Apple TV und seine Chancen auf Erfolg: Eine für alle

AppleTV Remote MainMenu
AppleTV Remote MainMenu (© 2015 Apple )
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Auch wenn alle über die iPhones reden, war das Apple TV doch der heimliche Star am Mittwoch. Die Chancen, dass die TV-Box ein Erfolg wird, stehen gut. 

Nimmt man den Jubel der geladenen Gäste im San Franciscoer Bill Graham Center als Gradmesser, dann kam das neue Apple TV sehr gut an. Ich mache keinen Hehl draus: Auch ich habe auf die kleine TV-Box gewartet - geschlagene drei Jahre. Selbst CEO Tim Cook musste zugeben, dass man sich dieses Mal sehr viel Zeit gelassen habe. Herausgekommen ist ein vielversprechendes Stück Technik. Für Apple ist es aber noch mehr: ein neues, vielversprechendes Geschäftsfeld.

Siri soll's richten

Mitverantwortlich für den Erfolg soll Siri sein, Apples ewiger heimlicher Star. Seit Jahren fristet der Sprachassistent auf iPhones und iPads eigentlich ein Nischendasein. Viele Nutzer wissen gar nicht, was sie alles mit dem Dienst machen können. Doch auf dem Apple TV der vierten Generation soll die Software ein zentraler Bestandteil werden. Ihr könnt gezielt nach Filmen oder Schauspielern fragen, Euch aber auch Genres anzeigen lassen. Versteht Ihr im Film eine Stelle nicht, springt Siri mit dem Kommando "What did (s)he say" zehn Sekunden zurück und blendet kurzzeitig Untertitel ein. Siri zeigt aber auch an, welche Schauspieler mitspielen und informiert auf Wunsch über Sportergebnisse und das Wetter.

 

Was das eigentlich heißt: Egal, wie alt Eure TV-Kiste ist, mit Apple TV könnte sie in einer Art und Weise smart werden, die ich mir schon lange von Smart-TVs gewünscht habe. Ich brauche keine Gestensteuerung, die mich mit der geballten Faust vor der Mattscheibe rumfuchteln lässt, um den Sender zu wechseln. Erst recht möchte ich keine ruckelnden Menüs und langsam ladende Apps. Amazons Fire TV macht in Sachen Sprachsteuerung schon viel richtig, aber setzt sie nicht so konsequent um, wie ich es gerne hätte. Wenn Apple das hält, was die Demo auf der Keynote versprochen hat, dann kann ich mich zum ersten Mal halbwegs normal mit meinem Fernseher unterhalten.

Endlich eingebunden ins Applesche Ökosystem

Doch es sind nicht die Touch-Fernbedienung, Siri oder die runderneuerte Technik im Apple TV, die das Gerät interessant machen. Es sind die Inhalte. Cook sagte es selbst: “Die Zukunft des TV sind Apps.” Und damit setzt Apple im Jahr 2015 um, was sich viele schon seit Jahren gewünscht haben: Eine Erweiterung des Appleschen App-Ökosystems ins Wohnzimmer. Zocke ich ein Game auf dem iPhone oder iPad, kann ich abends einfach auf dem Apple TV weiterspielen. Warum auch nicht? Wenn ich mir ein neues Apple-Device kaufe, kann ich schließlich erwarten, dass sich das Gerät nahtlos in mein Setup aus iPhone, Macbook und Co. einfügt und meine Inhalte entsprechend synchronisiert. Bislang war das Apple TV in diesem Punkt isoliert.

Zu den Spielen, die direkt zum Start von Apple TV mit tvOS verfügbar sein werden, zählen neben bekannten Hits wie Guitar Hero, Galaxy on Fire, Crossy Road und Rayman Adventures, aber auch Exklusivtitel. Die Fernbedienung dient nicht nur dazu einen Film auszuwählen, sondern ist auch zur Steuerung von Spielen vorgesehen und erinnert dabei an die Wii-Mote von Nintendo. In Zukunft daddelt Ihr nicht mehr mit der Xbox, Playstation oder Wii sondern mit Apple TV - zumindest wenn es nach Apple geht. Damit die Menge an Apps für Apple TV auch schnell zunimmt, bietet Apple sein Betriebssystem tvOS ab sofort als Beta für Entwickler zur Verfügung. Zweifelsohne wird das Apple TV leistungstechnisch keiner Spielekonsole Konkurrenz machen können. Doch Casual Gamer dürften dem Konzern künftig einige Zusatzerlöse übers Apple TV einspielen.

