Es ist eindeutig nicht Apples Woche. Nachdem iOS 8 mit Bugs ausgeliefert wurde, schlug der Versuch einer schnellen Fehlerbehebung in Form von iOS 8.01 nicht nur krachend fehl – das Updategate hat das Potenzial in die große Fail-Historie Cupertinos einzugehen. Zeitgleich zieht das Bendgate in den sozialen Kanälen seine Kreise. Wenige Tage nach dem iPhone 6-Verkaufsrekord bläst Tim Cook wieder der Gegenwind kalt ins Gesicht: Die Software bleibt Apples große Schwachstelle. An der Börse geht die Apple-Aktie in den freien Fall über.
Die Geschichte wiederholt sich. Fast auf den Tag zwei Jahre ist es her, dass Apple unter maximal medialem Getöse das iPhone 5 launchte: Die Aktie notierte bei 700 Dollar, die heute 100 Dollar entsprechen, auf Allzeithochs, die Branchenpresse applaudierte, der Techpionier schien in seiner ganz eigenen Liga zu spielen – nie war er wertvoller, mächtiger und glamouröser als in den frühen Herbsttagen vor zwei Jahren.
Doch eine Kleinigkeit störte die Partystimmung in Cupertino. Maps, Apples eigene Antwort auf Googles Kartendienst gleichen Namens, den Apple mit der Verwendung auf dem ersten iPhone seit 2007 erst groß gemacht hatte, war nicht das, was sich Nutzer versprochen und vom Kultkonzern erwartet hatten. Vor allem war Apple Maps nicht der beste Kartendienst der Welt. Tatsächlich geriet die Karten-App zum größtmöglichen Spott, der sich im Social Web trefflich verbreitete. Apples Kritiker fühlten sich bestätigt: Apple hatte den Mund zu voll genommen und sich mit seinem Schnellschuss-Kartendienst trefflich blamiert.
Vieles erinnert an das Maps-Debakel vor zwei Jahren
"Der neue Kartendienst ist ein Downgrade", stellte der viel gelesene Apple-Blogger John Gruber ("Daring Fireball") noch nüchtern fest. Googles Aufsichtsratschef Eric Schmidt feixte unterdessen vor Schadenfreude: "Nimm das, Apple", zog er nur halb als Witz verkleidet gegen den lange Zeit so scheinbar übermächtigen Rivalen vom Leder. Das war auf den Tag genau heute vor zwei Jahren.
Schnellvorlauf in die Gegenwart: Wieder spricht Eric Schmidt, wieder lästert er über Apple, das sich zum Launch eines neuen iPhones erneut massive Fehltritte leistet. Im Gespräch mit Bloomberg attackiert Googles Verwaltungschef vorgestern Apples Herzstück, das iPhone 6, das seiner Meinung nach nichts mehr als eine Samsung-Kopie sei.
Zum Interviewzeitpunkt hatten sich die neuen Baustellen in Form des U2-Gratis-Albums, hat Tim Cook im September gleich vier PR-Debakel auf einmal zu beklagen – und der Monat ist noch nicht zu Ende…
Das Bendgate und Updategate dürften kaum Einfluss in der Bilanz haben
Wie groß ist nun der Schaden des schwarzen Mittwochs mit seinen doppelten Gates, dem Bend- und Updategate? Bilanztechnisch dürfte der doppelte Aufschrei an Apple praktisch spurlos vorbeigehen – die Ausliefer-Verzögerung des iPhone 6 in China hat definitiv mehr Einfluss auf Apples Geschäftsentwicklung als die Phantom-Diskussion über gekrümmte iPhones oder ein fehlerhaftes Software-Update, das in Tagen gefixt ist.
