Das iPhone wird dieser Tage zehn Jahre alt. Im schnelllebigen Smartphonemarkt ist das eine Ewigkeit. Viele Seiten blicken zurück, wir nach vorne.
Ich könnte jetzt darüber schreiben, wie es war, das erste iPhone in den Händen zu halten. Wie sehr es damals seiner Zeit voraus war. Das Ding, das iPod, Handy und Internetmaschine in einem war. Anekdoten darüber erzählen, wie ich es damals jailbreaken musste, um damit Videos zu drehen – weil das Smartphone zwar schon Fotos schießen, aber eben noch keine bewegten Bilder aufnehmen konnte. Aber wen interessiert's?
Nein, wir schauen nach vorne. Apple schaut nach vorne. Muss es, unbedingt. Denn zehn Jahre später ist das iPhone nicht mehr DAS eine Ding. Das EINE Ding, das alle haben wollen, weil es nichts Vergleichbares gibt. Die Konkurrenz ist bretthart und bedrängt den wertvollsten Konzern der Welt von vielen Seiten. Nicht nur Samsung, auch Huawei und die wachsende Zahl von China-Herstellern, will den Smartphone-Thron. Doch noch ist kein Smartphone erfolgreicher als das iPhone.
Mehr als die Summe seiner Schaltkreise
Das macht sich nicht nur an den Verkaufszahlen bemerkbar. So war der Hype im Vorfeld der September-Keynote 2016 enorm. Mit viel Verve diskutierte die Community, ob und warum nicht Apple den Klinkenanschluss behalten sollte. Und überhaupt: Kein anderes Smartphone scheint so sehr zu polarisieren. Jede neue Farbe, jede Änderung und vor allem jede Nicht-Änderung wird heftig diskutiert.
Nun kann man denken, dass wir, die wir so viel über eben jene Gerüchte und News berichten, daran eine Mitschuld tragen. Doch Fakt ist: Es bewegt die Menschen, das iPhone. Auch wenn es per se nur ein Stück Technik ist. Aber eben das scheint nach wie vor der große Unterschied zu sein zu den vielen hundert anderen Smartphones da draußen: Das iPhone bewegt. Es ist offenbar doch viel mehr als nur die Summe seiner Schaltkreise.
Genau das ist für Apple wohl der größte Segen und Fluch zugleich. Die Tatsache, dass das iPhone wohl mehr wert ist, hat ökonomische Auswirkungen. Zum einen ist der Hersteller nicht gezwungen, das Gerät günstiger anzubieten oder im Laufe der Zeit den Preis zu senken – was bei Android-Smartphones überhaupt nicht ungewöhnlich ist. Zum anderen ist es so wertstabil wie kein anderes Smartphone: Wer nach Jahren sein iPhone weiterverkaufen möchte, der bekommt dafür noch gutes Geld. Viele Android-Smartphones taugen dann nur noch als Türstopper. Die Folge: Nutzer bleiben der Marke treu. Doch eben weil das iPhone auch nach zehn Jahren noch immer "kultig" ist, gibt es viele, denen dieser Kult missfällt.
Wie geht's weiter?
Ja, es gibt Geräte mit vergleichbarer Hardware zum kleineren Preis. Und ja, es ist ganz schön teuer. Aber ist es sinnig, darüber zu streiten? Der Markt bestimmt den Wert – nicht nur für das iPhone. So verwundert es nicht, wenn neben der aufkeimenden Premium-Mittelklasse ausgerechnet die Highend-Smartphones teurer werden. Egal ob bei Samsungs Galaxy-S-Reihe oder etwa Googles Pixel-Smartphones. iPhone = teuer, das stimmt immer noch. Doch tragen dieses Attribut mittlerweile auch viele andere Highend-Geräte.
Und damit sind wir schon eigentlich beim Kern des Problems, der Frage angelangt, die sich Apple stellen lassen muss: Wie kann sich das Smartphone aus Cupertino künftig von der Konkurrenz abheben? Für das Unternehmen längst auch eine Existenzfrage. Schließlich macht das iPhone rund 70 Prozent des Umsatzes aus. Apple ist längst ein iPhone-Konzern geworden.
