Tragbare Minicomputer, die das Leben in Zahlen umrechnen, kommen 2015 groß in Mode, sagen die Hersteller. Die Verbraucher sind sich da nicht so sicher und fordern mehr Innovation.
Na, wer hat alles ein Wearable? Das sind diese kleinen Minicomputer, die man in Form von Armbändern, Brillen, Halsketten oder in die Kleidung eingenäht am Körper trägt. Die erkennen, ob man schläft oder sich bewegt, die den Puls messen, die Atmung, den Standort bestimmen und und und. Laut Tagesschau waren Wearables der wichtigste Trend der gerade zu Ende gegangenen Consumer Electronics Show in Las Vegas. "2015 werden Wearables den Massenmarkt erreichen", schreibt JP Gownder, Vice President von Forrester. Die Marktforscher sind sich auch sicher, dass die tragbaren Minirechner zunehmend in den Fokus von Unternehmen geraten, die Wearables zur Verbesserung der Kundenkommunikation oder der Arbeitsabläufe einsetzen wollen. "Egal, wo man hinschaut, Wearables werden 2015 überall sein", schreibt die britische Zeitung The Telegraph.
74 Prozent wollen keine Wearables
Wow! Angesichts so einer Lobby scheint Widerstand zwecklos. Wir werden von Wearables assimiliert und über Apps und Smartphones vernetzt. Aber ist das wirklich so? Stehen Wearables wirklich ganz oben auf der Wunschliste der Verbraucher? Eine Studie des US-Magazins Fortune in Zusammenarbeit mit SurveyMonkey kommt zu einem ganz anderen Ergebnis. Die Macher fragten mehr als 1.000 Erwachsene, welche neuen oder verbesserten Funktionen sie sich am meisten für ihr Smartphone wünschten. Knapp drei Viertel der Befragten gaben an, dass es eher unwahrscheinlich sei, dass sie sich 2015 ein Wearable zulegen würden. 16 Prozent hätten lieber schnellere Prozessoren. Der größte Nachholbedarf liegt aber laut Umfrage in einem anderen Bereich. 33 Prozent wollen weder vernetzte Kühlschränke noch 4K-Fernseher, sie wollen mehr Power: bessere Akkus.
Wer heute Anfang 20 ist, wird es vielleicht nicht anders kennen. Aber es gab mal Zeiten, da hielten Handy-Akkus problemlos eine Woche, im Standby-Modus auch noch länger. Heute ist es undenkbar, dass wir das Haus längere Zeit verlassen, ohne das Ladekabel im Gepäck zu haben oder zumindest sicher zu gehen, dass am Zielort passende Stecker für iPhone, Galaxy oder HTC One vorhanden sind. Hochauflösende Touchscreens, Standortbestimmung und das mobile Datennetz fordern ihren Preis. Ein Blick in die Batterie-Analyse-App Normal zeigt für das iPhone 5S eine durchschnittliche Laufzeit von 15 Stunden und 51 Minuten. Auch die anderen Top-Smartphones halten unter Volllast kaum länger als einen Tag, obwohl die Geräte mit 3.000 Milliamperestunden (mAh) über ein Vielfaches der Akkukapazität der Millenium-Handys verfügen. Selbst die größeren Phablets haben Probleme, die 48-Stunden-Grenze zu knacken.
Auch in der Notebook-Klasse ist kein bahnbrechender Fortschritt erkennbar. Die aktuelle Generation des MacBook Pro mit Retina-Display im 13-Zoll-Format verfügt über einen Akku mit 71,8 Wattstunden für rund neun Stunden Arbeit im Online-Modus. Apples erstes iBook, das im Juli 1999 auf den Markt kam, enthielt einen nur halb so großen Akku und kam immerhin auf sechs Stunden Laufzeit. Fairerweise muss man sagen, dass die Ursache dafür, dass sich die Laufzeit nicht mindestens verdoppelt hat, auch hier an den gestiegenen Anforderungen liegt. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass es Fortschritte gibt, allerdings nur sehr kleine. "Alles, was wir bekommen, und wenn es nur fünf Prozent sind, wird als Verbesserung verbucht", sagt Ranveer Chandra, Leiter bei Microsoft Research.
Apple Watch ist keine Innovation
Diese zaghaften Verbesserungen stehen für den Nutzer in einem krassen Missverhältnis zu den offensichtlichen Fortschritten bei der Leistung, dem Einsatz von Sensoren und erweiterten Funktionen etwa durch Wearables. Die Technologie ist faszinierend, teilweise überfordernd, umso schwerer wiegt die Erkenntnis, dass beim Blick auf die Batterieanzeige frühere Zeiten fortschrittlich wirken.
Wer hat nicht bei den letzten Keynotes von Apple auf ein "One More Thing" gehofft, das einen Durchbruch bei der Stromversorgung verheißt. Stattdessen sagte CEO Tim Cook auch bei der Vorstellung der Apple Watch im September 2014 kein Wort zur Akkulaufzeit. Für Nutzer, die Mobilität mit Freiheit und Fortschritt mit Power verbinden, ist eine kabellose Aufladestation mit Magnet kein Kaufargument. Noch weniger, wenn die Apple Watch mindestens 400 Euro kosten soll, nur bedingt ohne iPhone funktioniert und keine Innovation, sondern lediglich die Fortsetzung eines Trends darstellt. Letzteres wiegt schwer. Eine Statista-Umfrage im Oktober 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass nur 25,5 Prozent der in Deutschland lebenden Personen sagen, Apple setze weiterhin die Trends. Im August – vor den Produkt-Events – waren es 21,2 Prozent. Wenn die Apple Watch floppt, ist das keine Überraschung.
