Man kann das Jahr 2014 Revue passieren lassen, wie man will – am Ende kann man nur zu einem Ergebnis kommen: Es war Apples Jahr. Konzernchef Tim Cook setzte in seinem dritten Jahr als Vorstandschef zu einer Tour de Force der Superlative an: Getrieben durch den Run auf das iPhone 6 stellte der Techpionier an der Wall Street neue Allzeitrekorde auf und war zwischenzeitlich mehr als 700 Milliarden Dollar wert.
Was für einen Unterschied ein Jahr machen kann. Wohl kein zweites Unternehmen verdeutlicht das Wechselspiel inzwischen so gut, wie Apple in den vergangenen 12 Monaten. Extrem angeschlagen ging der Techpionier in das 38. Jahr seines Bestehens: Zukunftssorgen dominierten nach einem Jahr zum Vergessen, in dem sich erstmals seit über einem Jahrzehnt die Gewinne wieder rückläufig entwickelt hatten und es zunächst so aussah, als habe Apple das Beste bereits hinter sich.
Die Apple-Aktie hatte sich 2013 von den Höchstkursen fast halbiert, über den Verbleib von Apple-CEO Tim Cook wurde bereits öffentlich spekuliert. Apples Problem schien in Zoll greifbar: Beim mit Abstand wichtigsten Umsatz- und Gewinnbringer, dem iPhone, hatte Apple den Anschluss verpasst. Das Flaggschiff-Modell 5s erschien mit ganzen 4 Zoll gegenüber der Phablet-Übermacht aus Fernost hoffnungslos veraltet, während das nur geringfügig günstigere Plastik Modell iPhone 5c kaum neue Käufer anlockte.
Sorgenvoller Start ins Jahr: Das Wachstum war an seine Grenzen gestoßen
Im achten Jahr nach der Einführung zeigte das iPhone unzweifelhaft Alterungserscheinungen: Die Absätze zogen im Weihnachtsquartal gerade mal noch um 6 Prozent auf 51 Millionen verkaufte Einheiten an – dem schwächsten Wert seit dem Debüt 2007 –, während Erzrivale Samsung längst die doppelte Menge verkaufte.
Die Ende Januar vorgestellte Geschäftsbilanz las sich in etwa so wie Abschiedszahlen: Das Wachstum war an seine Grenzen gestoßen und schien ausgereizt. Apple setzte drei Milliarden Dollar mehr um, um das Gleiche zu verdienen wie im Vorjahr, zwölf Monate zuvor mussten sogar 8 Milliarden mehr als im Vorjahresvergleich erlöst werden, um das gleiche Konzernergebnis zu erzielen – die erodierende Gewinnmarge setzte Apple schwer zu.
Comeback im April
War die Honig-und-Nektar-Periode der Steve Jobs-Ära also endgültig vorbei? Mitnichten! Bereits das nächste Quartal leitete die Trendwende ein: Apple legte mit einer Gewinnsteigerung von 15 Prozent nicht nur die spektakulärsten Quartalszahlen seit exakt zwei Jahren vor, sondern verkündete auch eine Wundertüte an Neuigkeiten, mit denen kaum ein Aktionär gerechnet hätte.
Die Dividende wurde angehoben, das Aktienrückkaufprogramm um 30 Milliarden Dollar ausgeweitet – und die Aktie wird im Verhältnis 7:1 gesplittet. Deutlich wurde: Tim Cook bediente sich des Lehrbuchs von Großaktionär Carl Icahn, der im August ein Jahr nach seinem Einstieg Kursgewinne von über 50 Prozent verbuchen konnte.
Warten auf das iPhone 6 treibt Kurse
Seitdem läuft er wieder bei Apple: Die Quartalsbilanz Ende April und das mit ihr verbundene Financial Engineering sollten der Startschuss zu einer Kursrally sein, die sich über das ganze Jahr strecken sollte. Die Apple-Aktie zog, nur von ein paar Rücksetzern im einstelligen Prozentbereich unterbrochen, bis Dezember wie ein Strich ab – von 80 Dollar Ende April bis auf 120 Dollar Ende November.
Der Hauptgrund: Nicht nur die Konzernbilanz verbesserte sich fundamental – vor allem warf das iPhone 6 seine Schatten immer weiter voraus. Im Sommer zeichnete sich ab, dass Apple nicht nur ein neues großes Smartphone auf den Markt bringen würde – sondern gleich zwei: Auch ein 5,5- Zöller würde in Form des iPhone 6 Plus ab September zu haben sein.
iPhone 6 und iPhone 6 Plus sofortige Kassenschlager
Damit schloss Apple seine zweijährige selbstverschuldete Lücke, die nach dem iPhone 5-Launch entstanden war, als das iPhone gerade mal von 3,5 auf 4 Zoll angewachsen war, während die Konkurrenz von Samsung & Co ihre Smartphones in Phablet-Größen von 5 und mehr Zoll anboten und Apple intern zugeben musste, nicht das zu haben, „was unsere Kunden wollen“.
