Es begann mit dem legendären "Phonebloks"-Konzept. Doch das modulare Smartphone wird ein Märchen bleiben.
Was war ich geflasht von dieser Idee: ein Smartphone nach dem Lego-Prinzip. Einfach die einzelnen Komponenten nach Belieben austauschen und aufstecken auf eine Platine, die alles miteinander verbindet? Nur ergänzt um ein Display, das ich auch jederzeit selbst wechseln könnte, wenn es Kratzer oder Risse hätte? Phonebloks hat die Smartphone-Welt 2013 im Sturm erobert. Innerhalb kürzester Zeit schauten sich über 20 Millionen Menschen das Konzeptvideo des Designers Dave Hakkens an.
Dann? Stille. Währenddessen hieß es, dass Google bzw. damals noch "Motorola Mobility" dann an einem ähnlichen Prototyp eines modularen Smartphones arbeitete. Nach einigen Monaten dann die Nachricht, die einschlug wie eine Bombe: Phonebloks würde in "Project Ara" aufgehen. Mit Google als treibende Kraft schien das modulare Smartphone machbar. Auf der Google I/0 2014 sollte dann die große Enthülllung folgen. Doch was dann passierte, sollte sinnbildlich für die Entwicklung der neuen Smartphone-Kategorie werden: Das Smartphone fror ein.
Quo vadis, Project Ara?
Und so wurde es abermals still um Project Ara. Fans warteten vergeblich auf eine Ankündigung, wie es denn nun um die Lego-Phone stünde. Stattdessen erklärte der Konzern, man arbeite an Behebung von Problemen mit den Magneten, die die Module hielten. Viel Klein-Klein, also. Ein Release des Ara-Smartphones war in weite Ferne gerückt.
Was wir bislang in 2016 als "modular" serviert bekommen haben, verdient meines Erachtens den Titel nicht. Allenfalls können wir hier von semi- oder teil-modularen Smartphones sprechen. Allen voran das LG G5. Auch hier waren wir sofort schockverliebt in die Idee, dass eines der besten Flaggschiffe der vergangenen Jahre einen modularen Nachfolger bekommt - und damit die Entwicklung weiter vorantreibt. Und auch auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona stand für uns fest: Samsung hat mit dem Galaxy S7 zwar ein schönes Smartphone entwickelt, aber Lob und Respekt haben vor allem LGs Ingenieure verdient. Wenige Wochen später, als wir die Geräte ausführlich testen konnte, war die Ernüchterung dann umso größer.
Denn wirklich modular ist das LG G5 nicht. Akku und Kamera lassen sich austauschen, aber eine klare Aussage des Herstellers zum Angebot von Drittanbieter-Zubehör für den sogenannten "Magic Slot" am Gerät gab es bislang nicht. Lediglich, dass man es sich überlege. Geschweige denn, dass es eine Ankündigung weiterer Module von Drittanbietern gegeben hätte. Dieses Verhalten ist verständlich. Schließlich will der Hersteller vermeiden, dass sich die User-Experience durch schadhafte Module verschlechtert. Doch dann hätte es zum Start einen größeren Aufschlag gebraucht, um sich als wirklich "erstes modulares" Flaggschiff zu positionieren.
Modular = dick?
Das echte modulare Smartphone, es bleibt weiterhin ein Versprechen. Selbst die Nexpaq-Hülle für iPhones und Galaxy-Geräte ist bislang nicht mehr als eine Idee. Sie soll später eine Modularität über austauschbare Module in einer Hülle "simulieren". Der Ansatz ist lobenswert, aber ebenso klobenswert. Denn mit dieser Hülle wird jedes Flaggschiff zum dicken Klotz.
Apropos Klotz: Noch am ehesten modular ist das Fairphone 2. Hierbei könnt Ihr etwa den Bildschirm, den Akku sowie die Kamera selbst tauschen. Gelöst hat das der Hersteller des nachhaltigen Gadgets über Klammern und Schrauben. Den Ansatz in allen Ehren: Schön ist das nicht. Wenn ich Project Ara mit Lego gleichsetze, dann reden wir hier vom Duplo-Phone. Aber hey: Nachhaltigkeit hat ihren Preis.
Um die Ernüchterung über den einstigen Megahype perfekt zu machen: Selbst wenn Project Ara in den nächsten Jahren ein Smartphone zutage fördert, wird auch dieses Gerät nicht voll-modular sein. Stattdessen gab man bekannt, dass sich lediglich das Kameramodul und der Akku tauschen ließen. Häh?!
Gründe gegen eine modulare Zukunft
Ist das modulare Smartphone am Ende schlicht nicht machbar? Der Verdacht liegt nahe. Doch wohl auch Google scheint mittlerweile klar geworden zu sein, dass das Konzept zwar innovativ, aber nicht unbedingt lukrativ sein wird. Hier ein paar Gründe:
- Bringt ein Hersteller ein voll-modulares Smartphone auf den Markt, dürfte die Einführung eines Nachfolgers überaus schwierig werden. Denn schließlich würden die Nutzer nur auf neue Module warten, nicht aber auf ein neues Smartphone.
- Auf diese Weise würden Hersteller vielmehr zu Zulieferern - wobei sie die Bauteile bereits von Zuliefern...zugeliefert bekommen. Das verringert den Gewinnanteil.
- Auf dieser Basis ein bezahlbares bzw. ein günstiges Smartphone anzubieten, dürfte extrem schwierig bis unmöglich werden.
- Nicht jeder Nutzer will sein Smartphone komplett individualisieren. Den meisten reicht ein Speicher- und Akku-Upgrade.
- Somit ist Modularität vor allem ein Kaufgrund für Geeks. Die bilden aber nicht die Mehrheit der Smartphone-Käufer.
- Einzelne Module in unterschiedlichsten Kombinationen zusammen mit einem Betriebssystem dauerhaft, also auch nach mehreren Updates, kompatibel zu halten, bedeutet einen enormen Entwicklungsaufwand.
Wie seht Ihr das? Glaubt Ihr, dass wir in den nächsten Jahren noch ein voll-modulares Smartphone zu Gesicht bekommen? Und wollt Ihr das überhaupt? Und wenn ja: Welche Module würdet Ihr gerne austauschen können? Teilt Eure Meinung in den Kommentaren mit.