Am Wochenende sind jede Menge Presse-Bilder des kommenden geleakt und auch wenn es sich bei den begleitenden Spezifikationen wohl eher um Platzhalter, bestehend aus den Daten des Vorgängers, handelt, wissen wir nun, wie das koreanische Flaggschiff für 2015 aussehen wird: LG versucht mit austauschbaren Rückseiten unter anderem aus Leder gegen die edle Aluminium- und Glas-Konkurrenz von Samsung, HTC und Apple Akzente zu setzen. Kann das gut gehen?
Vor zwei Wochen hatte ich in einem Text zu den Auswirkungen, die das neue, wertige Design der beiden Galaxy S6-Modelle von Samsung auf die Branche haben könnte, postuliert, dass die Masse der potenziellen Smartphone-Käufer derzeit nach edel anmutenden Geräte verlangt, dass mit dem Wechsel des Designparadigmas bei Samsung viele andere Hersteller nun keine Legitimation mehr hätten, ihre Produkte nur noch pragmatisch in schnödem Kunststoff zu gestalten und dass LG es aber vermutlich nicht mehr schaffen würde, das G4 aufgrund dieser veränderten Vorzeichen ebenfalls in Alu und Glas zu kleiden.
Seit dem vergangenen Wochenende wissen wir ziemlich genau, wie das G4 aussehen wird und obwohl LG Mobile-Chef Cho Juno angekündigt hatte, das Smartphone würde sich radikal von seinem Vorgänger unterscheiden, sehen wir ein Gerät, das dem One M9 besonders individuell, irgendwie handgearbeitet und dadurch "warm" wirken.
Leder ist ja soo 2014 ...
Als Motorola im vergangenen Jahr das neue Moto X mit alternativen Leder- und Holzrückseiten vorstellte, war das eine Idee, die auf viel Gegenliebe in der Community stieß — weil sie tatsächlich der grundsätzlichen Individualisierungs-Lust der Kundschaft entgegenkam. Allein ist das Moto X 2014 dennoch kein übermäßiger Verkaufsschlager geworden und die Wenigsten haben sich tatsächlich ein Gerät mit Bambus oder Leder auf der Rückseite gekauft. Das Problem an Lederrückschalen ist, dass sie am Ende dann doch stets nur einen kleinen Teil der potenziellen Käufer so richtig ansprechen ...
Das heißt nun nicht, dass es eine schlechte Idee von LG ist, dem G4 eine solche Möglichkeit zu verpassen — es dürfte aber auch ein wenig aus der Not geboren sein, dass der vormals als "radikal" angekündigte neue Look des Smartphones sich nun lediglich in Rückschalen darstellt. Über Geschmack lässt sich nicht streiten, aber als ausgesprochene Schönheit kann man das G4 nach dem, was wir nun gesehen haben, nicht unbedingt bezeichnen. Das liegt weniger am tatsächlichen Design des Gerätes, als an den Ansprüchen an die Optik eines Smartphone, die in den vergangenen Monaten ob iPhone 6, HTC One M9, Samsung Galaxy S6 aber auch Motorola Moto X und selbst dem in Kürze zu erwartenden Huawei P8 deutlich gestiegen sind. Mit einer ledernen Idee aus dem Vorjahr und einem grundsätzlichen Kunststoff-Design, das sich am Vorgänger-Modell orientiert, wird es für LG schwer werden, gegen die große Konkurrenz auf das G4 überhaupt aufmerksam zu machen.
... oder exakt das Alleinstellungsmerkmal, das LG benötigt
Auf der anderen Seite könnte LG mit einem technischen guten G4 — und es gibt im Moment nichts, was uns Glauben machen könnte, der Nachfolger des G3 wäre technisch nicht erneut ein sehr überzeugendes Smartphone — den wechselbaren Rückschalen und im Speziellen den ledernen Elementen in diesem Bereich einen zweiten Frühling verschaffen: Möglicherweise ist gerade der Alu- und Glas-Overkill bei aktuellen Top-Smartphones etwas, was einem LG G4 mit optionalem Lederrücken einen entscheidenden Vorteil bei den Käufern verschaffen könnte, die sich ein etwas anderes Smartphone wünschen.
LG steht seit Jahren im Schatten Samsungs und kommt aufgrund deutlich geringerer Marketing-Budgets auch ohne Weiteres nicht an der übermächtigen Konkurrenz aus dem eigenen Land vorbei. Wäre nun das G4 ebenfalls ein in Glas und Alu gehülltes "kaltes" Smartphone geworden, wäre es erneut im Fahrwasser des S6 abgesoffen. LGs große Chance kann mit dem G4 sein, dass Samsung das Segment der leichten, robusten und pragmatischen Kunststoff-Smartphones, die Android so lange dominiert haben, nicht mehr bedient — und LG diese Lücke nun füllen kann. Wenn es dazu noch optionale Lederrücken gibt, kann das eigentlich nur von Vorteil sein.
Hinzukommt, dass die Rückseite des G4 bedingt durch dieses Design abnehmbar und der Akku des Smartphones austauschbar ist — eine weitere Nische, die Samsung mit dem S6 offen gelassen hat. Rechnen wir jetzt noch einen zu erwartenden micro-SD-Kartenslot hinzu, hat LG ein probates Gegenkonzept zum Samsung-Flaggschiff in petto. Das wird zwar nicht den Preis des schönsten Smartphones 2015 gewinnen, aber kann in Bereich punkten, die Apple, HTC und Samsung derzeit links liegen lassen.
Wir findet Ihr das Design des LG G4 — ist die optionale Lederrückseite etwas, das Ihr dem Alu-Glas-Gemisch der Konkurrenz vorziehen würdet? Oder findet Ihr, dass LG den Anschluss an das Design-Dogma des neuen Jahres verpasst hat?