Früher war nicht alles besser. Vor allem nicht die Technik! Doch der GameBoy, Nintendos tragbare Spielkonsole war eine Offenbarung. Mit dem "SmartBoy" will das kalifornische Unternehmen Hyperkin dieses Gefühl von damals aufs Smartphone holen. Wir haben uns das Smartphone-Spielzeug angeschaut.
Spielt Ihr auch lieber mit Controller und physischen Tasten als auf dem Touchscreen so wie ich? Dann aufgepasst: Mit dem SmartBoy von Hyperkin wird Euer Smartphone zum Game Boy samt klassischem Button-Layout. Wohlgemerkt: ohne offizielle Nintendo-Lizenz. Aber hey, schon beim Auspacken des Aufsteckzubehörs werden Erinnerungen an die frühen 1990er Jahre wach.
Die Verarbeitung
Die Idee hinter dem SmartBoy ist denkbar einfach. Auf der offiziellen Webseite dazu heißt es deshalb auch: "Start Playing in Seconds! Easy to install." Gleich vorweg: Ganz so einfach geht es dann doch nicht. Vielleicht liegt das daran, dass wir für unseren Test das Entwicklerkit benutzt haben und nicht die finale Verkaufsversion. Allerdings unterscheiden sich die beiden Versionen lediglich im Smartphone-Anschluss: Bei uns ist ein micro-USB-Port verbaut, die Retailversion funktioniert hingegen ausschließlich mit USB-C. Da der SmartBoy in erster Linie für das Samsung Galaxy S8 konzipiert war, liegt es nahe, warum die Erfinder auf USB-C setzen.
Optisch erinnert der SmartBoy an den grauen Klotz von Nintendo, bei dem das LC-Display gestrichen wurde. In das Gehäuse lassen sich Android-Smartphones zwischen 5,2 bis 6 Zoll einsetzen. Eine vierstufige, mechanische Arretierung soll für den nötigen Halt des Telefons sorgen. Unser Testgerät, das Nokia 6 (wegen des micro-USB-Anschlusses), hat nach rechts und links aber zu viel Spiel und sitzt unangenehm locker auf dem Anschluss. Das schlankere S8 hingegen passt gut in die Halterung und wird optimal eingeklemmt.
Auf der Rückseite des SmartBoy befindet sich ein Knopf zum Lösen der Scharniere sowie der altbekannte Cartridge-Slot, in dem sowohl Spiele des Game Boy als auch des Game Boy Color hineinpassen. Die links und rechts davon platzierten Schultertasten erinnern daran, dass Hyperkin ursprünglich auch den Game Boy Advance unterstützen wollte. Daraus ist zwar nichts geworden, ganz unnütz sind die Tasten aber nicht: Im Emulator lassen sie sich nämlich frei belegen.
Vorne finden sich die typischen Game-Boy-Tasten, A, B, Start, Select, und das Digitalkreuz. In Sachen Haptik überzeugt das Gadget auf jeden Fall. Die Buttons drücken sich gut und punktgenau, das Digitalkreuz schwimmt nicht im Gehäuse und hat kein unnötiges Spiel. Hier hat Hyperkin den originalen Game Boy nahezu perfekt imitiert.
Die Einrichtung …
… verlief alles andere als spielend leicht. Es gibt zwar ein Tutorialvideo des Herstellers, dennoch hat es uns mehrere Minuten gekostet, bis das Nintendo-Logo erstmals über das Display flimmerte. Zunächst einmal müssen nämlich zwei Apps installiert werden, damit das Smartphone zum SmartBoy wird. Die "SmartBoy"-App lädt dabei das eingesteckte Spiel temporär in den Speicher des Spiels. Um es anschließend auch spielen zu können, muss zusätzlich aber ein Emulator installiert sein, der die virtuelle Kopie auslesen kann. In unserem Fall war das die von Hyperkin vorgeschlagene "My OldBoy Free"-App.
