Google wächst nicht mehr, Microsoft zieht wieder vorbei

Google Larry Page, Sergey Brin
Google Larry Page, Sergey Brin (© 2014 CC: Flickr/TED Conference, CURVED Montage )
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Bemerkenswerter Positionswechsel in der vergangenen Woche: Google, für viele Techexperten das Unternehmen der Zukunft, kann Anleger nicht mehr begeistern und muss Microsoft erstmals seit zwei Jahren an der Börse wieder den Vortritt lassen. Die Gewinne des Internet-Riesen bröckeln. Was nun, Google?

Die Vergangenheit überholt die vermeintliche Zukunft. Dieses Paradoxon beobachten Anleger seit Freitag: Google ist plötzlich nicht mehr erster Apple-Herausforderer - sondern Microsoft. Microsoft, das seit Jahren mit dem Zune, mit dem Surface und gerade erst Nokias Smartphone-Sparte Gadgets anbietet, die irgendwie am Massenmarkt vorbeigehen – Microsoft, das unter Steve Ballmer wie der Ewig-Gestrige aussah und seine  beste Zeit offenkundig in den 80er- und 90er-Jahren hatte?

Genau das Microsoft strebt  unter dem neuen CEO Satya Nadella nun die größte Erneuerung seit Jahrzehnten an – einerseits in Form von einer Smartwatch. Ob das gelingt und Microsoft nicht doch irgendwann bei seiner heiligen Kuh, der Office Sparte, angesichts der kostenlosen Software-Angebote von Apple Einbußen hinnehmen muss, wird sich noch zeigen – die  Wall Street indes frisst Nadella aus der Hand.

16 Jahre nach der Gründung sieht Google an der Börse plötzlich älter aus als Microsoft

Erzrivale Google, der seinen rasanten Aufstieg dem Siegeszug der Internet-Suche zu verdanken hat, sah dabei lange  Zeit schon wie der veritable Microsoft-Nachfolger aus.  Die Golden Boys Larry Page und Sergey Brin schienen mit Android über das moderne Windows zu verfügen und investierten zudem aggressiv in die Zukunft, wenn sie denn ein passendes Teil des Puzzles fanden – mit YouTube, Doubleclick und Nest wurden gleich dreimal Überweisungen in Milliardenhöhe aus Mountain View getätigt.

Doch 16 Jahre nach der Gründung sieht Google plötzlich älter aus als Microsoft. Die hohe Kunst der Moonshots, mit denen die PR-Künstler Brin und Page wie keine zweiten Vorstandschefs Medien und Wall Street gleichermaßen einwickeln, scheint nicht mehr zu wirken. Das selbstfahrende Auto!

Es fehlt Google an der nächsten großen Erlösquelle nach der Suche

Mit all den ambitionierten Projekten scheint Google unsere Zukunft nach Belieben bestimmen zu können. Doch in der Gegenwart wirken all die bunten Leuchtfeuer am Projekthimmel immer mehr wie an einem Casual Friday entstanden – eine interessante Idee, deren Monetarisierung indes an zweiter Stelle steht.

In der wirtschaftlichen Realität des Jahres 2014 steht der hoch gewettete Internet-Riese keinesfalls so glanzvoll da. Tatsächlich sind Anleger aus Mountain View schon Enttäuschungen gewohnt. Alle vier vergangenen Quartalsbilanzen blieben unter den Erwartungen der Wall Street!

Das Werbegeschäft entwickelt sich rückläufig

Googles Problem: Das Suchgeschäft scheint ausgereizt. Der Internetriese setzte zwar beständig mehr um – im vergangenen Quartal waren es immer noch respektable 20 Prozent –, es bleibt jedoch unterm Strich nicht mehr so viel hängen. Im abgelaufenen Quartal sank der Gewinn von 2,97 auf 2,81 Milliarden Dollar.

Die Dimensionen verdienen bei all dem Buhei, das sich um Google rankt, eine genauere Betrachtung. Obwohl der Internetriese nach Apple, Exxon und Microsoft der viertwertvollste Konzern der Welt ist, verdient Google doch so viel weniger als die großen drei. Apple dürfte heute einen Nettogewinn von knapp 8 Milliarden Dollar vermelden, während Analysten von ExxonMobile Profite von 8 und Microsoft von etwa 6, 5 Milliarden erwarten.

Zieht Alibaba an Google vorbei?

Dass Google als deutlich jüngeres Unternehmen rein monetär in der absoluten Spitzenklasse der Wall Street noch nicht mitspielen konnte, war so lange kein Problem, solange die Gewinne beständig wuchsen – der Erfolg schien skalierbar. Vor einem Jahr, als Apple in die Krise schlitterte,  sah es sogar so aus, als könnte Google Apple auch im Konzernergebnis zum Ende des Jahrzehnts überrunden.

Davon kann aktuell keine Rede mehr sein – nicht im Entferntesten. Vielmehr müssen sich Google-Investoren wohl nach unten orientieren, denn mit Alibaba ist plötzlich ein echter Rivale an der Börse gelistet, der Google durchaus den Führungsanspruch im Internet streitig machen könnte.

Googles Moonshots Glass, Loon und das Auto: Langstreckenflug oder Nebelkerze?

Zwei Milliarden Dollar verdiente der chinesische E-Commerce-Champion im jüngsten Quartal bereits. Bemerkenswert ist dabei jedoch vor allem der Zuwachs: Vor einem Jahr betrugen die Gewinne noch 705 Millionen Dollar. Kann Alibaba sein Hyperwachstum über Jahre fortschreiben, während Google weiter schwächelt, könnte sich eine andere Wachablösung in den kommenden Jahren andeuten: Nicht die von Apple durch Google, sondern die von Google durch Alibaba.

Nach all den Jahren mit extrem selbstbewusstem Auftritt in aufgeknöpften Hemden und Turnschuhen sind Larry Page und Sergey Brin nun an der Wall Street in der Pflicht und müssen nachweisen, dass sie mehr beherrschen als mit suchbasierten Internetanzeigen Geld zu verdienen. Eine Datenbrille. Ein selbstfahrendes Auto. Eine Eine Roboter-Armee. Taugen die ambitionierten Projekte zum Langstreckenflug oder sind sie doch nicht mehr als PR-getriebene Nebelkerzen?

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