Warum Androids Freiheit ihren Preis wert ist

Zaun
Zaun (© 2015 CC: Flickr/Several seconds )
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Es ist mal wieder soweit: Ein neuer Trojaner für Android-Geräte wurde entdeckt, diesmal aus der Feder des Hacking-Teams. RCSAndroid kann so ziemlich alles, was Malware gefährlich macht, vom Mitschreiben aller E-Mails, Chats und ähnlichem über die Nutzung von Kamera und Mikrofon bis zur heimlichen Ortung des Besitzers. Und trotzdem werde ich bei Android bleiben - die Gefahren sind letztlich der Preis für den ultimativen Vorteil Androids gegenüber iOS: Freiheit - inklusive der Gefahr, Dummes zu tun.

Denn während Apple die Nutzung seiner iOS-Geräte genau kontrollieren möchte, ist Android offen für Experimente. Das fängt schon bei der größeren Auswahl an Geräten an, die mit Android ausgeliefert werden. Apple-Nutzer entscheiden sich zwischen zwei, drei Smartphone- und zwei Tablet-Modellen im Jahr. Android-Fans dagegen können sich vor Angeboten kaum retten, vom Premium-Phone vom Schlage eines Galaxy S6, LG G4 bis zum Billigheimer aus China ist alles in Massen vorhanden. Die Konkurrenz sorgt für konstanten Innovationsdruck, zudem sinken die Preise deutlich schneller. Klar, die Auswahl überfordert auch viele. Außerdem gibt es deutlich mehr schlechte Android- als iOS-Geräte. Trotzdem ist es mit wenig Aufwand möglich, sich ein Android-Smartphone genau für die eigenen Bedürfnisse - und das eigene Budget - zu kaufen und einzurichten. Beim iPhone darf man sich nur bei Bildschirm- und Speichergröße entscheiden - und letzteres auch erst seit iPhone 6 und iPhone 6 Plus.

Auch beim Betriebssystem selbst setzt Google auf Freiheit. Apple behält den Zugang zum Appstore genau im Auge und verbietet zudem, Apps aus anderen Quellen zu installieren. Zusammen mit dem geschlossenen System iOS schließt der Konzern so ganze Kategorien von Apps einfach aus - etwa Tweaks, die die Funktionsweise von iOS verändern. Kein Wunder, dass sich immer noch viele iOS-Nutzer über einen geglückten Jailbreak freuen. Er bietet ihnen immerhin endlich ein bisschen mehr Freiheit. Android dagegen ist gleich auf diese Freiheit ausgelegt. Viele Funktionen, wie das Wechseln der SMS-App, stecken bereits im System. Über einen neuen Launcher lässt sich fast die gesamte Benutzeroberfläche an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Von den unzähligen Möglichkeiten durch Custom-ROMs oder Root-Zugriffs ganz zu schweigen. Dass bei solchen Eingriffen Vorsicht geboten ist, sollte allerdings jedem Nutzer klar sein.

Freiheit hat ihren Preis...

Eine der Schattenseiten der Freiheit ist, dass App-Entwickler sich im Playstore gerne mehr Rechte zusichern, als die App zum Funktionieren benötigt. Während Apple bereits seit iOS 6 erlaubt, Anwendungen Rechte zu entziehen, hinkt Google in dieser Hinsicht seit Jahren hinterher. Die Folge sind etwa kostenpflichtige Spiele, die darauf bestehen, die Geräte-Konten und den Standort zu überwachen - ohne eines von beidem wirklich zu benötigen. Oder kostenlose Apps, die sich ihr Geld über den Verkauf der gesammelten Datenmengen hereinholen. Mit dem kommenden Android M ist damit endlich Schluss: Wie in einigen Custum-ROMs, wie etwa Cyanogen Mod, können die Nutzer endlich der dreisten Datensammelei ein Ende bereiten. Ob das dann auch Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der vielen kostenlosen Apps haben wird, muss sich zeigen.

Natürlich setzt die zusätzliche Freiheit voraus, dass sich die Nutzer der möglichen Risiken bewusst sind. Hier hat Google definitiv Nachholbedarf. Viele Besitzer von Android-Geräten kennen die Risiken eines offenen Systems schlicht nicht, andere wollen sich nicht damit befassen. Für solche Menschen wäre ein geschlosseneres System vermutlich besser geeignet.

...und will gelernt sein

Apple und Google verhalten sich gegenüber den Nutzern ihrer mobilen Betriebssysteme wie Eltern mit unterschiedlichen Erziehungsansätzen. Während die Helikopter-Eltern von Apple möglichst viel kontrollieren möchten, verfolgt Google einen deutlich freieren Ansatz. Wie auch viele Eltern will der Konzern seine Nutzer zu mehr Selbstständigkeit erziehen. Statt ihnen alles zu verbieten, lässt Google seine Nutzer einfach mal machen. Natürlich bleibt so neben mehr Freiheit auch mehr Raum für Fehler - sogar folgenreiche. Doch letztlich ist die größere Freiheit das Risiko wert. Denn am Ende des Tages kommt der Android-Nutzer vielleicht etwas zerkratzter aus der Wildnis hinter dem Playstore. Dafür ist er als mündiger Nutzer hoffentlich um einige Erfahrungen reicher - und reifer - als die Nutzer aus Apples umzäuntem Garten.

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