Wie groß der Run auf das iPhone 6 und iPhone 6 Plus tatsächlich war, wurde nach dem Launch Mitte September deutlich. Aus dem Stand konnte der Kultkonzern aus Cupertino über zehn Millionen iPhone 6 und iPhone 6 Plus am ersten Verkaufswochenende absetzen. Seitdem überbieten sich die Analysten bei ihren Prognosen: 61 Millionen verkaufte iPhones zwischen Oktober und Dezember waren Konsens – inzwischen sind die Schätzungen der Banken und Brokerhäuser bis auf 70 Millionen verkaufte Apple-Smartphones in die Höhe geschossen.
Auch Macintosh-Sparte mit starkem Quartal, iPad bricht dagegen ein
Höchst unterschiedlich verlief dagegen die Entwicklung der zweit- und drittgrößten Konzern-Units. Die Macintosh-Sparte hat dank eines zuletzt bombastischen Quartals, in dem Apple 5,52 Millionen Macs – und damit 21 Prozent mehr – absetzte, dem iPad deutlich den Rang abgelaufen. Mac-Umsätzen von 6,6 Milliarden Dollar stehen iPad-Erlöse von 5,3 Milliarden Dollar gegenüber.
Der Einbruch der gerade mal 4,5 Jahre alten Tablet-Sparte wirkte tatsächlich wie der einzige hässliche Fleck in einer ansonsten tadellosen Geschäftsentwicklung. Im jüngsten Dreimonatszeitraum zwischen Juli und September hat die iPad-Sparte nochmals 13 Prozent weniger Einheiten verkauft als im Vorjahresquartal, in dem bereits stagnierende Absätze vermeldet wurden. Das heißt: Mit zuletzt 12,3 Millionen verkauften iPads im September-Quartal liegt Apple gar nur knapp über dem Ergebnis von 2011, als seinerzeit 11,1 Millionen Stück abgesetzt wurden!
iPad-Sparte könnte 2015 mit IBM-Kooperation vor Comeback stehen
Die Gründe für den Aderlass wurden vielfach erörtert: Das iPad hat seine Rolle zwischen MacBook Air und den nun großen, neuen iPhones nicht gefunden und dürfte zumindest mit der Mini-Version vom iPhone 6 Plus künftig weiter kannibalisiert werden. Zum Hoffnungsträger für einen Tunraround im nächsten Jahr taugen die im Sommer überraschend verkündete Kooperation mit IBM, die erste Früchte in Form von Apps trägt und das mit Spannung erwartete iPad in Maxi-Version.
Doch das ist nur ein Nebenschauplatz. Das Hauptaugenmerk 2015 richtet sich fraglos auf Apples erste neue Produktkategorie in fünf Jahren, die ebenfalls auf der Keynote im September angekündigt wurde – die Apple Watch. Während sich Banken und Branchenkenner höchst uneinig über das Verkaufspotenzial der Apple-Uhr sind, hat CEO Tim Cook zumindest sein jahrelanges Versprechen eingehalten, endlich ein neues Produkt auf den Markt zu bringen.
Unternehmenswert durchbricht zeitweise 700-Milliarden-Dollar-Grenze
Internet-Chef Eddy Cue verstieg sich Ende Mai gar zu der Aussage, dass Apple über "die beste Produkt-Pipeline“ verfüge, „die ich in meinen 25 Jahren bei Apple gesehen habe.“ Dazu zählt auch ein Produkt, das sich fundamental von Hardware-Neuheiten unterscheidet, aber langfristig eine beträchtliche Wirkung entfalten könnte – der Bezahlservice Apple Pay, der im Oktober in den USA eingeführt wurde.
Zusammen mit der Euphorie um das iPhone 6 und 6 Plus und dem bevorstehenden Launch der Apple Watch schoss die Aktie gegen Jahresende immer weiter empor und konnte dabei nicht nur im September wenige Tage vor dem iPhone-Launch neue Allzeithochs aufstellen, sondern auch Ende November sogar als erstes Unternehmen die Marke von 700 Milliarden Dollar durchbrechen.
Apples Börsenwert steigerte sich binnen 12 Monaten nach einem Kursplus von 42 Prozent damit in der Spitze um mehr als 200 Milliarden Dollar – das entspricht in etwa dem gesamten Unternehmenswert Facebooks. Kein Wunder also, dass die Financial Times Tim Cook dann auch 2014 zum Mann des Jahres wählte – 2014 war ganz Apples Jahr.