Project Ara, Nexpaq und Co: Die Zukunft wird modular

Die Zukunft wird modular - nicht nur bei den Smartphones.
Die Zukunft wird modular - nicht nur bei den Smartphones. (© 2015 CURVED Montage )
110

Während in Hamburg und anderen deutschen Städte momentan Food Trucks der letzte Schrei bei der mittäglichen oder abendlichen Nahrungsaufnahme sind, werden ganz ähnliche Trucks demnächst Smartphones des Project Ara in Puerto Rico verkaufen. Diese Geräte zeichnen sich aber nicht nur durch eine ungewöhnliche Vertriebsstruktur aus, sondern auch durch eine modulare Bauweise, die inzwischen nicht mehr nur für Smartphones, sondern auch für Smartwatches und Kopfhörer erprobt wird.

Die Zukunft der Unterhaltungselektronik soll noch in diesem Jahr in der Karibik beginnen: Puerto Rico ist das erste Land, in dem das modulare Smartphone von Googles Project Ara verkauft werden soll – von umgebauten Food Trucks aus. Das passt zum Konzept des Smartphones, das eindeutig von Menschen entwickelt wurde, die in ihrer Kindheit mit Lego und Transformers gespielt haben. Sie haben sich ein System ausgedacht, mit dem jeder sich sein Traum-Smartphone selber zusammenbauen kann. Der Trend zur modularen Bauweise hat inzwischen die Welt der Mobiltelefone verlassen und findet auf weiteren Gebieten Unterhaltungselektronik Anwendung.

Smartphone aus dem Baukasten zum selber Zusammenstecken

Project Ara stammt aus Googles ATAP-Team (Advanced Technology and Projects), das ein Teil von Motorola war, als Google den Smartphone-Hersteller kaufte, dann aber beim Internetkonzern verblieb, als dieser Motorola an Lenovo weiter verkaufte. Als Grundgerüst von Project Ara dient ein sogenanntes Endoskelett, das 50 Dollar kosten soll. In diesem befindet sich noch keine weitere Technik – Ihr als Nutzer setzt aus dem Angebot an Modulen euer Wunsch-Smartphone zusammen. Dabei bestimmt Ihr über Größe und Auflösung des Displays, den Prozessor, Akku, Prozessor, Arbeitsspeicher, Kamera und könnt zusätzlichen Speicherplatz, SIM-Karten-Slots, Kameras, Sensoren oder Antennen auf die weitern Steckplätze verteilen.

Zum Start stehen 20 verschiedene Module für Project Ara zur Auswahl, später sollen es hunderte sein – was keine unrealistische Einschätzung ist, da jede Firma, die sich an die Vorgaben aus Googles Developer Kit hält, eigene Bauteile herstellen kann. Allein der Smartphone-Hersteller Yezz hat nach eigenen Angaben bereits 56 Ara-Module entworfen.

Als Betriebssystem kommt bei Project Ara Android zum Einsatz und für die Nutzung sind drei spezielle Ara-Apps notwendig. Der Ara-Konfigurator hilft beim Bau eines Ara-Smartphones, mit dem Ara Manager verwaltet Ihr die Module und der Ara Marketplace ist der Shop für den Kauf neuer Module.

Wie lange der Test auf Puerto Rico dauern soll und wie der (Zeit-)Plan für Project Ara danach aussieht, ist derzeit leider nicht bekannt.

Eine Idee, viele Lösungen

Project Ara dürfte allein durch den großen Namen im Hintergrund das bekannteste modulare Smartphone-System sein, ist aber nicht das einzige. Die Idee eines modularen Smartphones hat Phonebloks zum ersten Mal bekannter gemacht; damals hatte sich Designer Dave Hakkens Gedanken über die Ressourcenverschwendung gemacht, nachdem die Kamera seines Smartphones kaputt ging und er sie nicht einzeln austauschen konnte. Die Initiative sammelte bei Facebook und Co. zahlreiche Unterstützer und wollte so Smartphone-Herstellern zeigen, dass es eine Nachfrage nach Baukasten-Handys gibt und sich deren Produktion lohnen würde. Ein eigenes Gerät ist aus dem Projekt nicht entstanden, aber ein Teil der Community war an der Entstehung von Project Ara beteiligt und unterstützt das Projekt bis heute.

Beim Puzzlephone tauscht Ihr hingegen nur zwei Module aus und nicht eine zweistellige Zahl wie bei Project Ara. Das Display ist fest im Grundgerüst verbaut und ihr wechselt den Akku, wenn dessen Leistung nachlässt. Das zweite Modul enthält den Prozessor und die übrige Hardware. Das erste Puzzlephone soll noch in diesem Jahr erscheinen und mit Android ausgeliefert werden. Der Hersteller plant aber auch mit anderen Betriebssystemen und so sollt Ihr später das Android-Modul gegen ein anderes Modul mit Windows, Firefox OS oder Sailfish OS tauschen können. Detailangaben zur Verfügbarkeit und den Kosten stehen noch aus.