Und was ist mit HomeKit?

Ebenfalls verlockend für TV-Junkies: Netflix, Hulu, HBO und Showtime sind zum Start dabei - zumindest für US-Kunden. Es entfällt aber der Umstand, die Inhalte der Anbieter App für App zu durchforsten. Siri bzw. die interne Suchmaschine bündeln die Informationen auf einer Übersichtsseite und geben Euch die Wahl, aus welcher Mediathek die TV-Episode oder der Film abgespielt werden soll. Top! Dass Apple damit gleichzeitig zum Gatekeeper für Inhalte wird, wie es schon im App Store der Fall ist, dürfte On-Demand-Anbietern vielleicht Sorgen bereiten. Für mich als Serien-Junkie ist dieses Feature ein klarer Kaufgrund.

Noch ein Grund, warum Apple TV ein Erfolg werden könnte: HomeKit. Auch wenn es mich ein wenig verwirrt, dass Apple auf seiner Keynote kein einziges Wort zur Integration der Box ins Smart Home der Zukunft verlor. Schließlich soll das Gerät als Steuerzentrale zwischen iPhones, iPads und kompatiblen Gerätschaften im Connected Home dienen. Wer ein iPhone oder iPad besitzt und seine Heizung, Licht und Co. künftig vernetzen will, für den ist der Kauf eines Apple TV eigentlich ein No-Brainer.

4K muss her

Bleibt nur eine Frage: Warum beherrscht das Apple TV kein 4K-Video? Klar, auch im Jahr 2015 ist die Technologie noch längst nicht so verbreitet in den Wohnzimmern dieser Welt, aber unter anderem Netflix streamt bereits so hochauflösend. Zudem haben wir mit dem iPhone 6s und dem iPhone 6s Plus zwei neue Smartphones, die 4K-Videos drehen können. Aber ihnen zur Seite gestellt wird eine TV-Box, die diese Videos nicht abspielen kann? Nanu! Spätestens, wenn 4K-TVs mehr Verbreitung finden, wäre Apple gut beraten, einen stärkeren Chipsatz nachzurüsten.

Denn ich halte den verbauten A8 nicht für so leistungsfähig, dass er 4K-Material mit 60 Bildern pro Sekunde aufs Display zaubert, mir nebenei noch Sportergebnisse anzeigt und mich blitzschnell in ein laufendes Spiel wechseln lässt. Da dürften auch die Möglichkeiten zur Übertaktung durch die dauerhafte Stromversorgung nicht ausreichen.  

Eine Box, sie alle zu binden

Hat Apple TV also das Zeug, den Smart-TV-Markt zu revolutionieren? Die Frage muss erlaubt sein. Denn wie kein anderer Konzern beherrscht Apple es, bestehende Märkte zu beobachten, die Konkurrenz Fehler machen zu lassen, um dann mit einem stimmigen Konzept die Massen zu begeistern. So passiert 2007 beim iPhone. 2010 beim iPad. Und 2014 bei der Apple Watch.

Ist 2015 also die TV-Branche dran? Die Chancen stehen gut. Zumindest ist schon einmal eine Mediatheken-übergreifende Suche ein erster Schritt in die richtige Richtung: weg von den ganzen Insellösungen hin zu einem Device und System, das mir alle Inhalte gesammelt anzeigt - insofern ich die entsprechenden Dienste abonniert habe. Denn ich brauche weder ein Abspielgerät pro Anbieter, noch will ich auf einem Gerät zwischen unterschiedlichen Apps hin- und herswitchen auf der Suche nach meiner nächsten Lieblingsserie. Für Apple besteht die Aufgabe nun darin, die Konkurrenz mit ins Boot zu holen. Darauf versteht sich wohl keiner so gut wie Tim Cook. Mit dem Ende der Ära Jobs setzt Cook smart auf strategische Zusammenarbeit mit einstigen Konkurrenten, wie etwa IBM. Da verwundert es auch nicht, dass neben den Apple-Oberen auch der einstige Flash-Erfinder Adobe und Microsoft auf der Bühne des Bill Graham Center standen.

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