Das Bendgate, so emotional es diskutiert wird, ist am Ende nicht viel mehr als ein 1-Tages-Ego-Trip eines Gadget-Testers, der das iPhone 6 Plus am neuralgischen Punkt eindrückt. Dieser Biege-Test, der sich im dazugehörigen Video prima viral verbreitet und die damit verbundene Schlussfolgerung, dass das iPhone 6 Plus nach bewusster Krafteinwirkung eine Krümmung aufweist, sind schlicht aus dem Kontext gegriffen und irreführend.
Nach dem Bendgate: Nächster Aufschrei, weil das iPhone 6 den Mixer-Text nicht besteht?
Der Videotest hat nicht nachgewiesen, dass die Krümmung dadurch entstanden wäre, dass das iPhone 6 Plus in der Hosentasche steckte und es beim Draufsitzen verbogen wäre. Tatsächlich beklagten sich von Millionen möglichen Nutzern bei Apple ganze neun (in Zahlen: 9!) über ein verbogenes iPhone 6 Plus, wie ein Apple-Sprecher am gegenüber dem Techportal Business Insider herausstellte.
Das mutwillige Verbiegen eines technischen, aus Aluminium gefertigten Geräts, aus der reinen Neugier, unter welcher Krafteinwirkung es Schaden nimmt, kann kaum als Mangel in der Alltagsnutzung betrachtet werden. Was folgt als nächstes: Ein Aufschrei, weil das iPhone 6 den Mixer-Text nicht besteht?
iOS 8.01-Updategate: Apples Software-Schwäche peinlich vorgeführt
Etwas anders ist die Sache Andere Features nervten schlicht, während die erwartete Health-App noch keine Funktionalität bietet.
Keine Frage: ein Ruhmesblatt war iOS 8 in der ruhmreichen Geschichte des Kultkonzerns nicht – iOS 8.01 ist indes ein Debakel. Sofort beklagten Nutzer in den sozialen Kanälen, dass die Software-Aktualisierung fatale Folgen hatte – wesentliche Nutzungsmerkmale wurden lahmgelegt. Die Mobilfunkverbindung wurde ebenso getrennt wie die WLAN-Verbindung. Auch die Fingerabdruckerkennung mit Touch ID wurde offenbar deaktiviert.
Schnelles Krisenmanagement: iOS 8.02 kommt bald, gekrümmte iPhones tauschbar
Dies Empörung war groß, Apple reagierte prompt und nahm die Aktualisierung auf iOS 8.01 wieder vom Netz. In einer Mitteilung auf der Supportseite von Apple heißt es, dass iOS 8.0.2 "sobald wie möglich" in den kommenden Tagen zum Download bereitgestellt werden soll, möglicherweise schon morgen.
Keine Frage: So peinlich das Updategate für Apple ist – so schnell dürfte es auch bald wieder vergessen sein, wenn die Bugfixes in iOS 8.02 greifen. Es sind die üblichen Kinderkrankheiten bei großen Software-Launches. Was indes bleibt, ist der Beigeschmack, der sich in den vergangenen Jahren immer wieder verfestigte: Apple hat ein Software-Problem.
Updategate ist nicht Mapsgate und Bendgate nicht Antennagate
Die Liste an Fehltritten bei neuen Software-Releases ist lang. 2008 verärgerte Apple Nutzer bei der Überholung seines Internetdienstes .mac zu MobileMe massiv – plötzlich gingen E-Mails verloren. iOS- und MacOS-Updates wiesen in der Vergangenheit immer mal wieder Sicherheitslücken auf und mussten eilig nachgebessert werden. Und dann eben noch die Mutter aller Software-Blamagen: Apple Maps, das bis heute, zwei Jahre nach dem ersten Release, Google Maps weiter hinterherhinkt.
Die gute Nachricht für Apple: Das Updategate auf iOS 8.01 ist kein neues Mapsgate. Während der Kartendienst in jahrelanger Kleinstarbeit an Relevanz und Zuverlässigkeit gewinnt (oder eben nicht), dürfte das iOS 8.02-Dilemma schon nächste Woche halbwegs vergessen sein, wenn der Bugfix sitzt. Gleiches gilt für das Bendgate, dem es gehen dürfte, wie vielen Internet-Phänomen: es verläuft sich. Apple reagierte schnell und routiniert mit der Ankündigung, gebogene iPhone 6 Plus auszutauschen, wenn das Problem nachweislich auftritt. Das Bendgate ist kein Antennagate.