Bei Vsenn handelt es sich um eine finnische Firma von ehemaligen Nokia-Mitarbeitern, die ebenfalls an einem modularen Smartphone arbeitet: Über ihre Webseite und soziale Netzwerke haben sie nach und nach fast alle Details zur technischen Ausstattung verraten, halten aber Design und Funktionsprinzip noch geheim und haben sich auch noch nicht zu einem möglichen Releasetermin und dem anvisierten Preis geäußert.

ZTE hat sein modulares Smartphone-Konzept Eco Mobius bereits auf der CES 2014 gezeigt. Damals war auch Project Ara schon ans Licht der Öffentlichkeit gegangen. Allerdings scheint der chinesische Hersteller das Projekt nicht intensiv weiter verfolgt zu haben, zumindest gab es in den letzen anderthalb Jahre keine weiteren Informationen zu Eco Mobius.

Übrigens: Auch das neue Fairphone 2 setzt auf eine modulare Bauweise. Sie dient in diesem Fall aber nicht dazu, dass ihr einzelne Bauteile nach Euren Bedürfnissen auswählt und ersetzen könnt, sondern soll vor allem den Zusammenbau und die Reparatur erleichtern und am Ende für eine längere Lebensdauer des Smartphones sorgen.

Modulare Erweiterungen für Euer Smartphone

Für alle, die Ihr neues Smartphone nicht gegen die erste Generation von Project Ara, das PuzzlePhone oder Vsenn eintauschen möchten, stehen mit Nexpaq und MODR zwei Smartphone-Hülle bereit, die aktuelle Top-Geräte wie ein iPhone 6 oder Galaxy S6 um bis zu sechs Module erweitern.

Das Team hinter der Nexpaq-Hülle Galaxy S5 um sechs Module auf der Rückseite erweitern. Der Hersteller selbst hat bereits zwölf Module entwickelt, zu denen ein Lautsprecher, ein Akku, ein Laser-Pointer, ein externer Speicher und Atemalkohol-Tester gehören. Ab Januar 2016 sollen die Unterstützer von Kickstarter ihre Nexpaq-Cases und -Module erhalten.

Das MODR-Case ist dagegen S4 zur Verfügung stehen.

Es muss nicht immer ein Smartphone sein

Die ersten Herstellen übertragen das modulare System bereits aus der Welt der Smartphones auf andere Technikbereiche. So erweitern zum Beispiel Module die Blocks Smartwatch nicht nur um weitere Funktionen, sondern bilden auch das Armband der Uhr. Der Herzstück der Blocks ist das Uhrengehäuse in dem sich ein Qualcomm Snapdragon 400 sowie Bluetooth- und WLAN-Antennen, ein Bewegungssensor und ein Mikrofon befinden. Für das Armband stehen zahlreiche Module bereit, die die Uhr um GPS, eine SMS-Funktion, einen Herzfrequenzsensor, einen Akku oder ein NFC-Modul erweitern. Nach Angaben des Herstellers soll die Blocks mit iPhones und Android-Smartphones zusammenarbeiten und läuft selber mit Android – nicht Android Wear. Gefällt Euch der modulare Look des Armbands nicht, so sollt Ihr es in schöne und edle Hüllen verpacken können.

Die Idee hinter den modularen Kopfhörern Axel ist, dass unterschiedliche Musik unterschiedliche Kopfhörer erfordert – und deswegen verfügt Axel über drei verschiedene Lautsprecher, sogenannte Soundscapes, die Ihr austauscht. Das Kickstarter-Projekt kommt in einer On-ear- und einer Over-Ear-Variante daher. Die drei Soundscapes – Pure, Deep und Core – haben unterschiedliche physikalische Eigenschaften und sollen verschiedene Arten von Musik gut klingen lassen. Darüber hinaus könnt Ihr noch an der Optik der Kopfhörer Veränderungen vornehmen.

Modulare Smartphones und andere Baukasten-Gadgets sind im Kommen, werden aber nicht dieses und bestimmt auch noch nicht nächstes Jahr zum Mainstream werden. Die modulare Revolution startet aber trotzdem 2015 in einem Food Truck in Puerto Rico und ist erst der Anfang für eine neue Gadget-Welt, die sich im Handumdrehen um neue Funktionen erweitern lassen, eine längere Lebensdauer haben, günstiger, flexibler und anpassungsfähiger sind sowie mehr Leistung bieten.

Wie findet ihr das? Stimmt ab!
Weitere Artikel zum Thema