Bekommt "Fortnite" endlich die Konkurrenz, die es verdient? Seit der Battle-Royale-König vor gut einem Jahr den Genre-Thron besetzte, gab es keine nennenswerten Alternativen. Mit "Realm Royale" schickt sich ein neuer Vertreter an, die Thronfolge für sich zu beanspruchen.
"Fortnite" ist das Spiel der Stunde. Immer noch spielen und streamen Millionen Menschen weltweit Epic Games' comicbunten Battle-Royale-Shooter. Vor allem bei jungen Computer- und Videospielern ist "Fortnite" weiterhin sehr beliebt – nicht zuletzt, weil es auf jeder gängigen Plattform verfügbar und sogar über die Systeme hinweg spielbar ist. Selbst "PUBG", der Pionier des Genres, hat gegenüber dem Emporkömmling keine Chance mehr. Doch ist das Genre damit endgültig gesättigt? Wenn es nach Hi-Rez Studios geht, ist noch Platz für mindestens einen Vertreter. Mal sehen, was der Test ergibt.
Aus "Paladins" wird "Realm Royale"
Das Spielprinzip von "Realm Royale" ist identisch zu dem aus "PUBG" oder eben "Fortnite". 100 Spieler stürzen sich aus einem Flugobjekt, in diesem Fall einem Zeppelin, um sich auf einer festen Spielkarte zu beharken, bis nur noch einer übrig ist – Battle Royale in Reinform. Man muss schon sehr genau hinschauen, um "Realm Royale" von "Fortnite" unterscheiden zu können. Rein optisch ähneln sich die beiden Titel teils frappierend. Das liegt aber nicht daran, dass Hi-Rez Studios sich einfach den Comic-Look bei Epic Games abgeschaut hätte. Vielmehr basiert die Idee des inzwischen eigenständigen Titels auf einem anderen Spiel: "Paladins: Champions of the Realm".
Kurz zum Verständnis: Hi-Rez Studios entwickelt mit Vorliebe Videospiele, die sich am Zeitgeist orientieren. Als alle "MOBA!" schrien, brachte Hi-Rez "Smite" als Konkurrenz zu "League of Legends" und "Dota" heraus – mit der findigen Idee, sich nicht nur auf den PC zu konzentrieren, sondern "Smite" auch auf Konsolen zu veröffentlichen (jüngst auch für die Nintendo Switch). Als alle "Overwatch" als den Heilsbringer feierten, legte Hi-Rez mit "Paladins: Champions of the Realm" einen würdigen Mitbewerber nach.
Als Antwort auf "PUBG" und den Battle-Royale-Hype folgte 2018 schließlich "Paladins: Battlegrounds". Eine Namensänderung später hat Hi-Rez Studios "Realm Royale" Ende Januar als Open Beta nun auch für die Xbox One veröffentlicht. Open Beta deshalb, weil noch nicht alle Inhalte verfügbar sind und die Entwickler das Spiel nach und nach erweitern wollen. So gibt es bislang zum Beispiel nur eine Karte, auf der sich das Geschehen abspielt. Auch "PUBG" war lange vor dem finalen Release als Beta spielbar. Einen Termin für die finale Version nennt Hi-Rez Studios bislang nicht.
Schmieden statt bauen
Wie "Fortnite" ist auch "Realms Royale" ein Shooter in kinderfreundlicher Comic-Grafik, die vor allem durch ihren Fantasy-Einschlag auch an "World of Warcraft" erinnert. Als Free2Play-Titel lässt sich die Open Beta kostenlos herunterladen und spielen. Harte Euros verlangt Hi-Rez Studios nur für kosmetische Gegenstände, die die eigene Spielfigur von den anderen 99 abhebt – im gleichen Stil hat auch Epic Games "Fortnite" monetarisiert.
Aber kommen wir nochmal auf die Unterschiede zu sprechen. Als Alleinstellungsmerkmal habt ihr bei "Realms Royale" zu Beginn jeder Partie die Wahl zwischen vier Heldenklassen, die mit verschiedenen Fähigkeiten aufwarten. Die Magierin etwa kann kurzzeitig fliegen und mit Feuerbällen um sich werfen. Der Assassine hingegen macht sich in brenzligen Situationen unsichtbar. Statt zu Spitzhacken greift ihr im Nahkampf zu Schwertern; Armbrüste und Bögen betonen den Fantasy-Anstrich.
Außerdem – und das ist für mich der wichtigste Unterschied – könnt ihr in "Realm Royale" nicht bauen. Mal eben schnell eine Wand zwischen sich und dem Gegner hochzuziehen oder sich in einem selbstgebauten Bunker zu verschanzen, ist hier zum Glück nicht möglich. Was ihr hingegen bauen könnt, sind neue Waffen und Ausrüstungsgegenstände.
