Ich nutze gerne Spotify. Und ich laufe gerne. Doch weil meine Apple Watch immer noch keine Offline-Funktion für den Musikstreamingdienst unterstützt, war ich extrem heiß auf Mighty. Der Quasi-iPod-shuffle verspricht, mich Musik ohne Internetverbindung und Smartphone hören zu lassen. So kann das Smartphone ausnahmsweise mal zu Hause bleiben. Vor wenigen Tagen landete das fertige Crowdfunding-Produkt auf meinem Schreibtisch. Ein Test.
Es gibt Produkte, die haben viele Zwecke. Wie mein iPhone zum Beispiel. Ich nutze es für Messaging, als Kamera und als smarten Assistenten. Und dann gibt es Technik, die nur einen Zweck erfüllen soll. So wie Mighty. Dessen Versprechen: Spotify offline ohne Smartphone hören. Ein Novum! Denn bislang brauchte es für den Musikstreamingdienst ein Smartphone, um die eigenen Playlists auch ohne Internetverbindung zu hören. Und Pebbles Core kam nach dem Kauf durch Fitbit nie auf den Markt.
Nach dem Test kann ich bestätigen: Mighty erfüllt diesen Zweck. Technisch ist das möglich, weil auf dem kleinen Kasten ein Linux-System läuft. Ursprünglich war ein Android-Setup geplant. Doch nach etlichen Abstimmungsrunden der Entwickler mit Spotify entschied man sich für Linux.
Die Hardware: iPod shuffle lässt grüßen
Davon merkt man als Nutzer nichts. Sowieso ist Mighty in der Benutzung kaum mehr als ein haptisches Interface: Play-Buttons, Lautstärke-Tasten und ein weiterer Knopf zum Switchen der Playlists – mehr gibt es nicht zu sehen. So ungefähr kennen wir das auch vom iPod shuffle, an dessen Design der Mighty erinnert. Die Druckpunkte sind gut gewählt, Mighty reagiert ohne große Verzögerung auf die Eingaben. Schweiß und Regen wehrt der Musikplayer problemlos ab, wasserdicht ist er nicht.
Audio-Feedback gibt es, wenn das Gerät mit Kopfhörern verbunden ist. Neben Bluetooth-Headphones funktionieren auch Kopfhörer mit Klinke. Über den Stecker wird Mighty auch über ein mitgeliefertes Kabel mit Strom versorgt, genau wie der iPod shuffle. Nach rund 40 Minuten ist das Device voll aufgeladen und bietet dann genug Energie für rund fünf Stunden Musikgenuss. Das ist nicht gerade viel für ein Gadget, das nur Musik abspielt und über keinerlei Display oder Lautsprecher verfügt. Stellt Euch also darauf ein, Euren Mighty nach spätestens zwei Läufen zur Sicherheit wieder aufzuladen.
Die Software: noch unfertig
Herzstück ist deswegen eine Companion-App. Sie stellt die Verbindung zwischen Eurem Spotify-Account und dem Musikplayer her. Gerade weil es sich um ein Crowdfunding-Projekt handelt, hatte ich mich innerlich schon auf eine halbfertige, fehlerbehaftete Software eingestellt. Doch sowohl das Erst-Setup als auch Hinzufügen von Bluetooth-Zubehör oder Verwalten von Playlisten funktioniert sauber. Nach dem Verknüpfen meines Spotify-Kontos bekam ich eine Übersicht meiner Playlisten. Wählte ich sie aus für die Übertragung auf den acht Gigabyte großen Festspeicher, zeigte mir die App grafisch und mit Prozentangaben an, wie viel Platz belegt wird. Über 1000 Songs passen auf das kleine Gerät. Nach rund 30 Minuten waren dann auch die mehreren hundert Songs übertragen. Das funktioniert übrigens nicht via Bluetooth, sondern über eine WLAN-Verbindung. Aus diesem Grund muss Euer Spotify-Benutzerkonto auch direkt mit der App verbunden sein.
Etwas Eingewöhnung erfordert die Bedienung anschließend ohne App. Ist das Gerät überhaupt eingeschaltet? In welcher Playlist bin ich gerade? Wie kann ich nochmal mehrere Songs überspringen? Das Team hinter Mighty hat sich dafür eine Reihe von Modi für die Benachrichtigungs-LED überlegt. Zudem sind mehrere Tasten doppelt belegt. Wer aufmerksam die Bedienungsanleitung liest, hat das schnell verinnerlicht. Über eine wichtige Funktion, die die Spotify-App auf Eurem Handy beherrscht, verfügt Mighty allerdings (noch nicht): den Shuffle-Modus. Aktuell kann das Gerät die Songs nur in der Reihenfolge abspielen, in der man sie in den Playlists hinterlegt hat. Warum dieses Feature nicht vom Start weg funktioniert, ist mir schleierhaft. Auch dass die App die Verbindung verliert oder nicht zulässt, wenn Mighty Musik abspielt, deutet nicht gerade auf eine saubere Programmierarbeit hin.
Probleme mit der Bluetooth-Verbindung
Etwas Geduld ist aber etwa dann gefragt, wenn man zuvor Bluetooth-Kopfhörer mit Mighty gekoppelt hat und nun, etwa für einen Lauf, gemeinsam einschaltet. Da kann es mitunter dauern, bis nach knapp einer Minute das gewünschte "Headphones connected" ertönt. Und damit sind wir auch schon beim einzigen Schwachpunkt, den ich bei Mighty feststellen konnte: die Bluetooth-Verbindung. Denn ich habe mir das Gadget in erster Linie angeschafft, um beim Sport auch mal das Smartphone zu Hause zu lassen. Schließlich kann ich alle wichtigen Daten mit meiner Apple Watch tracken. Für maximale Bewegungsfreiheit nutze ich dann aber gerne kabellose Kopfhörer.
Mighty kam dann im Test mit dem Clip auf der Rückseite an den Bund der Laufhose. Doch offenbar reichte die Distanz von der Hüfte zum Kopf schon aus, dass es alle paar Sekunden zu akustischen Aussetzern kam. So hielt ich nach kurzer Zeit den Knirps in der Hand. Alternativ hätte ich ihn mir an den Kragen clippen müssen. Zur Info: Ich nutze die Plantronics Backbeat FIT, die bislang nie Aussetzer in Verbindung mit Smartphones produzierten. Verbunden mit anderen Bluetooth-Kopfhörern von JBL kam es zu weniger Sound-Aussetzern. Ganz problemlos funktionierte die Verbindung dennoch nicht. Und dass, obwohl ich mich vom Schreibtisch nicht wegbewegte.
Fazit: guter erster Wurf mit Kinderkrankheiten
Beim Einsatz von kabelgebundenen Kopfhörern gibt es nichts auszusetzen. Und so ist mein Eindruck durchwachsen: Mighty füllt eine Lücke und sorgt dafür, dass ich mein Smartphone beim Laufen nicht am Arm tragen muss. Doch die App ist noch buggy, die Doppelbelegung von Tasten und unterschiedlichste LED-Modi sind nicht gerade intuitiv. Auch die Probleme bei der Bluetooth-Verbindung und die durchschnittliche Akkulaufzeit schmälern meine anfängliche Begeisterung. Bleibt zu hoffen, dass künftige App-Updates diese Mankos ausbessern. Bekommt das Mighty-Team diese Kinderkrankheiten ausgemerzt, lohnen sich die 85 Dollar für all jene, die maximal wenig Technik beim Sport mitschleppen wollen.