Schon seit über einem Jahr sorgt der Handelsstreit zwischen USA und China dafür, dass Huawei die Google-Dienste nicht mehr nutzen kann. Anstatt eines Aufatmens erreichten uns in der vergangen Zeit aber Gerüchte und Neuigkeiten, die eine weitere Verschärfung andeuten. Das verunsichert sicherlich viele Nutzer. Wie es für die große Smartphone-Marke weitergeht, haben wir in einem Interview mit Huawei angesprochen.
Für unsere Fragen hat sich William Tian Zeit genommen, der als Country Head Consumer Business Group Huawei Deutschland für den chinesischen Hersteller tätig ist. Dabei liefert er interessante Einblicke in den IST-Status sowie einen Blick in die Zukunft. Einigen Fragen ist Herr Tian jedoch ausgewichen. Aber lest selbst.
Huawei ohne Google: So hat Deutschland die Veränderung angenommen
Besonders im Westen sind Android-Nutzer die Google-Dienste gewohnt. Annahme: Ohne Google Maps und Co. könnten sich Geräte wie das Huawei P40 Lite und das P40 Pro hierzulande schlechter als zuvor verkaufen.
Einen Hinweis auf das Gegenteil könnte hier die Meldung sein, dass Huawei im zweiten Quartal 2020 der weltweit größte Smartphone-Hersteller war und mehr abgesetzte Geräte als die Konkurrenz verzeichnen konnte (mittlerweile wurde das Unternehmen jedoch wieder vom Spitzenplatz abgelöst). Allerdings geht hieraus nicht hervor, wie sich die Verkäufe in Deutschland entwickelt haben.
"Wir sind erst am Anfang einer spannenden Reise"
Wie sich das Fehlen der Google-Dienste am deutschen Markt bemerkbar macht, hat William Tian nicht explizit beantwortet. Seine Worte implizieren jedoch, dass Huawei-Smartphones hierzulande auch ohne die Dienste beliebt sind und die Veränderung gut angenommen wurde:
"Die Vorzeichen haben sich geändert, aber unsere Ziele sind dieselben: Wir wollen den Alltag unserer Kunden erleichtern und Menschen verbinden. Trotz einiger Herausforderungen wird unser Weg mit dem Aufbau der HUAWEI Mobile Services (HMS) in Deutschland bereits gut angenommen – und wir sind erst am Anfang einer spannenden Reise. ", antwortet Herr Tian auf unsere Frage.
Die HUAWEI Mobile Services sind quasi der Ersatz für die fehlenden Google-Dienste. Hierzu gehört auch die AppGallery, die für den nicht vorhandenen Google Play Store einspringt. Und diese hauseigene Google-Alternative kommt offenbar gut an. Da Herr Tian keine konkreten Zahlen genannt hat, geht hieraus jedoch nicht hervor, ob sich die Verkaufszahlen speziell in Deutschland nach dem Android-Stopp zum Positiven oder Negativen entwickelt haben.
AppGallery: So gut entwickelt sich der App Store von Huawei
Bleiben wir bei der AppGallery: Ein fehlender Google Play Store bedeutet auf den ersten Blick, dass ihr auf viele Programme verzichten müsst. Oder auch nicht? Offenbar holt der Huawei-Dienst hier kräftig auf. Schon über 420 Millionen Nutzer kann der Store verzeichnen – immerhin sind viele beliebte Programme hier schon vorhanden.
"Schon heute haben wir 64 der TOP 100 der hierzulande relevanten Apps direkt in unsere Plattform integriert."
Und sollte etwas nicht vorhanden sein, könntet ihr es vielleicht über die Huawei Suchfunktion finden. Die Suchleiste durchwühlt weitere Stores (und die AppGallery selbst), wo ihr dann etwa auch Google Chrome findet. Tian zufolge wandern aber immer mehr bekannte Apps auch direkt in die AppGallery:
"Nicht nur weltweit, auch lokal in Deutschland wächst die Zahl der Apps rasant: Schon heute haben wir 64 der TOP 100 der hierzulande relevanten Apps direkt in unsere Plattform integriert. Ganz aktuell sind dies unter anderem Sky Go, DAZN und Finanzblick.", beschreibt Tian die jüngsten Entwicklungen im Store. Die Bandbreite an verfügbaren Apps soll sogar täglich wachsen. Klar: Noch ist das Angebot von Play Store und AppGallery längst nicht identisch. Doch es tut sich was.
Smartphone- und App-Updates: So sieht die Zukunft aus
Updates für Programme über AppGallery
Immer mehr Programme wandern also in die AppGallery. Doch wie steht es um die Updates? Müssen Huawei-Nutzer hier länger warten? Oder kommen neue Aktualisierungen zeitnah zur Veröffentlichung im Google Play Store? Auch hier haben wir William Tian gefragt. Hier sind in erster Linie die Entwickler gefordert, wie aus seiner Antwort hervorgeht:
"Das liegt nicht in unseren Händen, das hängt von den Entwicklern der jeweiligen Apps ab. Wir arbeiten jedoch eng mit ihnen zusammen, um dies künftig gewährleisten zu können."
Aktualisierungen für Huawei-Smartphones
Eine große Frage vieler Nutzer ist sicherlich, wie es mit Android-Updates für Huawei-Smartphones weitergeht. Für Verwirrung sorgt hier etwa das Auslaufen der letzten 90-Tage-Lizenz.