Psychologische Wirkung: Wertvollster Konzern der Welt bloßgestellt
Was bleibt und den detailverliebten CEO Tim Cook zur Weißglut bringen dürfte, ist die psychologische Wirkung, die die vielen kleinen Nebenschauplätze der vergangenen Tage entfalten: Apple dokumentiert im September am laufenden Band, wie verletzlich der global wertvollste Konzern trotz, aber auch wegen seines Megasellers iPhone ist.
Apples Schicksal ist auf Gedeih und Verderb an den Erfolg des Kultsmartphones gekoppelt. Wird die Auslieferung – wie erneut geschehen – auf den letzten Metern von der chinesischen Regulierungsbehörde gestoppt, hinterlässt das Spuren in der Bilanz. Legt das Software-Update iPhones lahm, ist die Empörung groß. Zeigen Viral-Videos, dass ein 1000 Euro-Smartphone am Ende so empfindlich ist wie ein leere Cola-Dose, bekommt Apple ein Image-Problem.
Tim Cook kehrt in den Krisenmanagementmodus zurück
Nach den stärksten Wochen seiner Karriere, in denen der Apple-CEO zum dritten Jahrestag als CEO die Apple-Aktie auf neue Allzeithochs führte, bei der mit Spannung erwarteten Apple Watch-Keynote lieferte und mit dem iPhone 6 und iPhone 6 Plus sofortige Kassenschlager präsentierte, ist Cook nun wieder in eine Rolle zurückgekippt, aus der er sich dieses Jahr befreit zu haben schien: der als Krisenmanager.
Wird es wieder eine Entschuldigung geben wie nach dem Mapsgate oder den Vorwürfen der chinesischen Regierung? Für notorische Apple-Skeptiker sind dies die Festtage, auf die sie das ganze Jahr gewartet haben: Die Abgesänge können aus der Schublade geholt und reflexartig abgefeuert werden.
Kurssturz vernichtet Börsenwert in der Größenordnung von Twitter und Tesla
Für Tim Cook geht es nun darum, es besser zu machen als vor zwei Jahren, als er im Sog des Maps-Debakels mitgerissen wurde, aus der Vertrauens- eine Führungskrise und sehr schnell eine Börsenkrise wurde, in deren Zuge sich der Wert der Apple-Aktie fast halbierte.
Die Wall Street hat den Film schon einmal gesehen und reagiert entsprechend. Um in der Spitze 4 Prozent brach die Apple-Aktie heute ein und vernichtete dabei mehr als 20 Milliarden Dollar, nachdem bereits gestern Verluste gegen den Markttrend eingefahren wurden. In den vergangenen 48 Stunden hat Apple mehr als 30 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung verloren – das ist in etwa der Börsenwert von Tesla oder Twitter.
Tim Cook und Phil Schiller verkaufen Apple-Aktien im großen Stil
Keine Frage: Nach einem überaus erfolgreichen Börsenjahr haben Apple-Aktionäre viel zu verlieren. Das weiß auch das Apple-Management – und verkaufte selbst zu Wochenbeginn im großen Stil eigene Anteile.
Tim Cook und Phil Schiller realisierten mit ihren Verkäufen zu Wochenbeginn jeweils über 81 Millionen Dollar und bewiesen bei Kursen knapp unter Allzeithochs exzellentes Markttiming, auch wenn die Verkäufe die im Rahmen eines Aktienhandelsplans (10b5-1) im Vorfeld bei der US-Börsenaufsicht angemeldet worden waren. Die kommenden Tage werden zeigen, ob Anleger dem Vorbild der Apple-Chefs bei nun wieder unter 100 Dollar ebenfalls folgen…