Nach den Quartalszahlen ist vor den Quartalszahlen. Kaum ist der Rauch des beeindruckenden letzten Quartals des Apple-Geschäftsjahrs 2014 verzogen, richten sich die Blicke auf das, was kommt: Apples größtes Quartal aller Zeiten. Das nämlich legt der eigene Ausblick nahe.
Was für einen Unterschied ein Jahr machen kann. 12 Monate ist es her, dass Tim Cook einen Gewinnrückgang von 9 Prozent als Erfolg feierte. In gewisser Weise war er das auch: In den Vorquartalen musste der seinerzeit immer noch wertvollste Konzern der Welt immerhin einen Gewinnrückgang von 22 Prozent, 18 Prozent bzw. 5 Prozent eingestehen – viermal in Folge ging es abwärts. An der Börse fiel Apples Aderlass noch massiver aus – die Aktie halbierte sich fast.
Die Annahme der Wall Street war offenkundig: Apple musste mehr umsetzen, um weniger zu verdienen – die Gewinnmarge, seit Jahren das wohl am besten gehütete Heiligtum der Apple-Bilanz, geriet deutlich unter Druck. Analysten schwante Böses: Das iPhone, Apples Lebensversicherung, schien auf Dauer weder die extrem hohen Durchschnittsverkaufspreise halten zu können noch für die immer günstigeren Angebote der Konkurrenz aus Fernost gewappnet zu sein.
Apple trotzt dem Markttrend und verdient wieder mehr am iPhone
12 Monate später befindet sich Apple wieder in der besten aller Welten: Nachdem die Nettogewinne im Weihnachtsquartal unverändert bei 13,1 Milliarden Dollar stagnierten, gelang dem iPhone-Hersteller in der Folge die Trendwende – die Nettogewinne zogen wieder um 7 Prozent, um 11 Prozent und nun um 13 Prozent an. Begünstigt durch die Aktienrückkäufe legten die Gewinne je Aktie unterdessen gar um 5, um 15, um 19,7 und nun um 20,3 Prozent zu. In anderen Worten: Das Wachstum ist nicht nur 2014 zurückgekehrt – es beschleunigt sich auch von Quartal zu Quartal!
Mit dem iPhone 6 ist Apple zudem aus dem Stand der erfolgreichste Launch aller Zeiten gelungen. Mehr noch: In einer Welt, in der der Trend zu immer günstigeren Smartphones geht, ist Apple durch die gewiefte Speicherplatz-Verteilung, die zumindest den Kauf eines 100 Dollar / Euro teureren iPhones mit 64 GB Speicher begünstigt, als auch mit dem noch mal 100 Dollar/Euro teureren iPhone 6 Plus das Kunststück gelungen, den Durchschnittsverkaufspreis erneut zu steigern! Mit zuletzt 602 Dollar erlöst Apple inzwischen mehr als doppelt so viel pro Smartphone wie Samsung.
Rekordjahr 2012 dürfte überboten werden
In Verbindung mit den stärksten Mac-Absätzen aller Zeiten, der Hoffnung auf ein iPad-Comeback durch die IBM-Kooperation, der Apple Watch und Apple Pay als zukünftige Joker, steht Apple zu Beginn des neuen Geschäftsjahrs plötzlich wieder so gut da wie nie. Das scheinen auch Anleger zu realisieren, die die Apple-Aktie knapp zwei Monate nach dem jüngsten Hoch nunmehr heute auf neue Allzeihochs schickten.
Die alten Rekorde aus dem Jahr 2012 dürften in den kommenden zwölf Monaten endgültig auch netto pulverisiert werden. Nach 39,5 Milliarden Dollar im abgelaufenen Geschäftsjahr erscheint die Rekordmarke aus 2012, als Profite in Höhe von 41,7 Milliarden Dollar in die Geldspeicher nach Cupertino wanderten, mit dem Rückenwind des iPhone 6 erreichbar.
Starker Ausblick aufs Weihnachtsgeschäft
Zum ganz großen Indikator des angebrochenen neuen Geschäftsjahres wird naheliegenderweise das wichtige Weihnachtsquartal. Auch wenn Tim Cook seit eineinhalb Jahren keine Gewinnprognosen mehr im Ausblick abgibt, legt der Umsatzausblick nahe, dass Apple vor dem besten Quartal seiner 38-jährigen Firmengeschichte steht.
Was können Apple-Aktionäre nun erwarten? Die Umsatzspanne von 63,6 bis 66,5 Milliarden Dollar legt einen Umsatzanstieg von 10 bzw. 15 Prozent nahe. BTIG-Analyst Walter Piecyk errechnet daraus einen Anstieg des Gewinns je Aktie von 12 bis 24 Prozent, während Horace Dediu ein Gewinnplus am oberen Ende der Spanne voraussagt: „Sie haben in den letzten zwei Quartalen um 20 Prozent zugelegt, und es sieht so aus, als sollten sie das auch mindestens im laufenden Quartal.“
Wall Street hat 20 Prozent-Gewinnanstieg bereits eingepreist
Damit scheinen sich die von Staranalystin Katy Huberty bereits vor Monaten getätigten Einschätzungen fast auf die Kommastelle zu bestätigen. Die Wall Street hat dieses Szenario mit einer Gewinnschätzung von 2,49 Dollar je Anteilsschein für das Weihnachtsquartal (20 Prozent Plus), aber auch für das Gesamtjahr mit 7,62 Dollar je Aktie (18,5 Prozent Plus) bereits eingepreist.
Ist noch mehr drin? Alles hängt weiterhin am iPhone. Aktuell rechnet die Wall Street mit rund 60 Millionen verkauften iPhones, die pro verkaufte Million Einheiten einen Anteil von 0,03 Dollar am Konzerngewinn beisteuert. 5 Millionen mehr verkaufte iPhones, die wohl das obere Ende der Erwartungen darstellen, würden demnach nur mit zusätzlich 0,15 Dollar zum Gesamtergebnis beitragen können.
2015 wird es für Apple schwerer, erneut zu überraschen
Mit anderen Worten: Obwohl sich Apple aktuell nach einem starken September-Quartal und sehr wahrscheinlich noch stärkeren Dezember-Quartal in bester Verfassung befindet, scheint ein Großteil der Erwartungen bereits eingepreist. Nach einem Jahr, in dem Tim Cook die Scharte des Vorjahres auswetzt, zurück in den Wachstumspfad fand und mit dem iPhone 6 das mutmaßlich erfolgreichste Produkt seiner Historie auf den Weg brachte, wird es also für den Kultkonzern aus Cupertino künftig noch schwerer zu überraschen.
Was bei neuen Allzeithochs und der Begeisterung vor dem besten Weihnachtsgeschäft aller Zeiten kaum diskutiert wird, ist die Zeit nach dem iPhone 6-Boom. Spätestens Ende Januar, wenn der Ausblick auf das zweite Quartal fällig wird und sich der Blick auf das Produktjahr 2015 richtet, wird die Frage aufkommen, ob sich das Wachstum mit dem iPhone 6s und mutmaßlich 6s Plus so einfach fortsetzen lässt – oder ob das iPhone 6 nicht den letzten großen Upgrade-Zyklus für Apple einläutete…