Der Zenit scheint überschritten: Bei der gestern vorgelegten Quartalsbilanz musste Samsung einen weitaus größeren Gewinneinbruch als erwartet eingestehen. Der Hersteller der Galaxy-Smartphones verdiente so wenig wie seit zwei Jahren nicht mehr – und das ausgerechnet in dem Launch-Quartal des Flaggschiffs Galaxy S5. Eine Zeitenwende zeichnet sich ab: Samsung droht nun zwischen dem iPhone 6 und dem aufkommenden chinesischen Rivalen Xiaomi zermahlen zu werden.
Samsung leidet an der Apple-Krankheit. Ein Jahr ist es her, als der iKonzern ziemlich überraschend seinen Gipfel erreicht zu haben schien. Das iPhone 5 verkaufte sich nicht so stark wie erhofft. Apple hatte dem Phablet-Trend nicht Rechnung getragen, die Gewinne erodierten dramatisch, weil es mit dem iPhone 5 ein in der Produktion teureres Gerät als das Vorgängermodell auf den Markt brachte.
Die Gewinnmargen brachen binnen weniger Quartale von 47 auf nur noch 37 Prozent ein, während Apple pro Quartal plötzlich zwei Milliarden Dollar weniger verdiente und zweistellige Gewinnrückgänge vermelden musste. (Ich habe über Apples nuklearen Winter 2012/13 in meinem Buch „Das Apple-Imperium“ geschrieben.)
Wie Apple vor einem Jahr befinden sich Samsungs Gewinne in einer Abwärtsspirale
Vorlauf um ein Jahr. in der Abwärtsspirale.
Der Unterschied: Samsung besitzt nicht Cupertinos Gegenmittel. Keine Barmittel in Höhe von 150 Milliarden Dollar, mit denen es das größte Aktienrückkaufprogramm der Wirtschaftsgeschichte starten kann, keinen Finanzcoach in Form von Carl Icahn an der Seitenlinie – und vor allem kein größeres Kultsmartphone, auf das die Welt seit Jahren wartet. Stattdessen scheint es, als befinde sich der 76 Jahre alte asiatische Techpionier, der 1938 als Lebensmittelladen begann, vor einer Zeitenwende.
„Es sieht nicht gut aus“ – Samsungs CFO warnte bereits vor schwachem Quartal
Im vergangenen Jahr hat Samsung unter maximalem Einsatz seiner Mittel und eines aufgeblasenen Marketingbudgets von 14 Milliarden Dollar sein Blatt ausgereizt und der Welt die großen Smartphones verkauft, die Apple nicht besaß. Das ist jetzt vorbei - in zwei Monaten zieht Apple mit dem iPhone 6 auch in der Displaygröße nach.
Erstaunlicherweise aber zeichnet sich die Plateaubildung Samsungs bereits jetzt ab, wie der gestern vorgelegte Ausblick auf die Juni-Bilanz dokumentiert. „Es sieht nicht gut aus“, hatte vorige Woche bereits Samsungs Finanzchef auf ein enttäuschendes Quartal eingestimmt – doch es kam noch schlimmer.
Juni-Quartal: Gewinne erodieren um 24 Prozent, Umsätze um 10 Prozent
Das beweisen die gestern vorgelegten Quartalszahlen in noch größerer Deutlichkeit als erwartet. Während die Umsätze um 10 Prozent auf 51 Milliarden Dollar nachgaben, brach der Gewinn um erstaunliche 24 Prozent auf 7,1 Milliarden Dollar ein. Analysten hatten noch mit Profiten in Höhe von 8 Milliarden Dollar gerechnet.
Damit verdiente der wertvollste Konzern Koreas in einem Quartal so wenig wie seit Jahren nicht mehr – und das ausgerechnet im Dreimonatszeitraum, in dem das Flaggschiff Galaxy S5, das einen soliden, aber nicht überragenden Marktstart hinlegte, gelauncht wurde.
11 Millionen weniger Smartphones im letzten Quartal verkauft
Doch der Zenit beim Smartphone-Verkauf scheint überschritten: Nach 89 Millionen Einheiten im Vorquartal setzte Samsung nun „nur“ noch 78 Millionen Einheiten ab; im Vorjahreszeittraum waren es 72 Millionen Stück. Das ist zwar immer noch in etwa die doppelte Menge wie Apple, doch der Erzrivale aus Cupertino erzielt bekanntlich eine weitaus höhere Gewinnmarge.
Analysten machen dafür allerdings weniger namentlich Xiaomi.
Samsungs Rückgang ist Xiaomis Zuwachs geschuldet
Die Verschiebung des Momentums war absehbar. Wenige Tage zuvor vermeldete der chinesische Überflieger Xiaomi ein Quartals-Wachstum wie von einem anderen Planeten - um 287 Prozent legten die Verkäufe zwischen April und Juni zu; Xiaomi verkaufte bereits 15 Millionen Smartphones.
Das ist eine Momentaufnahme vor einer absehbaren, großen Zeitenwende: Die Globalisierung, das beherrschende Investment-Thema der vergangenen zwei Dekaden, erreicht nun auch im Technologiesektor ihre nächste Ebene, auf der die Schwellenländer - allen voran China – mit nationalen Champions der Ersten Welt Paroli bieten.
Globalisierung 2.0: Chinesische Tech-Konzerne attackieren Erste Welt
Vermutlich schon im August geht mit Alibaba Chinas Internetriese an die Börse und dürfte aus dem Stand mit einem Börsenwert von 200 Milliarden Dollar zum nach Google zweitwertvollsten Internetkonzern der Welt aufsteigen – noch vor den Platzhirschen Apple und Samsung richtig weh zu tun – und sie auf lange Sicht sogar herauszufordern.
Während sich Apple auf das Alleinstellungsmerkmal seiner Marke berufen kann, ist für Samsung binnen weniger Jahre eine echte Bedrohung erwachsen. In gewissem Maße duelliert sich Samsung tatsächlich mit einer jüngeren, wendigeren Version seiner selbst. Mit ähnlichen Waffen, mit denen die Koreaner Cupertino attackierten, zieht Xiaomi nun gegen Samsung in den Smartphone-Krieg.
Samsung hat viel zu verlieren
Mit einem entscheidenden Unterschied: Die Chinesen unterbieten die Koreaner mit ihrem Mi3 für 250 Euro sein kann?
An diesem neuralgischen Punkt muss Samsung die Waffen strecken, wenn es sich nicht selbst kannibalisieren will: Der Nettogewinn von immerhin noch 7 Milliarden Dollar – das ist das Doppelte, was Google mit seinem Suchgeschäft verdient – wird zum Löwenanteil von der Smartphonesparte und dort von den hochpreisigen Premiumprodukten der Galaxy-Serie bestritten. Entsprechend viel hat der koreanische Tech-Pionier, der sich seit dem Herzinfarkt von Konzernpatriarch Lee Kun Hee im Mai ohnehin in einer Führungskrise befindet, nun zu verlieren.