Bemerkenswerter Verkauf nach Handelsschluss: Google hat seine Handysparte Motorola für nicht mal drei Milliarden Dollar an Lenovo losgeschlagen. Was nach dem panikartigen Ende eines ausufernden Verlustgeschäfts aussieht, dürfte von langer Hand geplant gewesen sein – mehr als die Patente wollte Google nie.
Wie viel Geld hat Google nun durch Motorola verloren? 9,59 Milliarden Dollar möchte man meinen, wenn man die Schnellbilanz zwischen Kauf- (12,5 Milliarden Dollar) und Verkaufspreis (2,91 Milliarden Dollar) zieht. Doch natürlich greift die Rechnung zu kurz. Allein 2,35 Milliarden strich der wertvollste Internetkonzern der Welt durch die Veräußerung von Motorolas Settop-Box-Sparte vor rund einem Jahr ein, was die Buchverluste auf 7,24 Milliarden verringern würde.
Doch dann sind da noch die Patente, die von vornherein die Haupttriebfeder der skeptisch beäugten Übernahme im August 2011 gewesen sein dürften. Es gehe Google darum, die Android Plattform "zu verteidigen", hatte Google-Chef Larry Page die Übernahme seinerzeit gerechtfertigt.
Mit Motorolas Patenten ist Android abgesichert
"Es ist ziemlich sicher zu sagen, dass Aktionäre und Partner vor sechs Monaten nicht wussten, dass Google 13 Milliarden ausgeben muss, um Android zu verteidigen“, kommentierte Henry Blodget vom Business Insider seinerzeit kopfschüttelnd. Nötig wurde die Android-Verteidigung tatsächlich erst, weil Google bei der Versteigerung von Patenten aus der Restmasse des früheren Telekom-Giganten Nortel leer ausgegangen war.
Google hat sich 2011 mit Motorola Zeit gekauft
2,5 Jahre später kann man sagen, dass die Verteidigungsstrategie indes aufgegangen ist. Androids Marktanteil liegt bei monopolartigen 80 Prozent, während Apples iOS mit gerade noch 15 Prozent zum Nischenprodukt zurückgefallen ist. Motorolas Patente haben nun nicht gerade einen Siegeszug in den Gerichten hinterlassen, allerdings blieb Google weitgehend von Mammut-Prozessen verschont, wie sie sich Apple und Samsung seit Anfang des Jahrzehnts liefern.
Für Google sind die Verluste mit Motorola vernachlässigbar
In anderen Worten: Google hat sich 2011 mit Motorola Zeit gekauft. Legt man die eigene Bewertung des Internetriesen für die in Mountain View verbliebenen Patente zugrunde, die bei angeblich 5,5 Milliarden Dollar liegen soll, würde sich das rechnerische Minus auf 1,75 Milliarden Dollar reduzieren – die Umstrukturierungskosten einmal nicht mitgerechnet.
Angesichts der Barbestände von inzwischen über 80 Milliarden Dollar und eines Börsenwertes von nunmehr enormen 375 Milliarden Dollar sind die Buchverluste für Google vollkommen vernachlässigbar. Es ging vielmehr darum, dem ärgsten Rivalen – Apple – in der Honig-und-Nektar-Periode der Smartphone-Verkäufe das Leben so schwer wie möglich zu machen und die Verbreitung des mobilen Betriebssystems nicht zu gefährden.
Zeitenwende: Google könnte Apple bald an der Börse überrunden
2,5 Jahre später kann man den Motorola-Verkauf als Siegesverkündung verstehen – der weltgrößte Internetkonzern braucht die sperrige Handy-Tochter schlicht nicht mehr. Google hat auch so gewonnen: Der Smartphone-Markt hat seinen Sättigungsgrad erreicht wie die jüngsten Quartalszahlen von Apple und Samsung eindrucksvoll dokumentieren – Microsofts Nokia-Übernahme wirkt da wie ein Anachronismus.
Apple und Samsung sind mit Rückzugsgefechten beschäftigt und dürften in den kommenden Jahren in verzweifelte Verteidigungskriege ihres Kerngeschäfts verstrickt werden, während Google mutmaßlich mit den großen Zukunftsinnovationen aufwartet: Google Glass, die digitale Kontaktlinse und das selbstfahrende Auto. Die Wachablösung an der Wall Street scheint nur noch eine Frage der Zeit: 65 Milliarden trennen Apple und Google nur noch – in der Spitze waren es mal über 250 Milliarden Dollar.