Zu den vielen neuen Funktionen von iOS 9 gehört eine Suche, die nicht nur im Internet, sondern auch in den Apps auf Eurem iPhone oder iPad Ergebnisse findet. Damit macht Apple Google in seinem Kerngeschäft Konkurrenz und kann den Suchmaschinen-Internet-Konzern härter treffen, als mit einer eigenen Karten-App.
Trotz Android, Gmail, Google Drive und vieler weiterer Angebote, ist das Kerngeschäft und die Geldmaschine von Google immer noch die Suchmaschine mit angebundenem Anzeigenverkauf. Sollte es einem Konkurrenten gelingen auf diesem Feld besser zu sein als der Konzern aus Mountain View, könnte dieser ernsthafte Probleme mit seinem Geschäftsmodell bekommen.
Eine Trennung auf Raten
Apple ist schon länger dabei sich von Google zu lösen. Mit iOS 6 gehörte Youtube im Jahr 2012 erstmals seit 2007 nicht mehr zu den vorinstallierten Apps auf dem iPhone. Mit der gleichen Version des mobilen Betriebssystems ersetzte Apple zudem Google Maps durch eine eigene Karten-App. Seit iOS 7 im Herbst 2013 durchsucht Siri das Web mit Bing und Microsofts Suchmaschine liefert auch die Ergebnisse für die Spotlight-Suche von iOS und OS X – wobei Google immerhin noch die Standard-Suchmaschine für den Safari-Browser unter iOS ist. Dieser bisher regelmäßig verlängerte Deal – für den Google mehr als 100 Millionen Dollar pro Jahr bezahlen soll – läuft allerdings in diesem Jahr erneut aus und ist bisher noch nicht verlängert worden.
Und so wie es aussieht, scheint Apple mit iOS 9 auf das Geld von Google verzichten zu wollen und auf eine eigene neue Suche zu setzen – die am Ende Google das finanzielle Standbein für Android und viele andere Unternehmungen entziehen könnte.
Mit der neuen Spotlight-Suche – die erscheint in der Beta-Version von iOS 9, wenn Ihr auf dem Homescreen von links nach rechts wischt – will Apple Euch in Zukunft weniger Fundstellen aus dem Internet anzeigen, sondern Ergebnisse direkt von Eurem iPhone liefern. Die Annahme aus Cupertino ist, dass die Daten auf Eurem iPhone für Euch in der Regel passendere Ergebnisse sind, als das, was das Internet zu bieten hat. Hierfür können App-Entwickler ab sofort entsprechende Schnittstellen in ihre Anwendungen einbauen, damit deren Inhalte von der Suche indexiert werden.
iOS 9 durchsucht Apps
Ein Beispiel gefällig? Sucht Ihr ein Rezept, schaut Ihr in Zukunft nicht mehr auf eine große Liste von vielen verschiedenen Webseiten, sondern bekommt als erstes die passende Kochanleitung aus der Rezepte-App auf Eurem iPhone angezeigt. Oder Ihr gebt einen Städtenamen ein und bekommt je nach Standort passende Zug- oder Flugverbindungen aus der Reiseportal-App Eurer Wahl angezeigt. Im Idealfall findet die Spotlight-Suche so direkt auf Eurem Smartphone und nicht irgendwo im Internet genau das was Ihr sucht.
Mit der Zeit sammeln sich natürlich auch auf einem iPhone Unmengen von Daten an und ein Blick in die Richtlinien, die Apple den App-Entwicklen mit auf den Weg gibt, macht klar, dass in Cupertino eine Alternative zum Pagerank von Google in Arbeit ist. Entwickler sollen die App-Inhalte nicht übertrieben indexieren und auch keine unpassenden Keywords oder Attribute verwenden, da iOS erkennt, wie die Nutzer mit Suchergebnissen umgehen und offensichtlich unbrauchbare Fundstellen wieder entfernt – und das zwar schnell.
Nach der zu frühen Veröffentlichung seines unfertigen Kartendienstes nimmt Apple sich mit der neuen Spotlight-Suche die nötige Zeit und geht dreigleisig vor: Neben der eigenen Suche für App-Inhalte zeigt Euch iOS 9 auch Ergebnisse aus Datenbeständen von Dritten, wie dem Bewertungsportal Yelp, und Ergebnisse einer klassischen Websuche an. Momentan übernimmt Bing dieses Basis-Angebot.
Auf die Apps auf Eurem Smartphone hat Google übrigens keinen Zugriff und kann deren Inhalte gar nicht indexieren, so dass unter iOS die Spotlight-Suche das Potenzial hat, zur einzigen brauchbaren Suchmaschine zu werden. Google könnte zwar in Android eine ähnliche Suchfunktion integrieren, würde aber trotzdem die iOS-Nutzer als "Kunden" verlieren – und die Zugriffe von iPhone und iPad auf die Google-Suche sind nach wie vor kein unbedeutender Anteil. Wenn die neue Suche von Apple sich im Alltag durchsetzt und Google nicht gegensteuern kann, brechen schwere Zeiten für den Suchmaschinen-Konzern an – der dann eines seiner vielen anderen Pferde im Stall zum Goldesel machen müsste.