Abseits ist, wenn der Schiri pfeift? Diese Regel gilt bei der kommenden Weltmeisterschaft nur noch bedingt. Denn das internationale Fußballturnier wird so technisch wie nie.
Es sind nicht immer nur die schönen Tore oder die klassischen Underdog-Siege, die Fans nach einer Weltmeisterschaft lange in Erinnerung bleiben. Auch über strittige Schiedsrichterentscheidungen wird auch Jahre später an Stammtischen und in Fußballtalkshows diskutiert. Unvergessen bleiben zum Beispiel das Wembley-Tor (oder aus deutscher Sicht "Nicht-Tor"), das der Engländer Geoff Hurst im Finale 1966 gegen Deutschland schoss und Diego Maradonas berühmtes Handtor 1986 gegen England, das der Argentinier kurz nach dem Spiel als "die Hand Gottes" bezeichnete.
Der Videoschiedsrichter und seine Aufgaben
Die Weltmeisterschaft 2018 könnte allerdings für erheblich weniger Gesprächsstoff an Theken und auf Fanmeilen sorgen – denn das Turnier wird so technisch wie nie. Den Schiedsrichtern stehen gleich mehrere Hilfsmittel zur Verfügung, um strittige Szenen auch im Nachhinein noch zu klären. Eines davon ist der Video Assistant Referee (VAR), also der Videoschiedsrichter, der in der Saison 2017/18 auch schon in der Bundesliga zum Einsatz kam.
Bei der Weltmeisterschaft darf dieser Videoassistent laut FIFA nur in vier Situationen eingreifen: bei Toren oder Ereignissen, die zu einem Tor führen, bei Strafstoßentscheidungen, bei Platzverweisen und in Situationen, bei denen der Schiedsrichter bei der Vergabe einer persönlichen Strafe zwei Spieler miteinander verwechselt. Der VAR entscheidet aber nur in klaren Fällen direkt. Bei unsicheren Fällen schaut sich der Schiedsrichter auf dem Feld die strittige Szene an einem Monitor genau an.
Übrigens stehen dem Videoschiedsrichter drei Assistenten zur Seite. Der Videoschiedsrichter selbst sieht sich das von der Hauptkamera übertragene Bild an. Für einen genaueren Blick kann er auf einen weiteren Monitor schauen, der vier weitere Kameraeinstellungen zeigt. Er ist außerdem für die Kommunikation mit dem Schiedsrichter auf dem Feld verantwortlich.
Der erste Assistent sieht sich ebenfalls das Bild der TV-Kamera an und informiert den Videoschiedsrichter über strittige Szenen. Der zweite Assistent an der "Abseits-Station", einem speziellen Übertragungsbildschirm, ist, Überraschung, für mögliche Abseitspositionen zuständig. Der dritte Assistent schaut sich das Live-Bild aus dem Fernsehen an, steht dem Videoschiedsrichter bei strittigen Szenen zur Seite und sichert die Kommunikation zwischen Videoschiedsrichter und dem zweiten Assistenten ab.
Torlinientechhnik, Smartwatches und Headsets
Doch mit dem Einsatz des Videoschiedsrichters allein ist es bei der Weltmeisterschaft nicht getan. Wie schon zur WM 2014 in Brasilien sind laut Sportschau auch die Stadien in Russland mit der Torlinientechnik ausgestattet. Wie beim Videoschiedsrichter liefert auch hier das Unternehmen Hawk Eye die Technik: Mehrere Kameras im Stadion erfassen den Ball und können so im Zweifel präzise ermitteln, ob sich das Spielgerät wirklich im vollen Umfang hinter der Torlinie befand. Im Falle des Falles bekommt der Schiedsrichter ein Signal auf seine Uhr, welches das Tor bestätigt.
Bei der Weltmeisterschaft tragen die Schiedsrichter übrigens nicht irgendeine Sportuhr. Stattdessen werden alle Referees mit einer Smartwatch von Hublot ausgestattet. Auf der läuft Googles Betriebssystem Wear OS. Eine unbekannte ist die Uhr nicht. Sie wurde schon 2017 beim Confederations Cup von den Spielleitern getestet. Auch Fans können sich die Schiri-Uhr zulegen. Allerdings müsst ihr für die Hublot Big Bang Referee 2018 ordentlich Geld auf den Tisch legen: Der Preis liegt bei 5.200 US-Dollar. Zudem ist die Uhr auf 2018 Modelle limitiert.
Neben den Schhiedsrichtern profitieren auch die Teams vom Technik-Hype der FIFA. So darf sich bei der Weltmeisterschaft nun ein Trainer als Beobachter auf die Tribüne setzen und per Headset mit dem Trainer-Team an der Bank kommunizieren. Das erinnert an die Beobachter-Boxen aus der US-amerikanischen Football-Liga NFL. Aus dem deutschen Team wird Marcus Sorg das Spiel von der Tribüne verfolgen und per Headset Verbindung zum zweiten Co-Trainer, Thomas Schneider, aufnehmen, der die Erkenntnisse wiederum an Bundestrainer Joachim Löw weiter gibt, berichtet Spiegel Online. Die Schiedsrichter auf dem Feld stehen schon länger per Funk in Kontakt, um sich besser abstimmen zu können.
Droht jetzt Langeweile?
Natürlich wollen die FIFA und die Schiedsrichter durch die vielen technischen Neuerungen Fehler minimieren. Dass das aber nicht immer klappt, zeigt die abgelaufene Bundesliga-Saison. Mehr als einmal schimpften Funktionäre, die sich durch das Eingreifen oder Nicht-Eingreifen des Videoschiedsrichters benachteiligt fühlten, über die neue Regelungen. Den dramatischen Höhepunkt bildete das DFB-Pokalfinale zwischen dem FC Bayern München und Eintracht Frankfurt.
Der Frankfurter Kevin Prince Boateng traf Javi Martinez in der Schlussphase des Spiels im Strafraum und brachte den Mittelfeldspieler der Bayern zu Fall. Nach Ansicht der Szene am Monitor entschied Schiedsrichter Felix Zwayer allerdings gegen einen Elfmeter-Pfiff. Der Kontakt sei nicht stark genug gewesen, so Zwayer nach dem Spiel. Ausgerechnet Boateng gab anschließend zu Protokoll: "Den Elfmeter muss er pfeifen." Langeweile dürfte deswegen auch bei der WM nicht drohen.
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