch die App mehrmals über den Tag verteilt eine Reihe von Fragen, die Ihr in den Einstellungen noch weiter konfigurieren und um weitere Fragen ergänzen könnt. Während dieser Part von "Reporter" darauf setzt, dass Ihr ehrlich antwortet, greift die App zusätzlich auf sämtliche verfügbaren Sensoren sowie Wetterdaten und Euren Fotostream zu.
Was soll das?
"Reporter" hält Euch den Spiegel vor. Mit seinem radikalen Ansatz zur völligen Offenheit treibt die App den Trend zur Selbstvermessung freilich auf die Spitze. Aber wer sich auf das Privacy-Experiment einlässt, bekommt einen tiefen Einblick in sein Verhalten. Verbringt Ihr vielleicht mit Euren Kollegen mehr Zeit als mit Eurer Freundin oder Eurem Freund? Schlaft Ihr viel zu wenig und viel zu schlecht? Und wie fühlt Ihr Euch eigentlich über einen langen Zeitraum verteilt überhaupt? Für einen Großteil dieser Fragen können aktuelle Gadgets, wie die Fitness-Armbänder Fitbit Flex oder das UP von Jawbone nur begrenzt Daten liefern. "Reporter" liefert bei regelmäßiger Benutzung die Antworten und visualisiert sie.
Das Tool ist das Ergebnis jahrelanger Entwicklung. Hinter dem Projekt stehen der Daten-Experte Nicholas Felton, Drew Breunig und die Entwickler-Schmiede Friends of The Web. Felton hat, um die App nutzertauglich zu machen, sein eigenes Leben seit 2011 getrackt. Daraus entstand 2012 der 2012 Feltron Annual Report.
"Reporter" überzeugt mit tollem Design
Die vergangenen Monate nutzte das Team, um das Beantworten von Fragen möglichst unkompliziert zu gestalten und das Sammeln der vielen Sensordaten zu optimieren. Herausgekommen ist eine App, die nicht nur anders "tickt" als bisherige Tracking-Apps aus dem Fitnessbereich. "Reporter" sieht auch erfrischend anders aus. Das gesamte Interface lässt sich farblich anpassen und überzeugt mit einer schönen Typo und geometrischen Formen. Eine Bitte haben wir aber dennoch: Weil die App auch im deutschen App Store erhältlich ist, wäre eine Version in deutscher Sprache bestimmt hilfreich.
Die gesammelten Daten bleiben übrigens auf Eurem iPhone - wenn Ihr das wollt. Zur weiteren Verarbeitung könnt Ihr sie auch als CSV- oder JSON-Datei exportieren und auf Eurer Dropbox speichern. So sorgt "Reporter" letzten Endes dafür, dass Ihr Euch völlig freiwillig selbst zum Zielobjekt macht. Eine wunderschöne Parabel auf unseren Umgang mit sensiblen Daten im Post-Privacy-Zeitalter, oder?