Das Warten geht in die finale Kurve: Zwei Monate noch bis zum iPhone – drei bis vier Monate bis zur iWatch. Doch Fragezeichen bleiben. Fanboys fragen sich: Wird Apple das große iPhone-Phablet und die iWatch noch pünktlich zum Weihnachtsgeschäft ausliefern? Analysten und Aktionäre beschäftigt unterdessen eine andere Frage: Wie viele Exemplare der iWatch kann Apple im ersten Jahr eigentlich verkaufen?
Ming-Chi Kuo hat derzeit nicht viele gute Nachrichten für Apple-Fans. Am Wochenende schockte der KGI Securities-Analyst Anhänger des Kultkonzerns aus Cupertino mit der Nachricht, dass sich die Auslieferung der großen iPhone 6-Version wegen Produktionsschwierigkeiten verzögern könnte – möglicherweise sogar bis 2015.
Wenige Tage zuvor hatte Ming-Chi Kuo bereits einen anderen terminlichen Dämpfer verteilt: Auch der Launch der iWatch könne sich etwas länger ziehen als erwartet, warnte der gewöhnlich KGI Securities-Analyst Apple-Fans vor Enttäuschungen. Der Grund für die Anpassung der eigenen Prognose ist offenbar in erster Linie in der Hardware geschuldet, deren Produktion sich schwieriger gestalte als zunächst angenommen.
Es gibt viele Argumente für die iWatch...
Die iWatch soll ein und einen neuen Chip enthalten, sagen einige Prognosen. In der Diagonalen soll die iWatch 2,5 Zoll messen und sich leicht vom Armband abheben, besagen wieder andere Spekulationen, nach denen sich eine insgesamt gebogene Form der iWatch ergebe.
Das erste Wearable von Apple soll sich kabellos aufladen lassen und wie erwartet über ein Touch-Interface bedient werden, war ebenfalls zuletzt zu hören. Dass die iWatch stylisch aussehen dürfte und alleine durch ihre Unmittelbarkeit am Handgelenk zum ultimativen Freundschaftsband für Apple-Fans wird, sind andere, emotionalere Argumente für Apples Wearable.
...doch wie gut verkauft sich Apples Wearable?
Allein: Wie wird sich Apples erstes neues Produkt seit viereinhalb Jahren verkaufen? Das ist die Multimilliarden-Dollar-Frage, über die Analysten seit Monaten rätseln. Die Kaffeesatzleserei könnte nicht weiter auseinander liegen. Apple selbst soll seine Produktion mit etwa 50 Millionen Stück im ersten Geschäftsjahr angesetzt haben, war zuletzt zu hören – eine Größenordnung, die für ein komplett neues Produkt durchaus etwas hoch gegriffen erscheinen könnte.
Die Investmentbank UBS sagte vor Kurzem Absätze in Höhe des ersten Verkaufsjahres des iPad voraus – das wären rund 20 Millionen Einheiten. Entscheidender Faktor naheliegenderweise: der Preis. Piper Jaffray-Analyst Gene Munster, seit über einem Jahrzehnt der wohl profilierteste Apple-Beobachter der Wall Street, mahnte zuletzt an, dass die altbekannte Premium-Preispolitik Apple im Absatzpotenzial einmal mehr beschränken könnte. Munster geht davon aus, dass die iWatch für stolze 350 Dollar in den Handel kommt.
Katy Huberty: Apples Markenbindung ausschlaggebender Erfolgsfaktor der iWatch
Etwas tiefer setzt Katy Huberty den Preis an – nämlich bei 300 Dollar. Auf dieser Basis rechnet die gewöhnlich prognosesichere Morgan Stanley-Staranalystin mit einem überwältigenden Erfolg aus dem Stand, wie aus ihrer gestern veröffentlichten Studie hervorgeht.