Diese bietet neben der reinen Wiedergabe der Spiele ein paar Komfortfunktionen wie "Fast Forward" (also schnelles Vorspulen) und das Anlegen von Speicherständen zu jedem Zeitpunkt. Der Haken daran: Um die Spielstände später wieder laden zu können, benötigt Ihr die kostenpflichtige Vollversion von "My OldBoy". Dass Hyperkin keinen eigenen Emulator mit dem SmartBoy ausliefert, hat Vor- und Nachteile: So habt Ihr zwar die Möglichkeit, Euch selbstständig für den Emulator Eurer Wahl zu entscheiden, müsst aber, wie im Fall von "My OldBoy", mit weiteren Kosten rechnen, um alle Funktionen nutzen zu können.
Das Spielgefühl …
… ist tatsächlich erstaunlich authentisch. Wer nicht mit dem Game Boy aufgewachsen ist, wird die damit verbundene Nostalgie vermutlich kaum nachvollziehen können. Aber das klobige Stück Plastik spielt sich wie das Original. Und dank der modernen Hardware, die Smartphones so mit sich bringen, sehen die Game-Boy-Spiele auch gleich noch viel besser aus. Das Bild ist höher aufgelöst, die Kontraste stärker und dank der Hintergrundbeleuchtung des Telefons lässt sich der SmartBoy auch problemlos im Sonnenlicht sowie im Dunkeln nutzen. Dafür brauchte es früher tatsächlich einen Aufsatz mit eingebauten Lampen. Darüber hinaus koloriert die Software, also der Emulator, Spiele automatisch nach, sofern diese für den Game Boy Color oder Super Game Boy optimiert sind. Wie zum Beispiel "Donkey Kong Land 2". Gegenüber der monochromen (vier Graustufen) Darstellung auf dem 2,6 Zoll winzigen Display des Game Boy mit seinen 160 mal 144 Pixel (knapp 83 ppi) ist der SmartBoy dem Original klar überlegen.
Auch der Sound profitiert von der Leistung des Smartphones. Er klingt lauter, satter und sauberer aus dem Lautsprecher des Smartphones. Allerdings gibt es auch hier wieder ein nicht unerhebliches Manko: Die bei vielen Geräten unten platzierte Kopfhörerbuchse ist in Verbindung mit dem SmartBoy nicht mehr erreichbar. Alternativ bleibt nur der Umweg über Bluetooth-Kopfhörer, sofern die Umgebung nicht belästigt werden soll.
Auch der Wechsel eines Spiels ist mitunter genauso umständlich wie das Starten. Dafür muss das Smartphone aus dem SmartBoy gezogen, die beiden Apps geschlossen, das Spiel entfernt und anschließend das Telefon wieder in das Zubehör gesteckt werden. Erst dann erkennt die "SmartBoy"-App die neue Software und lädt das Image in den Speicher. Zieht Ihr das Modul im laufenden Betrieb raus, bekommt Ihr den Hinweis, dass die Nutzung einer Raubkopie ein Verbrechen darstellt. Das Spiel könnt Ihr erst wieder aufnehmen, sobald das Modul wieder im Gehäuse steckt.
Fazit
Der SmartBoy ist ein durchaus originelles Zubehör, dessen Test mir viel Freude bereitet hat. Vermutlich auch deshalb, weil ich als Kind mit dem Vorbild, dem Game Boy, gespielt habe und die physischen Tasten jeder Touchscreen-Eingabe bevorzuge, zumindest bei Spielen. Jüngere Smartphone-Nutzer denken möglicherweise anders darüber, da die Grafik bei vielen Game-Boy-Titeln nicht mehr zeitgemäß und die Einrichtung alles andere als Plug and Play ist.
Außerdem stellt sich die Frage, wer bereit ist, 50 Dollar für Zubehör auszugeben, wenn man das Original auf Flohmärkten oder online schon für weniger bekommt. Klar, der alte Game Boy hat ein schlechteres Display, schlechteren Sound und unstillbaren Batteriehunger. Andererseits stelle ich mal die These in den Raum, dass die wenigsten Interessenten noch Game-Boy-Spiele, aber keinen Game Boy mehr besitzen. Oder vielleicht doch? Für alle diejenigen, die auf einem Stapel alter GB-Module sitzen und sich schon die ganze Zeit über gefragt haben, was sie damit anstellen sollen, liefert Hyperkin mit dem SmartBoy die Antwort.