Die Entscheidung, die für oder wider einen Kopfhörer ausfällt, hängt mitunter von unscheinbaren Details ab. Im Fall von Blues Duo Sadie und Ella ist diese vor allem eine Frage der Hörgewohnheit – und des Geldbeutels.
Am ehesten könnte man Blue Microphones, die ihre Produktausrichtung schon im Namen tragen, durch das Yeti-Mikrofon kennen. Allerdings entwickelt der Audio-Experte nicht nur Aufnahmegeräte, sondern seit einiger Zeit auch Kopfhörer. Zwei davon haben wir uns im Vergleich angeschaut: Sadie und Ella.
Eins in Form und Design
Ihrer Gestalt nach könnten sich Ella und Sadie nicht ähnlicher sein. Lediglich die Farbe der Verschalung und der Gelenke gibt Auskunft darüber, mit welchem Modell man es zu tun hat. Die grundlegende Abweichung voneinander findet sich im Inneren, aber dazu später mehr. Denn schon das Design der Kopfhörer gibt sicherlich Anlass zur Diskussion.
Immerhin bleibt sich Blue in der Formgebung aber treu: Auch alle anderen Blue-Kopfhörer setzen auf die eigenwillige Scharnier-Konstruktion. Ich zumindest – und einige Redaktionskollegen – brauchte eine Weile, um mich an die Optik zu gewöhnen. Privat würde ich damit auch weiterhin nicht auf die Straße gehen. Nicht etwa aus Eitelkeit, sondern weil die Over-Ears sehr sperrig und schwer sind. Die Sadie wiegen 444 Gramm, die Ella sogar 481 Gramm. Darüber hinaus vermisse ich, die Ohrmuscheln nach innen drehen zu können, um sie bei Nichtnutzung ungestört um den Hals zu tragen.
Der Leitsatz "form follows function", der bei der Designfindung zweifelsohne eine zentrale Rolle gespielt haben dürfte, bringt neben der streitbaren Optik aber auch ein paar sinnvolle Entscheidungen mit sich. Besonders hervorzuheben ist das stufenlose Gleiten der Scharniere. Die Kopfhörer sitzen immer akkurat und symmetrisch auf dem Kopf. Außerdem sorgen die Federgelenke jederzeit für festen Halt, ohne Druck auf die Ohren auszuüben. Trotzdem die Anmerkung: Während ich die Kopfhörer problemlos über zwei, drei Stunden am Stück tragen konnte, musste meine Kollegin sie bereits nach kurzer Zeit wieder absetzen. Die weichen, aber dennoch großen Ohrpolster drückten bei ihr zu stark auf den Kiefer.
Der Klang macht den Unterschied
Kommen wir zum Wesentlichen: dem technischen Unterschied. Bei den preisgünstigeren, aber immer noch knapp 400 Euro teuren Sadie hat Blue dynamische 50-mm-Treiber in die Ohrmuscheln verbaut. Bei den mit 700 Euro erheblich kostspieligeren Ella kommt hingegen die seltener verbaute Planar-Magnetic-Technologie zum Einsatz.
Während dynamische Treiber derzeit die am weitesten verbreitete Treiber-Technologie bei Kopfhörern ist, ist die aufwendigere magnetostatische (Planar Magnetic) Schallerzeugung vor allem bei Musik-Connaisseuren beliebt. Obwohl beide Verfahren die Akustik durch magnetische Schwingungen erzeugen, liefert letztere durch die filigrane Membran (gegenüber einer Schwingspule bei dynamischen Treibern) ein akzentuierteres Klangbild mit wesentlich weniger Verzerrungen.
Allerdings bringt dieses Verfahren auch Nachteile mit sich: Zum einen eignen sich Kopfhörer mit Planar-Magnetic-Technologie eher für mittel- und hochtönige Stücke, da der Bass nicht so stark drückt. Zum anderen wirkt sich die Entscheidung für Kopfhörer mit magnetostatischen Treibern auf den Preis aus. Immerhin kosten die Ella fast doppelt so viel wie die Sadie. Und obschon die Ella einen unvergleichlich sauberen Sound liefern, ist der Unterschied nur im direkten Vergleich hörbar. Die dynamischen Treiber der Sadie überzeugen hingegen auch bei Tieftönern, fallen dafür aber insgesamt etwas schwerfälliger aus. An die akustische Transparenz der Ella reichen die Sadie dadurch zwar nicht heran, eignen sich dafür aber wieder besser als Allrounder.
Obwohl sich die beiden Kopfhörer optisch nicht voneinander unterscheiden, sind die Anwendungsszenarien dennoch klar definiert: Ella richtet sich in erster Linie an Musikliebhaber, die Wert darauf legen, einzelne Instrumente eindeutig wahrnehmen zu können und sich gerne in Details verlieren. Sadie bietet nicht ganz so viele akustische Nuancen bei einzelnen Stücken, ist dafür aber für alle Genres geeignet. Während ich mich im Büro eher für letztere entscheiden würde, komplettiert Ella das heimische Soundsystem samt Plattensammlung, weil letzten Endes auch die Soundquelle über die Wiedergabe-Qualität entscheidet.
Mehr Bass dank integriertem Verstärker
In beide Kopfhörern hat Blue zudem einen Verstärker verbaut, der sich über drei Stufen direkt am Kopfhörer einstellen lässt. Im Passiv-Modus bleibt der Verstärker aus, benötigt dafür aber auch keinen Strom aus dem ebenfalls verbauten Akku. Je nach Lautstärke hält dieser bis zu zwölf Stunden und wird per micro-USB aufgeladen. Bei aktiviertem Verstärker leuchten die perforierten Blue-Embleme auf den Ohrmuscheln weiß. Fällt der Akku unter 15 Prozent, fangen sie an zu blinken. Neben einer klassischen Verstärkerfunktion, die das Volumen insgesamt anhebt, fokussiert sich der "On+"-Modus vornehmlich auf die tiefen Töne. Davon profitieren auch die Bässe bei den Ella-Kopfhörern. An die Qualität einer externen Endstufe reichen sie freilich nicht heran. Dafür liegt beiden Kopfhörern ein Adapter von 3,5 mm auf eine 6,3-mm-Stereoklinke bei, um sie eben auch an einer vollwertigen Stereo-Anlage nutzen zu können.
Fazit
Es fällt mir schwer, mich hier klar zu positionieren und eine eindeutige Empfehlung auszusprechen. Ich habe beide Kopfhörer lange ausprobiert und in beiden Fällen das akustische Erlebnis genossen. Wäre es eine Vernunftentscheidung, würde ich wohl die preisgünstigeren Sadie bevorzugen. Sie überzeugen im Klang und haben nur im direkten Vergleich das Nachsehen. Darüber hinaus ist der Sadie aufgrund seines dynamischen Treibers vielseitiger und genre-übergreifend einsetzbar. Wer stattdessen zum Ella greift, sollte sich bewusst sein, dass der warme, lebendige Klang prinzipiell zwar ebenfalls mit jeder Musikrichtung harmoniert, bei basslastigen Stücken aber schwächelt.
Übrigens: Beide Kopfhörer verzichten auf eine Antischall-Funktion (Active Noise Cancellation). Wer den Hörgenuss dennoch lieber nach draußen verlagern will, sollte sich auf reichlich Nebenakustik einstellen – oder stattdessen zu den kabellosen Blue Satellite mit ANC greifen.