Dem Handgelenk gehört die Zukunft! Das zeichnete sich schon vor der offiziellen Vorstellung der Apple Watch ab. Die Neptune Suite geht einen Schritt weiter und zeigt, dass in Zukunft Smartwatches keine Erweiterung mehr von Smartphones sind, sondern sich das Verhältnis umdreht. Einen großen Haken gibt es allerdings, aber der Schritt könnte trotzdem wegweisend sein.
Eine Smartwatch, die ohne Smartphone auskommt, wäre spätestens seit der Samsung Gear S keine große Neuigkeit mehr. Bei der Neptune Suite ist die Smartwatch aber das zentrale Element eines kleinen Ökosystems. Das Smartphone und das Tablet sind nur dumme Displays, die anzeigen, was das Gehirn berechnet. Dazu gesellen sich noch ein HDMI-Dongle, der fast jeden Bildschirm zum Abspielgerät für das Wearable macht, eine Tastatur sowie ein Kopfhörer, der gleichzeitig auch die Batterien von zweien der anderen Geräte auflädt.
Ein System aus sechs Komponenten
Das Herzstück der Neptune Suite ist die Neptune Hub. Die Smartwatch hieß bis vor Kurzem noch Neptune Duo und sollte alleine auf den Markt kommen, hat jetzt aber weitere Gadgets an die Seite gestellt bekommen. Sie verfügt über einen 2,4 Zoll großen Touchscreen, einen 1,8-Gigahertz-Quad-Core-Prozessor, 64 Gigabyte internen Speicher sowie Platz für eine Nano-SIM und geht per UMTS sowie LTE online und kann eigenständig telefonieren. Als Betriebssystem kommt Android 5.0 Lollipop mit einer angepassten Nutzeroberfläche zum Einsatz. Das Gehäuse ist wasserfest und beherbergt unter anderem einen Pulssensor und einen Vibrationsmotor. GPS, WLAN und Bluetooth gehören ebenso zur Ausstattung wie ein Beschleunigungs- und ein Bewegungssensor sowie ein digitaler Kompass.
Bei Neptune Pocket handelt es sich um ein Smartphone, dass nur aus einem HD-Display mit 1280 x 720 Pixeln sowie einer 8- und einer 2-Megapixel-Kamera besteht. Das zehn Zoll große Neptune Tab muss mit einem Full-HD-Display mit 1920 x 1080 Pixeln sowie einer HD-Kamera für Videochats auskommen. Über eigene Lautsprecher und Mikrofone sowie Bewegungs- und Beschleunigungssensoren verfügen beide externe Bildschirme für die Neptune Hub, an die auch die Fotos der Kameras übertragen werden. Mit der Anstecktastatur verwandelt sich das Tablet zudem in einen Mini-Laptop, dessen Hardware in die Smartwatch ausgelagert ist.
Noch bis zum 14. April 2015 läuft die Crowdfunding-Kampagne für die Neptune Suite auf Indiegogo. Ihr könnt Euch das gesamte Set aus Smartwatch, zwei Displays, der Tastatur, dem HDMI-Dongle und dem Kopfhörer für 599 Dollar sichern. Der spätere reguläre Verkaufspreis soll bei 899 Dollar liegen – dazu kommen jeweils noch die Kosten für den Versand sowie Steuern und Zollgebühren.
Für das Set aus sechs Geräten immer noch ein akzeptabler Preis, wenn die Qualität am Ende stimmt. Die Auslieferung der Neptune Suite soll im Februar 2016 starten, und es würde mich sehr überraschen, wenn die kanadische Firma es schafft, den Zeitplan einzuhalten und nicht zwei, drei Monate hinterher hängt.
20-Jähriger mit viel Erfahrung bei der Smartwatch-Produktion
Bereits im Dezember 2013 führte Simon Tian für seine erste Smartwatch, die Neptune Pine, eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter durch. Die Uhr fiel allerdings bei den meisten Testern durch und wirkt aus heutiger Sicht extrem klobig. Trotzdem bildete der Erfolg seines ersten Projekts zusammen mit den vielen Rückmeldungen der Tester und ersten Käufer die Grundlage dafür, dass Tian zusammen mit externer Hilfe die Arbeit an seiner zweiten Smartwatch begann. Die Neptune Duo, die auch das Herzstück der Neptune Suite ist, präsentierte er Ende Februar der Öffentlichkeit. Ihre Crowdfunding-Kampagne hat er jetzt zugunsten der gesamten Neptune Suite abgebrochen.
Mit der Neptune Pine hat Tian bereits im Alter von 18 Jahren bewiesen, dass er mit seiner Firma ein Produkt finalisieren und ausliefern kann. Bei Neptune Duo, beziehungsweise der Neptune Suite, ist er mit 20 Jahren immer noch ein verdammt junger Firmengründer, der gelernt hat und sich Experten mit ins Boot geholt und viel Arbeit in das Design gesteckt hat.
Ein wichtiger Knackpunkt bleibt allerdings der Akku und seine Laufzeit. In einer Smartwatch ist generell weniger Platz als in einem Smartphone oder Tablet. So kann die Batterie dort auch nur kleiner sein, was besonders ärgerlich ist, wenn die Uhr nicht nur Wiedergabegerät ist, sondern die zentrale Einheit, die auch die gesamte Rechenarbeit leisten muss.
Akkulaufzeit als Problem?
Nach Angaben von Neptune verfügt der Akku des Hub über eine Kapazität von 1000 Milliamperestunden, was etwas mehr als die Hälfte des iPhone 6 wäre, und soll unter anderem aufgrund des kleineren Displays genau so lange durchhalten wie ein typisches Smartphone: Also etwa einen Tag.
Zwar verfügen Neptune Pocket und Tab über eigene Batterien mit 2800 sowie 7000 Milliamperestunden und sollen den Akku der Smartwatch aufladen können, doch ob das in der Praxis wirklich praktikabel ist und ob die Laufzeit ohne nachladen lang genug ist, wage ich derzeit noch zu bezweifeln.
Die Idee der Neptune Suite gefällt mir. Allerdings fürchte ich, das Tian der Zeit voraus ist. Nur wenige Nutzer werden den radikalen Umstieg von Smartphone auf eine Smartwatch wagen. Die meisten werden sich erst mit einer "dummen" Smartwatch an Wearables gewöhnen und erst danach den Schritt zur "intelligenten" Smartwatch machen.
Sollte Neptune die anfängliche Durststrecke überstehen und Misserfolge verkraften, sehe ich mit dem zu erwartenden Fortschritt vor allem in der Akku-Technologie ein großes Potential für die Firma und ihre Ideen. Ich kann nur hoffen, dass am Ende nicht nur die großen Namen der Branche den langem Atem haben, um in mehren Jahren die zukunftsträchtige Idee der Neptune Suite mit eigenen Produkten unter die Leute zu bringen.