Ihr sitzt auch jeden Tag mindestens sechs Stunden und damit deutlich zu viel? Der neue Sitzsensor S 4.0 von Garmin und Interstuhl für den Bürostuhl soll mehr Bewegung in den (Büro-)Alltag bringen. Wir haben ihn getestet.
Sitzen ist das neue Rauchen. Auch wenn wir keine warnenden Aufkleber oder gruselige Illustrationen von gefährlichen Krankheiten auf unseren Sitzmöbeln vorfinden, aus gesundheitlicher Sicht ist langes Sitzen schädlich. Wenn ihr einen Bürojob habt, bringt ihr es über den Tag gesehen leicht auf zehn Stunden, wenn nicht sogar zwölf: Je nachdem, ob ihr noch lange im Auto oder der Bahn sitzt, dann am Mittagstisch, abends schließlich gemütlich am Esstisch und danach eventuell auf der Couch, läppern sich die Stunden. Diese einseitige Haltung über den ganzen Tag hinweg kann auch sich gesund ernährt, ohne Glimmstängel auskommt, aber eine sitzende Tätigkeit ausübt, sollte sich angesprochen fühlen: Eine einseitige Sitzhaltung führt nämlich nicht nur zu Rückenbeschwerden, sondern schadet darüber hinaus dem ganzen Bewegungsapparat: Muskelschwund und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ein langsamer Stoffwechsel, Übergewicht und Diabetes und ein doppelt so hohes Krebsrisiko sind mögliche Folgen. Damit ist zu viel Sitzen unterm Strich tatsächlich ähnlich gesundheitsschädlich wie Rauchen – und betrifft die meisten von uns. Der Wearable-Markt reagiert längst mit Tools, die uns aus der Sitzstarre holen sollen: Eines davon ist der neue Sitzsensor S 4.0 von Garmin in Kooperation mit dem Büromöbel-Hersteller Interstuhl. Ich wollte wissen, ob der Activity Tracker für den Bürostuhl meine Nackenverspannungen lösen kann und meine Haltung im digitalen Alltag verbessert.
60 - 30 - 10: Die Körperformel für mehr Vitalität
Man muss nicht gleich umschulen oder die Stühle aus dem Fenster werfen, sondern nur in der Körperhaltung etwas dynamischer werden. Die Faustformel für den (Arbeits-)Alltag lautet: 60 Prozent der Zeit dynamisch sitzen, also den Sitz auch mal variieren, 30 Prozent der Zeit im Stehen verbringen und zu 10 Prozent herumlaufen. Zwischen diesen dreien sollte man so oft wie möglich wechseln – je häufiger, desto besser. Spätestens alle Dreiviertelstunde ist ein Gang in die Teeküche, zur Toilette – am besten ein Stockwerk höher – zum Kollegen ins Büro gegenüber, zum am weitest entfernten Mülleimer oder Kopierer fällig. Dazwischen seid ihr zum Hampeln angehalten: auf einem dynamischen Sitzkissen wie ich es schon lange nutze oder indem man die Füße mal lang macht, mal anwinkelt oder hochzieht, sich gerade anlehnt oder in den Stuhl lümmelt, nur auf der Kante sitzt und dann auch mal wieder steht, beim Telefonieren, in Meetings oder an einem Stehpult.