"Apples integriertes Ökosystem aus Hardware, Software und Internet-Diensten ist verzahnter als viele denken", erklärt Huberty. Anhand ihres AlphaWise-Trackers hat die Morgan Stanley-Analystin bereits in der Vergangenheit extrem genaue Vorhersagen über den iPhone-Absatz getroffen.
Ihre These: Es sind die Kunden-Loyalität und das "Halo Effect" der bestehenden Produkte, die Apple-Fansboys und - girls zu willigen iWatch-Käufern machen würde. Mit einer "Markenloyalität" von 90 Prozent liegt Apple deutlich vor der Konkurrenz - und das in steigendem Maße.
Absatz von 60 Millionen im ersten Jahr drin
Nach Einschätzung von Huberty lässt sich die Markentreue in 30 Millionen iWatch-Verkäufe im ersten Geschäftsjahr übersetzen – bei einem Verkaufspreis von 300 Dollar. Das ist das Basis-Szenario, nach dem Huberty die Apple-Aktie in den kommenden 12 Monaten auf 110 Dollar je Anteilsschein steigen sieht.
Doch es könnte auch besser kommen: Im Bestcase-Szenario prognostiziert Huberty gar 60 Millionen verkaufte iWatches im ersten Geschäftsjahr – und damit so viel wie bisher kein anderer Analyst. Die Apple-Aktie würde binnen der nächsten 12 Monate nach diesem Käuferansturm bis auf 132 Dollar emporschießen, mutmaßt die Morgan-Stanley-Analystin.
Apple müsste über 360 Millionen iWatches pro Jahr verkaufen, um das iPhone zu ersetzen
Doch welchen Einfluss wird die iWatch auf Apples Konzernbilanz tatsächlich haben? Bekanntermaßen ist das iPhone, das alleine mehr als 60 Prozent am Umsatz ausmacht und sogar 70 Prozent der Gewinne einspielt, Apples Lebensversicherung, die jedoch nun schon ins achte Jahr ihres Lebenszyklus geht. Entsprechend groß ist der Druck auf Tim Cook, eine neue Produktkategorie zu erfinden, die ein Ende des iPhone-Wachstums mittelfristig ausgleichen kann – das iPad wurde dem Anspruch bekanntermaßen nicht gerecht.
Etwa 180 Millionen iPhones könnte Apple dieses Geschäftsjahr, das in zweieinhalb Monaten zu Ende geht, absetzen – 2015 werden die Verkäufe deutlich über der 200 Millionen-Marke erwartet. Bei einem Durchschnittsverkaufspreis von knapp 600 Dollar pro iPhone würde Apples Kultsmartphone dieses Jahr allein unglaubliche 108 Milliarden Dollar einspielen – bei erwarteten Gesamtumsätzen von 180 Milliarden Dollar (60 Prozent Umsatzanteil).
Bei 60 Millionen verkauften iWatches gerade mal 10 Prozent zusätzlicher Umsatz
Um jemals in die Größenordnung vorzustoßen, die in den kommenden 12 bis 15 Monaten nach dem iPhone 6-Rollout weiter wachsen dürfte, müsste die iWatch gigantischer als jedes Gadget zuvor einschlagen. Macht bei einem Verkaufspreis von 300 Dollar nach einfachen Grundrechenarten: 360 Millionen abgesetzte Apple-Smartwatches.
Angesichts dieser Dimensionen erscheint Katy Hubertys Prognose von 60 Millionen Stück im ersten Jahr – das wären 15 Millionen pro Quartal – weniger atemberaubend als sie auf den ersten Blick aussieht. Apple hätte eine neue Erlösquelle in Höhe von 18 Milliarden Dollar erschlossen - das wäre 2015 nicht mal ein Zehntel des Gesamtumsatzes.
Um Apple als Wearable-Konzern neu zu erfinden, müsste die iWatch also zum größtmöglichen Erfolg in der Geschichte der Technologiebranche avancieren. So oder so: Für die noch junge Smartwatch-Industrie wird Apples iWatch in jedem Fall der "Make-or-Break"-Moment.