Ein einfaches Crafting-System erlaubt euch, Gegenstände, die ihr in Kisten oder besiegten Gegnern findet, aber nicht benötigt, in Splitter zu verlegen. Mit diesen schafft ihr stärkere Waffen oder Gegenstände, die die Fähigkeiten eurer Klassentalente aufwerten. Allerdings könnt ihr nicht einfach so craften, sondern müsst dafür auf der Karte verstreute Schmieden aufsuchen. Während sich euer Wunschgegenstand im Feuer der Vollendung nähert, sehen alle verbliebene Gegenspieler, dass die Schmiede aktiv ist – und wittern leicht verdienten Loot. Auch die Anzahl der Anwendungen pro Schmiede ist begrenzt. Dort zu campieren, während eine Superwaffe nach der anderen aus dem Feuer purzelt, ist somit nicht möglich. Darüber hinaus habt ihr keinen Einfluss darauf, was für eine Waffe oder Fähigkeit die Schmiede produziert.
Ein weiterer Vorteil, mehrere Schmieden anzulaufen, ist die unterschiedliche Auswahl an Items, die ihr dort herstellen könnt. Prinzipiell könnt ihr mit jeder Klasse jede Waffe und jeden Gegenstand einsetzen. Der Bonus fällt aber wesentlich größer aus, wenn die Schmiede zu eurer Klasse passende Items herstellt. Die Jägerin etwa ist spezialisiert auf Bögen und Armbrüste – legt ihr diese an, erhöht sie zum Beispiel der damit angerichtete Schaden. Gleiches gilt für neue Fähigkeiten. Auch sie gibt es massgeschneidert für euren bevorzugten Charakter.
Zu Fuß oder zu Pferd
Motorisierte Fotbewegungsmittel wie in "PUBG" oder "Fortnite" gibt es in "Realm Royale" nicht. Auf Langstrecke schwingt ihr euch stattdessen auf den Rücken eines Reittieres, das ihr jederzeit herbeirufen könnt – was jedoch ein paar Sekunden in Anspruch nimmt. In dieser Zeit seid ihr wehrlos und ein gutes Ziel für Angreifer. Dennoch kann es in hitzigen Gefechten sinnvoll sein, schnell das Weite zu suchen. Vor allem, wenn euer Gegenüber bereits mit legendären Waffen daherkommt, während ihr selbst noch mit gewöhnlichem Schießeisen die Konfrontation sucht.
Üblicherweise bedeutet das Ableben bei Battle Royale das Ende für die Partie. Hi-Rez Studios hat sich für "Realm Royale" aber einen besonderen Kniff einfallen lassen. Statt direkt zu sterben, verwandelt ihr euch in ein wild gackerndes Hühnchen. In dieser Form könnt ihr euch zwar nicht mehr zur Wehr setzen, aber immerhin vor Gegnern weglaufen. Schafft ihr das über 20 Sekunden, steigt ihr wieder ins Spiel ein. Natürlich nur, wenn ihr zwischendrin nicht weiter beschossen werdet und noch nicht alle drei Hühnchen-Leben verbraucht habt.
Fazit
"Realm Royale" ist großer Spaß. Mir gefallen die frischen Ideen, mit denen Hi-Rez Studios das inzwischen etwas ausgelutschte Battle Royale sinnvoll erweitert. Das Klassensystem der Helden mitsamt ihren besonderen Fähigkeiten, der Einsatz von Magie und nicht zuletzt das Schmieden neuer Waffen passen erstaunlich gut zu dem Genre und fühlen sich vom ersten Moment an richtig gut an. Persönlich ist mir der realistische Ansatz von "PUBG" noch ein bisschen lieber, weil mir das taktische Vorgehen näher ist als das arcadige Rumgehüpfe in den Comic-Shootern; vor allem die direkten Auseinandersetzungen sind mir manchmal ein Spur zu wild.
Trotzdem hatte ich über mehrere Partien hinweg meine Freude mit "Realm Royale". Sollte Hi-Rez Studios regelmäßig neue Inhalte nachliefern, wie zum Beispiele neue Heldenklassen oder eine zweite Spielkarte, würde ich sicherlich noch mal reinschauen. Ob "Realm Royale" "Fortnite" auf lange Sicht auf dem Battle-Royale-Thron beerbt, lässt sich schwer einschätzen. Doch während der aktuelle König kaum ein paar Stunden auf meiner PS4-Festplatte residierte, hat es sich "Realm Royale" dort inzwischen gemütlich gemacht.
"Realm Royale" ist ab sofort als Open Beta kostenlos für die PlayStation 4, die Xbox One und im Early Access für den PC zu haben und hat eine Altersempfehlung ab 12 Jahren.
Testwertung: Realm Royale (PS4)
- Vier verschiedene Helden
- Jede Heldenklasse hat eigene Fähigkeiten
- Waffen und Fähigkeiten lassen sich schmieden
- Kein Bausystem
- Kein Crossplay zwischen PS4 und Xbox One
- Gelegentlich auftretende Bugs
- Nur eine Karte
- Fähigkeiten und Waffen entscheiden Kampf, nicht das Können