"Der S 4.0 teilt meinen Drehstuhl in vier Bereiche und wertet aus, wie oft ich das Gewicht verlagere"
Der Sitzsensor S 4.0 wird einfach unter den Schreibtischstuhl geklebt und verbindet sich via ANT mit dem dazugehörigen USB-Dongle am Computer. Die Garmin Connect App erinnert mich seit zwei Wochen regelmäßig daran, mal für zwei Minuten aufzustehen und mich zu bewegen – dann weiß ich auch: Es ist Zeit für ein frisches Getränk. Praktisch, da ich das Trinken auch oft vergesse. Außerdem erhalte ich jeden Tag eine "Workout"-Empfehlung – gemeint ist jeweils eine Mini-Übung auf dem Bürostuhl für zwischendurch. Viel spannender finde ich aber die Auswertung meiner "Sitzqualität": Dafür unterteilt die App meinen Schreibtischstuhl in vier Bereiche und wertet aus, wie oft ich pro Stunde mein Gewicht verlagere: Ziel ist es, die Sitzposition 70 Mal in der Stunde zu ändern. Das klingt erstmal viel, meint aber bloß ein Zurechtrücken. Beispielsweise heißt es dann: "Es scheint, dass sich Ihre Sitzpositionen weitgehend im vorderen Bereich befinden. Gönnen Sie Ihrem Rücken ein wenig Abwechslung, indem Sie hin und wieder auch weiter hinten sitzen." Und es stimmt: Ich neige dazu, mit einer halben Pobacke auf der Stuhlkante zu kauern und nutze die Lehne so gut wie nie. Wie heißt es so schön? Einsicht ist der beste Weg zur Besserung, und tatsächlich hat mich der Sitzsensor dafür sensibilisiert: "Sehr gut! Sie haben die Sitzqualität zum Vortag steigern können. Weiter so!" Offenbar habe ich teilweise bewusst aber auch unbewusst mehr auf meinem Bürostuhl gehampelt. So einfach übersehen kann man die knallrote Maske sowie die Push-up-Benachrichtigungen zum Glück auch nicht – in Präsentationen lässt sie sich selbstverständlich schließen. Inwieweit sich das positiv auf meine Dauerblockaden im Nacken- und Schulterbereich auswirkt, muss der Langzeittest zeigen. Natürlich spielt auch mein Training hier eine entscheidende Rolle.
Fazit: Preis und Nutzen des S 4.0 von Garmin und Interstuhl
Der Sitzsensor S 4.0 eignet sich für alle gängigen Drehstühle mit Synchronmechanik, bei denen die Neigung der Rückenlehne mit der Neigung der Sitzfläche gekoppelt ist. Nutzen daraus ziehen kann jeder, der täglich viele Stunden auf einem Schreibtischstuhl verbringt und sein Sitzverhalten bewachen und optimieren möchte. Praktisch ist der Stuhl-Tracker auch für Besitzer einer kompatiblen Garmin-Uhr, weil die Daten dann nicht nur per ANT auf den Laptop-Desktop übertragen werden, sondern auch am Handgelenk für vibrierende Erinnerungen zum Sitzwechsel oder Aufstehen sorgen. Am Laptop oder PC sind Betriebssysteme ab Windows 7 oder Mac 10.10 notwendig. Die Installation und Handhabung funktioniert einwandfrei, und die Batterie soll laut Hersteller sechs Monate halten. Neben dem Live-Coaching für ein besseres Sitzverhalten gibt die App auch Tipps, wie man den Schreibtischstuhl ergonomisch einstellt und elf kurze Übungen im Sitzen für zwischendurch. Für den Preis von 69 Euro (UVP) müsst ihr euch selbst fragen, ob der Tracker, der sonst keine Schritte zählt oder Ähnliches, es euch wert ist – gerade, wenn man bedenkt, dass Fitnessarmbänder aber bereits daran erinnern, regelmäßig mal aufzustehen und sich zu bewegen.
Wer schon vorbelastet ist mit Rückenleiden oder wenig Ausgleich zum Büroalltag hat, könnte aber durchaus profitieren: Unterm Strich zählt nämlich die Dynamik im Arbeitsalltag, denn weder langes Sitzen noch langes Stehen sind gesund, wie jetzt wieder eine aktuelle Studie herausfand. Stress ist darüber hinaus nochmal ein ganz anderes Thema – der ist nämlich nie gut. Aber die wachsende Fitnessindustrie ist auch hier auf dem Vormarsch und dabei passende Weables zu etablieren – etwa den Achtsamkeitstracker "Spire", den wir hier auch schon getestet haben.