Google I/O 2015 und Android M: Mit aller Macht zur Online-Macht

Google I/O
Google I/O (© 2015 Google )
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Nein, den ganz großen Wow-Effekt gab es bei der gestrigen Vorstellung von Android M nicht. Die nächste Version des mobilen Betriebssystems poliert und optimiert eher das aktuelle Lollipop, als dass sie sich neu erfindet. Und dennoch zeigte die Keynote der I/O ganz deutlich, wo es hingeht mit Android und wie Google dort hinkommen möchte: Weiterhin überall und mit unwiderstehlichen Must-have-Funktionen.

"Mist, ich glaube, ich muss doch wieder zu Android wechseln!" tippte CURVED-Chefredakteur Felix gestern, während auf der Bühne der I/O Now on Tap-Funktionalität gezeigt wurden, in den Redaktions-Chat – und der Mann ist bekanntlich Apple-Fan. Er muss aber gar nicht wechseln, denn wenigstens das neue Fotos wird auch für iOS ausgerollt werden. Google hat eben andere Ziele, oder besser: beschreitet andere Wege zum Ziel als Apple und das ist gestern Abend wieder einmal sehr deutlich geworden.

Google will mit Android, mit Chrome, mit Fotos und mit der Suche überall hin. Schon im letzten Jahrmit Brillo, das das Internet der Dinge vorantreiben soll, nur eine Neuerung – aber was im Detail mit Android M, Google Now, Fotos, Android Pay aber auch Maps, Youtube und Cardboard 2 angekündigt wurde, spricht die gleiche Sprache, nur subtiler.

Android Lollipop ist nahezu perfekt, M bringt den Feinschliff

Nach dem Rollout von Android Lollipop vor etwas mehr als einem halben Jahr, hatte ich hier auf CURVED postuliert, das war ich noch vor wenigen Wochen skeptisch, als sich abzeichnete, Google würde auf der I/O schon die nächste Iteration des Betriebssystems präsentieren – was sollte denn ein so früher Major Release gegenüber Lollipop verbessern? Wie erwartet nichts Grundlegendes.

Aber Lollipop war nicht perfekt – und so verbessert Google mit M beispielsweise die Lautstärke-Kontrolle, abermals den Energiebedarf und damit hoffentlich die Akkulaufzeiten, die Nutzerkontrolle über die Berechtigungen von Apps und die Integration des Chrome-Browsers in Apps und umgekehrt. Alles für ein noch komfortableres Nutzungserleben.

Wichtiger als diese kleinen Optimierungen dürfte aber das neue Now on Tap-Feature sein. Das verspricht Google Now, den Suchassistenten aus Mountain View, der in Verknüpfung mit der Google Suche eigentlich beziehungsweise über kurz oder lang, eines der Argumente für Android sein soll, noch besser und intuitiver in das OS zu integrieren – so dass Nutzern fortan die umfängliche Hilfe des Google Knowledge Graphs auch innerhalb von Apps, Chats, Mail und Webseiten per Tap schnell zur Hand ist. Man wird abwarten müssen, wie sich das tatsächlich im Alltag schlägt; es klingt aktuell definitiv sehr viel versprechend und so, als könnte es Siri und Cortana zeigen, wo der mobile Assistent hängt.

Google Fotos ist die einzige Foto-App, die Android-, iOS- und Webuser brauchen

Und es gab doch einen echten Wow-Moment am gestrigen Abend: Das neue Google Fotos, die eine Foto-App, sie alle zu binden. Nicht nur integriert Google fortan die Power seiner Suchmaschine darin, so dass Fotos automatisch nach Orten oder Motiven sortiert werden – ich habe das Update gerade erhalten und bin immer noch veblüfft, dass mir tatsächlich Kategorien wie "Hunde", "Blumen" und "Statuen" offeriert werden, die korrekt befüllt sind – und nach Schlagworten durchsucht werden können. Auch ist die Bedienung durch Zoom-Gesten und das simple Markieren vieler Elemente erstaunlich gut und einfach.

Das Killerfeature von Fotos ist aber neben dem unbegrenzten Speicherplatz für Fotos in 16 MP-Auflösung und Videos und 1080p, das die nicht exklusiv für Android, sondern auch für iOS zu haben ist – und natürlich im Web genutzt werden kann. Und das macht deutlich, worum es Google geht.

Ja, man will die nächste Milliarde Android-Nutzer ins Boot holen und versucht die vor allem in den Emerging Markets mit initiativen wie Android One. Aber in der reichen Ersten Welt, in denen die Märkte satt, die Grenzen gezogen und die Präferenzen der Nutzer gesetzt sind, da möchte Google die iOS-Nutzer, die sich nicht zu Android bekehren lassen, wenigstens zur Nutzung der eigenen Produkte animieren.

Neue (virtuelle) Welten wollen erobert werden und das Internet will genutzt werden

Und diese Offensive ist nicht etwa auf die Foto-App beschränkt: Mit der Papp-VR-Brille Cardboard wurde im vergangenen Jahr – ganz Google – eine nerdige und vor allem günstige Oculus Rift-Alternative vorgeführt, die zusammen mit der kostenlosen App jedem Smartphone-Nutzer stereoskopische Ausflüge erlaubte. Aus dem Gag ist inzwischen Ernst geworden, Google hat erkannt, das Virtual Reality the next big thing ist und setzt mit dem verbesserten Cardboard 2, einem SDK für Android und iOS sowie der Jump-Plattform weiter auf dieses Pferd. Letztere erlaubt es semiprofessionellen Filmern, zu einem Bruchteil der Kosten und des Aufwandes, die bisher nötig waren, eigene VR-Inhalte zu erstellen – Open Source und für alle nutzbar, unabhängig vom Betriebssystem.

Googles Kerngeschäft ist und bleibt das Internet sowie die damit verbundenen monetären Einnahmen und die Informationsgewinne.  Über die eigene mächtige Suche versucht das Unternehmen dieses einfacher und intuitiver an die Frau und den Mann zu bringen. Android, Chrome, Youtube, Maps und all die anderen Produkte sind für Mountain View Mittel zu Zweck. Und mehr und mehr werden sie äußerst effektive Mittel, denen sich kaum jemand mehr gänzlich wird entziehen können. Darin unterscheidet sich Google grundlegend von Konkurrenten wie Apple und Microsoft, die tendenziell eher Hard- und Software verkaufen.

Ohne Zweifel bezahlen wir Nutzer die schönen, produktiven und intuitiven Google-Produkte mit unseren Daten, seien es nun indizierte Fotos in der Cloud, allgemeine Suchanfragen oder gar unser komplettes Online-Nutzungsverhalten. Die Frage, ob man das möchte respektive ob daran überhaupt noch ein Weg vorbeiführt, muss sich freilich jeder selbst stellen und beantworten.

Google jedenfalls wird seinen Weg mit aller Macht und auf allen Ebenen weiter verfolgen. Wenn wir möchten, profitieren wir in Form von Android M, Chrome, Google Now, Cardboard oder Fotos. Das ist die Botschaft des gestrigen Abends: Alles wird besser, damit wir es mehr nutzen. Nicht kaufen, nicht wechseln, nicht mal bewusst entscheiden – sondern einfach die verlockenden Angebote annehmen.

Oh Google, du unwiderstehliche Datenkrake ...

Wie findet ihr das? Stimmt ab!
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