Ist 'gut' wirklich gut genug? Diese Frage beschäftigt Apple-Aktionäre heute in exakt einer Woche, wenn der wertvollste Konzern der Welt seine mit Spannung erwartete Bilanz für das Weihnachtsquartal vorlegt. Klar ist: Es werden Rekordzahlen. Aber wird es auch das größte Quartal der Wirtschaftsgeschichte? Am Ende hängt fast alles an einer einfachen Frage: Wie viele iPhones konnte Apple absetzen?
Eine Woche noch, dann sprechen endlich die Zahlen. Seit inzwischen mehr als vier Monaten sind die neuen iPhones auf dem Markt – es ist jetzt schon klar, dass sich das iPhone 6 und iPhone 6 Plus vom Start weg so gut verkaufen wird wie kein Vorgängermodell.
Weil Apple weiterhin den Löwenanteil seiner Umsätze und Gewinne – 60 bis 65 Prozent dürften es sein – mit seinen Kult-Smartphones erzielt, ist klar, dass der Dreimonatszeitraum von Anfang Oktober bis Ende Dezember zum erfolgreichsten Quartal in der 39-jährigen Firmenhistorie des Computerpioniers werden wird – boomende Mac-Verkäufe hin, nachgebende iPad-Absätze her.
Knackt Apple die 70 Millionen-Marke?
51 Millionen iPhones verkaufte Apple in der Vergleichsperiode vor 12 Monaten – wesentlich mehr werden nun erwartet. Die alles entscheidende Frage lautet nur: Wie viel mehr? Analysten haben sich in den vergangenen Monaten um die Nachkommastelle einen Prognosewettbewerb geliefert, wie viele iPhones Apple denn nun tatsächlich im wichtigsten Quartal des Jahres abgesetzt hat.
Die omnipräsente Morgan Stanley-Analystin Katy Huberty warf heute in einer neuen Kurzstudie noch einmal ihre letzte Schätzung in den Ring: Von 69 Millionen verkauften Einheiten geht die Staranalystin aus, die sich in der Vergangenheit oft als sehr treffsicher erwiesen hatte. Oder geht noch mehr? Der viel zitierte KGI-Analyst Ming-Chi Kuo rechnet gar mit Verkäufen von über 70 Millionen Einheiten.
Kampf um das beste Quartal aller Zeiten
Diese Schallgrenze dürfte kommenden Dienstag wohl am Ende des Tages dafür ausschlaggebend sein, wie Apples Weihnachtsquartal in der Folge am Markt bewertet wird. Keine Frage: Auch Absätze von 67, 68 oder 69 Millionen iPhones würden einer höchst beachtlichen Absatzsteigerung von 30, 32 oder 35 Prozent entsprechen, über die sich jeder Smartphone-Hersteller, zumal bei den erzielten Margen, sehr glücklich schätzen würde – doch für Apple hängt die Latte eben immer ein bisschen höher.
Gelingt Apple ein Durchbruch durch die 70 Millionen-Marke, wäre nicht nur der psychologische Effekt enorm – auch eine andere, noch bedeutendere Bestmarke würde wohl gleich mitpulverisiert werden. Nachdem Apple im vergangenen November als erstes Unternehmen der Welt die Bewertungsgrenze von 700 Milliarden Dollar durchbrochen hat, könnte nun eine weitere Bestmarke folgen – nämlich der größte jemals in einem Quartal erzielte Gewinn in der Wirtschaftsgeschichte.
Kann Apple Gazprom entthronen?
Zweimal in Folge konnte Apple zuletzt im Weihnachtsquartal den traumhaften Nettogewinn von enormen 13,1 Milliarden Dollar verbuchen, doch das reichte in der ewigen Bestenliste bisher nur zu Platz vier und fünf. Auf dem Treppchen der größten Quartalsgewinne der Wirtschaftsgeschichte befinden sich weiterhin drei Öl-Multis: Exxon Mobil fuhr im dritten Quartal 2008 kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise noch satte 14,8 Milliarden Dollar ein, Royal Dutch Shell ein Quartal zuvor sogar 15,68 Milliarden Dollar und der russische Öl-Multi Gazprom im ersten Quartal 2011 sogar 16,24 Milliarden Dollar.
Die Chance auf einen Sprung an die Spitze der Konzerne nach Unternehmensgewinnen steht für Apple gut. Vorausgesetzt, dass die restlichen Unternehmenssparten sich relativ stabil zum Vorjahresquartal entwickeln, dass die Gewinnmarge bei etwa 38 Prozent bleibt (tatsächlich könnte sie wegen des Speicher-Tricks anziehen) und Apple nicht größere Investitionskosten als im Dreimonatszeitraum vor einem Jahr verbucht hat (was angesichts des bevorstehenden Apple Watch-Launches allerdings möglich erscheint), könnten schon iPhone-Verkäufe ab etwa 66 Millionen reichen, um Gazprom zu entthronen. Die Steigerung entspräche einem Gewinnanstieg von 28 Prozent, was wiederum einem Konzerngewinn von 16,8 Milliarden Dollar entsprechen würde.
So weit zumindest die Theorie. Was mit der Apple-Aktie nach Bekanntgabe der Rekordergebnisse passiert, ist indes eine ganz andere Frage, die auch maßgeblich davon abhängt, welchen Ausblick Tim Cook auf die laufende Geschäftsentwicklung gibt. Fest steht nur: Nach den Quartalszahlen ist vor den Quartalszahlen. Und natürlich vor dem Apple Watch-Launch, zu dem sich Fanboys wie auch Aktionäre nächsten Dienstag ebenfalls Näheres erhoffen.