Mit höher, schneller, weiter, dünner ist es nicht getan. Benutzeroberflächen laufen auf jedem neuen Smartphone flüssig. Egal, ob es 200 oder 1000 Euro kostet. Schöne Fotos schießen auch die Geräte vom Vorjahr. Und an vielen Stellen geraten Technologien derzeit an ihre Grenzen des Machbaren und Sichtbaren. Mehr und mehr wird auch das iPhone ein Fenster zur Cloud. Mit den AirPods im Ohr kann ich auf die wichtigsten Dienste zugreifen und Siri ansteuern, ohne das Smartphone zu zücken. In diesen drei Punkten muss Apple Akzente setzen, um relevant zu bleiben und die Pole Position zu behalten:
Mehr Cloud wagen
Google, Facebook, Amazon – die IT-Riesen setzen allesamt auf die Cloud, um ihre Dienste besser zu machen. Die iCloud, sie könnte so viel mehr sein als ein reiner Datenspeicher. Viel, viel mehr. Klar, Dokumente werden schon seit Langem zwischen meinen Geräten synchronisiert. Und ich kann in der Cloud Dokumente anlegen und bearbeiten. Schließlich hat Apple im September auch angekündigt, dass mehrere Personen künftig in der iCloud zusammen arbeiten können sollen. Aber hey, das geht mit Googles Dienste schon seit Jahren. Apple darf sich in diesem Punkt nicht abhängen lassen. Warum kein CloudOS, ein virtuelles Abbild meines mac- oder iOS in der Cloud? Oder ein virtueller Workspace, auf den auch Anbieter von Programmen zugreifen können – vergleichbar mit der Adobe Creative Cloud, nur eben für viel mehr Dienste. Vieles ist denkbar. Und wenn es an Knowhow fehlt: Dropbox steht nach wie vor zum Verkauf.
Zusatzdienste müssen her
Sie werden immer wichtiger, um unterscheidbar zu bleiben. So ist Apple nicht umsonst so beliebt, wenn es um das Thema Kundenservice geht. Mit den Apple Stores verfügt der Hersteller über eine Infrastruktur und damit einen Kundendienst, den andere Hersteller noch missen lassen. Was Zusatzdienste außerdem sein können, macht Google mit dem Pixel vor: Wer das Smartphone erwirbt, bekommt unbegrenzten Fotospeicher in der Cloud. Mit guten Kontakten nach Hollywood etwa hätte der Konzern gute Chancen, auf seinen Devices Inhalte exklusiv anzubieten. Die neue Staffel "Game of Thrones" zuerst auf dem iPhone? Nur eine Idee. Aber ein Mega-Marketinghebel wäre es allemal.
Neue Einsatzgebiete
Apple braucht neue Einsatzgebiete, um das iPhone als ständigen Begleiter aktuell zu halten. Der Apple-Fernseher, er wird wohl nie mehr kommen. Das Apple Car wohl ebenso wenig. Aber in Sachen digitaler Assistenz ist noch vieles denkbar. Walt Mossberg findet, dass Siri hier noch nachbessern muss. Apple muss der Sprachassistentin mehr Skills beibringen, sie noch enger mit den installierten Apps verzahnen, auf mehr Datenbanken zugreifen lassen und sie so mit komplexeren Aufgaben vertraut machen. Die Auswirkungen wären immens. Schließlich sind Abermillionen Geräte längst Siri-kompatibel. Mit eigener Siri-Hardware würde Apple allerdings einen klaren Akzent setzen, dass man den Kampf ums Wohnzimmer nicht aufgibt. Das iPhone kann dabei als Rechenzentrale dienen.
Ihr merkt schon: Das hier ist keine Zusammenfassung der Gerüchte zum iPhone 8. Ich bin davon überzeugt, dass Apple auch in diesem Jahr einen würdigen Nachfolger für das iPhone 7 produzieren wird. Dass die Ingenieure in Cupertino die Kamera, den Chipsatz, das Display und all die anderen wichtigen Bauteile noch besser machen. Und natürlich werden wir darüber berichten, was es zu berichten gibt. Aber fest steht auch: Auf das Gerät alleine kommt es nicht mehr an, zehn Jahre nach der Vorstellung des allerersten Modells. Auch, aber eben nicht nur.
Mich interessiert: Was erwartet Ihr von Apple in 2017 und über das iPhone hinaus? Diskutiert mit mir in den Kommentaren.