Diese Meldung hat Tian uns gegenüber aber nicht offiziell bestätigt. Wir haben ihn gefragt, wie es künftig um Aktualisierungen steht. Und die offizielle Ansage bleibt bestehen:
"...selbstverständlich gilt unser Zukunftsversprechen weiterhin! Damit garantieren wir, dass all unsere Endgeräte, Sicherheits- und Softwareupdates bekommen – egal ob es sich um Geräte mit Google Mobile Services oder HUAWEI Mobile Services handelt.", heißt es in der Antwort.
Das wollten wir dann noch einmal genauer wissen. Nach der weiterhin mit Android 10 als Grundlage werkeln werden. Denn konkret war bislang noch keine Rede von einem Update auf Version 11.
"HUAWEI-Nutzer können auch in Zukunft Apps herunterladen und erhalten den gewohnten Kundenservice."
Eine klare Antwort hierzu haben wir leider nicht erhalten. Rollouts von Software- und Sicherheitsupdates sollen weiterhin stattfinden, heißt es lediglich. Ob Android 11 kommt, bleibt also weiterhin offen. Hier die komplette Antwort von William Tian:
"Wir versichern jedem Kunden und Nutzer von HUAWEI-Geräten, dass Softwareupdates und Sicherheitspatches weiterhin ausgerollt werden, so wie es bisher der Fall war. Dies gilt für alle Smartphones und Tablets, unabhängig ob sie bereits verkauft wurden, solche die sich im Verkauf befinden oder auf Lager sind. HUAWEI-Nutzer können auch in Zukunft Apps herunterladen und erhalten den gewohnten Kundenservice."
Kommen Huawei-Alternativen zu Google Maps und Co.?
Wir wissen bereits, dass die Huawei Mobile Services immer weiter ausgebaut werden und die Google-Dienste ersetzen. Doch wie steht es um beliebte Apps wie Google Maps oder gar den Google Assistant?
"Google Maps lässt sich wie gewohnt auch auf Smartphones und Tablets von HUAWEI nutzen."
Klar ist: Nicht für alle bekannten Google-Programme sind offenbar Alternativen geplant – zumindest aktuell. Denn aus der Antwort von Tian geht hervor, dass dies gar nicht nötig sei:
"Google Maps lässt sich wie gewohnt auch auf Smartphones und Tablets von HUAWEI nutzen – ganz einfach über den Browser. Es gibt [außerdem] zahlreiche Alternativen. Ich persönlich nutze zum Beispiel die App HERE WeGo, wenn ich mich in einer fremden Stadt zurechtfinden muss. Darüber hinaus kooperieren wir auch mit TomTom. Der HUAWEI Assistant Today ist eine smarte Alternative [zum Google Assistant] und wurde erst kürzlich mit dem Red Dot Design ausgezeichnet."
An dieser Stelle fügen wir hinzu: Tatsächlich lassen sich Links zu Webseiten auf Huawei-Handys direkt auf den Startbildschirm legen. So könnt ihr mit einem Tipper nicht nur Google Maps, sondern auch Google Mail starten – nur eben im Browser. Getestet auf einem Huawei P40 Pro.
Schluss mit hauseigenen Chipsätzen und das Ende der 90-Tage-Lizenz?
Im Jahr 2020 ging durch die Medien eine Nachricht, die ein großes Problem ankündigen könnte: Aufgrund des Handelsstreits zwischen China und USA kann Huawei offenbar seine eigenen Kirin-Chips nicht mehr produzieren lassen, die zahlreiche Smartphones des Herstelllers antreiben. Auch hiermit haben wir William Tian konfrontiert. Leider wollte er sich hierzu nicht äußern. Denn bei dieser Info handelt es sich bislang nur um ein Gerücht – offiziell hat Huawei die Situation noch nicht bestätigt.
Gleiches gilt für unsere Frage danach, wie es nach Ablauf der 90-Tage-Lizenz weitergeht – ebenfalls ein Thema, das sehr präsent in den Medien war. Auch diese Entwicklung klassifiziert Tian als Gerücht oder Spekulation. Statt einer Antwort auf unsere Frage bekamen wir einen Satz, den Huawei seit vielen Monaten immer wieder in den Vordergrund stellt:
"Wir halten an unserem Zukunftsversprechen fest, für unsere Kunden bleibt alles wie es war."
Was wir nun wissen – und was nicht
Im Interview mit William Tian wurden mehrere Dinge deutlich: Huawei hält weiterhin an bisherigen Versprechen fest und baut das eigene Angebot an Apps und Diensten kontinuierlich aus. Was wir aber auch erfahren haben: Das chinesische Unternehmen lässt sich hierbei kaum in die Karten schauen.
Ein mögliches Ende der Kirin-Produktion oder ein ausbleibendes Update auf Android 11 sind Themen, über die Huawei sich noch ohne Kommentar ausschweigt. Diese möglichen Probleme sind aus offizieller Sicht nur Gerüchte und was zählt, ist das bestehende Zukunftsversprechen.
Gerade mit Blick auf die offene Frage nach dem Android-11-Update kommt uns nur eine Sache in den Sinn: Versprechen sollte man nicht brechen. Ohne eine klare Antwort bleibt uns hier aber nur der Blick nach vorne. Denn für das Jahr 2020 steht auch noch die Präsentation des Huawei Mate 40 aus (das erst 2021 nach Deutschland kommen könnte). Womöglich spart sich der Hersteller die Antworten auf einige kritische Fragen noch bis dahin auf oder arbeitet noch an den dazugehörigen Lösungen.