Was aber hindert die Hersteller daran, beim Thema Akku innovativ zu sein?
Eine Rolle für den Fortschritt im Schneckentempo spielt die Chemie: Aktuell kommen in Smartphones, Tablets, Laptops und anderen technischen Geräten überwiegend Lithiumionen-Akkus zum Einsatz. Sie basieren vereinfacht ausgedrückt auf dem Prinzip, dass Elektronen beim Ladevorgang als neutrales Lithium gespeichert werden. Beim Entladen wandern die Elektronen zurück zur Anode, die meist aus Kohlenstoff besteht. Besser wäre auch hier der Einsatz von Lithium.
Die Probleme und damit Grenzen des Verfahrens: Lithium entwickelt beim Laden Wärme und dehnt sich aus. Wissenschaftlern der Stanford Universität ist es jedoch gelungen, das Lithium mithilfe einer Schutzschicht aus Kohlenstoff-Waben zu stabilisieren. Im Labor erzielten die Forscher eine hohe Kapazität, längere Lebensdauer und entsprechende Sicherheit. Smartphones würden mit dem neuen Akku dreimal so lange laufen. Eine Marktreife ist jedoch nicht in Sicht.
Nanokristalle und Feuerzeuggas
Einen anderen Ansatz verfolgt das israelische Start-up StoreDot. Mit Nanokristallen ist es den Entwicklern um Doron Myersdorf gelungen, die Elektronenbeweglichkeit in den Akkus so zu erhöhen, dass die Ladezeit sich deutlich reduziert. Für Akkus mit einem Ladespeichervermögen von 900 mAh – etwa ein Drittel der Kapazität des iPhone-6-Akkus – braucht die neue Technik genau eine Minute. Andererseits ist die Kapazität derzeit auch der Flaschenhals der Technologie. Auf der diesjährigen CES demonstrierte das Start-up zwar die Ladung eines Akkus mit 2.000 mAh in nur drei Minuten, allerdings war das Smartphone auch fünf Millimeter dicker als normal, um den Akku aufnehmen zu können. 2017 will das Unternehmen, das unter anderem von Samsung und dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch unterstützt wird, die Probleme gelöst haben. Bereits im kommenden Jahr will Myersdorf ein Elektroauto vorstellen, das sich in drei Minuten auflädt.
Solche Berichte erhöhen natürlich die öffentliche Erwartung und setzen Hersteller und Forscher unter Druck. "So wird Fortschritt suggeriert, der nicht in der Form da ist. Derzeit müssen wir mit dem auskommen, was verfügbar ist", erklärt Martin Wietschel, stellvertretender Leiter vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung. "Große Sprünge werden, was die Leistungsdaten angeht, erst mit kommenden Akku-Generationen möglich sein. Hier bewegen wir uns aber noch im Bereich der Grundlagenforschung. Lithium-Schwefel-Akkus, die in der Praxis etwa eine Verdoppelung der Energiedichte erlauben, werden noch zehn bis 15 Jahre auf sich warten lassen. Metall-Luft-Akkus, welche die Energiedichte sogar um den Faktor drei bis vier verbessern könnten, sind dann der nächste Schritt", konkretisiert Wietschel.
Es hilft nichts. Wir müssen uns also in Geduld üben. Bis dahin helfen Backup Batterys wie der Kickstarter-Projekt kraftwerk des Desdner Start-ups eZelleron bastelt sogar an einem Zusatz-Akku, der ein iPhone bis zu elfmal komplett aufladen soll. kraftwerk schöpft seine Energie aus Feuerzeuggas – eine Füllung soll nur drei Sekunden dauern. Im Innern sorgt eine Brennstoffzelle für die Umwandlung in Strom und Wasserdampf. Der Prozess, der auf den ersten Blick nur wenig hosentaschentauglich ist, ist so sicher, dass die US-amerikanische Flugsicherung FAA die Mitnahme im Handgepäck erlaubt. Das Ziel von 500.000 US-Dollar hat die Kampagne bereits weit überschritten. Läuft alles nach Plan, wird kraftwerk im Dezember 2015 für zirka 150 Dollar ausgeliefert.
Anspruch statt Smartwatch
Immer gern genommen sind auch die Hue AQ5000 verfügt über einen Super Power Saving Mode, der so ziemlich alles runterfährt, was ein Smartphone vom Handy unterscheidet. Sogar das Display schaltet in einen Graustufen-Modus, um das Gerät einen Monat betriebsbereit zu halten. Nun ja, es soll auch Apps geben, die Autofahrern sagen, wann sie schalten sollen, um Sprit zu sparen.
Vielleicht noch ein letztes Wort zum Thema Wearables und Energieeffizienz. Der italienische Uhrenhersteller Panerai hat in seiner 2015er Kollektion die Luminor 1950 Equation of Time in einer Sonderedition aufgelegt. Die Automatikuhr verfügt über eine Gangreserve von acht Tagen. Das heißt, das auf hundert Exemplare limiterte Modell läuft noch acht Tage, nachdem das Werk das letzte Mal bewegt wurde – ohne Akku, ohne Batterie. Und wasserdicht ist sie auch. Anspruchsvoller geht’s kaum. Dafür dürfte die Panerai aber auch mehr als das 50-fache der günstigsten Apple Watch kosten.