Eines der interessantesten mutmaßlichen Features der Apple Watch 6 ist das sogenannte SpO2-Tracking. Diversen Medienberichten zufolge könnte die Ermittlung des Sauerstoffgehalts im Blut bei der Diagnose von Corona-Erkrankungen helfen. Wird sie aber aller Voraussicht nach nicht.
Eines vorweg: Die Apple Watch 6 wird keineswegs das erste Wearable sein, das den Sauerstoffgehalt in eurem Blut erfassen kann. Fitnesstracker von Garmin, Fitbit, Huawei und Honor sind bereits seit Längerem dazu in der Lage.
Und auch das brandneue Xiaomi Mi Band 5 bietet einen SpO2-Sensor (Pulsoximeter). Doch keines dieser Geräte ist wirklich in der Lage Corona zu diagnostizieren oder auch nur verlässlich darauf hinzuweisen. Warum ist das so?
Apple Watch 6: Als Corona-Detektor ungeeignet
Eine zu niedrige Blutsauerstoffsättigung ist zwar tatsächlich ein Indiz für eine Corona-Erkrankung. Allerdings sind Fitnesstracker und Smartwatches nicht in der Lage den Sauerstoffgehalt in eurem Blut genau genug zu messen. "Die Sensoren sind in der Regel nicht präzise genug. Das ist die Hauptlimitation", erklärt João Paulo Cunha von der Universität Porto, gegenüber Wired. Dem Professor für Elektrotechnik und Technische Informatik zufolge entspreche das SpO2-Tracking von Wearables medizinischen Anforderungen nicht.
Das sei auch der Grund, weshalb etwa Fitbit das Feature nicht offensiver bewerbe. Tatsächlich hat das Unternehmen die Funktion auf vielen Geräten lange Zeit nicht aktiviert, obwohl es technisch möglich gewesen wäre.
Auch die Apple Watch 6 wird Corona höchstwahrscheinlich nicht erkennen können. Alleine schon wegen einer Eigenschaft, die sie mit allen anderen Smartwatches teilt: Sie wird am Handgelenk getragen. Medizinische Pulsoximeter dagegen befestigt man an Fingern, Zehen oder Ohrläppchen. Diese Stellen eignen sich deutlich besser für die Erfassung der Blutsauerstoffsättigung. Denn hier erreicht das an der einen Seite des Gerätes entsendete LED-Licht den Lichtsensor auf der anderen Seite besser.
Apple Watch 6: SpO2 wohl eher für Schlaf-Tracking
Hinzu kommt, dass die Genauigkeit des SpO2-Trackings abnimmt, wenn sich der zu Untersuchende bewegt. Wie aus diversen Studien hervorgeht, kann es dadurch zu großen Daten-Abweichungen kommen. Dadurch ist das Feature eher ungeeignet dafür, die Blutsauerstoffsättigung rund um die Uhr zu überwachen. Wohl aus diesem Grund empfehlen Hersteller von Fitnesstrackern und Smartwatches das SpO2-Tracking in erster Linie für die Schlaf-Überwachung.
Denn während der Nachtruhe bewegt man sich in der Regel nur wenig. Auch bei der Apple Watch 6 dürfte der SpO2-Wert vor allem für das Schlaf-Tracking eine Rolle spielen. So könnte die Uhr etwa auf eine Schlaf-Apnoe aufmerksam machen.
Hier sieht João Paulo Cunha das größte Potenzial: Dies sei der Bereich, in dem "all diese Wearables wirklich eine Chance haben." Denn während des Schlafes könnten Wearables durchaus "sehr gute" Daten liefern.
Corona im Schlaf erkennen?
Warum können die Apple Watch 6 oder Fitnesstracker dann Corona nicht einfach erkennen, während der Nutzer schläft? Das Problem ist offenbar, dass die Blutsauerstoffsättigung sich hier oder bei anderen (chronischen) Atemwegserkrankungen wie einer COPD langsam über einen längeren Zeitraum reduziert. Solche Veränderungen können die Wearables nicht verlässlich detektieren. Bei einer Schlaf-Apnoe hingegen setzt die Atmung abrupt aus. Dadurch sind SpO2-Veränderungen innerhalb von 30 bis 60 Sekunden erkennbar.
Nicht nur SpO2-Ermittlung ungenau
Generell solltet ihr euren Smartwatches und Fitnesstrackern nicht blind vertrauen. "Selbst die Herzfrequenz-Sensoren sind nicht sehr präzise", ermahnt João Paulo Cunha. Untersuchungen haben ergeben, dass viele Wearables euren Puls tatsächlich ungenau messen. Die Apple Watch ist eine der wenigen Smartwatches, auf die ihr euch verlassen könnt.
Gerade bei Personen mit dunklerer Haut erfasst die Apple Watch die Herzfrequenz zuverlässiger als nahezu alle anderen Wearables. Warum das so ist, erklären wir euch an anderer Stelle