Mit der Brexit-Abstimmung hat Großbritannien den ersten Schritt raus aus der EU gemacht und bei mobilen Betriebssystemen stehen angeblich ähnlich wegweisende Entscheidungen bevor. So sollen Samsung und Huawei an eigenen Alternativen zu Android arbeiten. Zum Tizen-Smartphone ist es aber noch ein weiter Weg mit ungewissem Verlauf – genau wie für das Vereinigte Königreich.
Momentan profitieren Samsung und Huawei sehr von Android. Bei den weltweiten Smartphone-Verkaufszahlen liegen sie auf dem ersten und dritten Platz und Huawei setzt sogar dazu an Apple vom zweiten Platz zu verdrängen. Auf den ersten Blick ist es deswegen schwer zu verstehen, warum in der letzten Woche wieder Meldungen kursierten, denen zufolge Samsung Tizen statt Android auf seinen Smartphones installieren will und Huawei einen ehemaligen Apple-Mitarbeiter für die Entwicklung eines eigenen Betriebssystems eingestellt hat.
TouchWiz und EMUI als Abspaltung im Kleinen
Auf der anderen Seite sind Samsung und Huawei aber stark von Google abhängig und müssen sich darauf verlassen, dass der US-Konzern sein Betriebssystem nicht vor die Wand fährt. Gleichzeitig betreiben sie mit ihren Nutzeroberflächen TouchWiz und EMUI einen nicht gerade kleinen Aufwand, um sich von anderen Android-Geräten abzuheben. Ob das immer sinnvoll ist, ist an dieser Stelle zweitrangig. Interessant ist hingegen, dass die Nutzeroberflächen mitunter Funktionen enthalten, die erst später ein Teil von Android werden: Die Unterstützung von Fingerabdrucksensoren oder ein Splitscreen-Modus sind nur zwei von ihnen.
Nimmt man die aktuellen Verkaufszahlen als Grundlage, dann sind Samsung und Huawei groß genug für eigene Betriebssysteme. Doch fraglich ist, ob die Verkaufszahlen so hoch bleiben, wenn auf Ihren Smartphones nicht mehr Android läuft. Denn ohne Android stehen die Hersteller vor einem großen Problem.
Die Apps entscheiden
Mit dem Samsung Wave S8500 hat der koreanische Konzern vor sechs Jahren schon einmal versucht ein eigenes Betriebssystem gegen Android in Stellung zu bringen. In Sachen Preis-Leistung waren die Wave-Modelle sehr verlockend, aber Bada – so hieß Samsungs OS damals und war bezogen auf den Marktanteil sogar erfolgreicher als Windows Phone – hatte das gleiche Problem wie Windows 10 Mobile heute: zu wenige Apps!
Zwar kann man mit Android auch ohne Play Store erfolgreich sein, wie Xiaomi beweist – zumindest in China. Denn hierzulande verkaufen sich die Smartphones des Herstellers nur mit nachträglichen installierten Play Store. Und ich kann ehrlich gesagt nicht einschätzen, wie viele Käufer ihn in China installieren, aber die Möglichkeit haben sie auf jeden Fall.
2013 stellte Samsung die Entwicklung von Bada ein. Teile des Betriebssystems gingen in Tizen über, das Samsung momentan für Wearables wie die Smartwatch seit Herbst 2015 wirbt Samsung bei App-Entwicklern für Tizen.
Keine Alternative um jeden Preis
Ich finde nichts Verwerfliches daran, dass Samsung und Huawei eine Alternativ zu Android suchen. Persönlich wünsche ich mir sogar neben iOS und Android ein drittes brauchbares mobiles Betriebssystem. Aber noch ist keins in Sicht. Es gibt zwar mit Jolla, Firefox, Ubuntu und wie sie alle heißen immer wieder Versuche, aber sie werden aber auf absehbare Zeit keine ernsthafte Alternative darstellen. Damit sich ein drittes System neben Android und iOS etablieren kann, müsste es überragend besser sein und von Anfang an über viele Apps verfügen – oder Google bei Android richtig Bockmist verzapfen.
Aber anders als beim Brexit-Referendum entscheiden bei Samsung und Huawei nicht alle Mitarbeiter oder Käufer in einer Abstimmung, sondern das Management nach wirtschaftlichen Kriterien. Und zumindest die Wirtschaft war überwiegend für den Verbleib Großbritanniens in der EU. Der Abschied von Android ist weder bei Samsung noch Huawei ausgeschlossen, aber auch noch lange nicht besiegelt – und wenn er kommt, dann als ähnlich schleppender Prozess wie der auf zwei Jahre angesetzte EU-Austritt. Außerdem dürfte nicht jeder Kunde auf Android verzichten wollen und sich wie Schottland und Nordirland seinerseits auf einen Abschied vorbereiten.