Eine Smartwatch als Laufuhr-Ersatz für die Marathon-Vorbereitung? Wo andere sich schwere Geschütze von Sporttechnik-Experten wie Garmin, Polar und Co. umschnallen, setzt der passionierte Läufer und Blogger Lars Sonnemann lieber auf Alltags-Style und ist in den vergangenen fünf Monaten über 1.200 Kilometer mit der Appel Watch Series 3 gerannt – und am vergangenen Sonntag dann seinen sechsten Berlin-Marathon. Wie die Apple Watch im ultimativen Langzeit-Lauftest performte, erfahrt ihr hier.
"Eine Laufuhr ist eine Laufuhr und eine Smartwatch eine Smartwatch – das sollte man vorab bei den Erwartungen trennen und bei der Nutzung im Hinterkopf behalten", erklärt der 23-jährige Hobbyläufer und Blogger Lars Sonnemann eingangs. Trotzdem biete eine Smartwatch für Sportler auch viele Vorteile, vor allem, was die Optik und Alltagstauglichkeit angeht. Lars hat am 16. September 2018 seinen sechsten Berlin-Marathon in 3:32 Stunden bestritten und im Vorfeld monatelang mit der Apple Watch Series 3 trainiert. Bevor er in sieben Wochen schon wieder beim "New York"-Marathon an den Start geht, teilt er seine Erfahrungen zur Performance der Apple Watch hier mit uns.
Das Auge trainiert mit: Design und Funktionalität für Alltag und Sport
Während die meistens GPS-Sportuhren noch ziemlich sperrig daher kommen, ausgestattet mit sämtlichen Sensoren sowie einem leistungsstarken Akku im robusten Uhren-Gewand, sind Smartwatches nur so groß wie nötig, für mehr Tragekomfort und Stil im Alltag – oft auf Kosten der Akkulaufzeit, aber dazu später mehr. Damit sie sich an jedes Handgelenk schmiegt, gibt es die Apple-Watch Series 3 in zwei Größen, mit 38 und 42 Millimeter Durchmesser. Anders als bei den meisten Sportuhren kann man die Materialien der Apple Watch nach dem eigenen Stil wählen: Für das Gehäuse stehen Aluminium, Edelstahl oder Keramik zur Wahl und für das Armband, Silikon, Nylon, Edelstahl oder Leder – in zwei Längen oder als Loop.
Wer sagt denn, dass Marathonläufer im Alltag immer mit einer fetten Laufuhr protzen wollen: "Klares Plus, denn manche Kunstoffklotze von Laufuhr eignen sich eher weniger auf der Arbeit und in der Freizeit. Schade, wenn man auch den Rest des Tages seine Bewegung aufzeichnen möchte", findet Lars. Wir ergänzen: Gerade, um mithilfe von gekoppelten Ernährungs-Apps sein Kalorienkonto zu überblicken, muss man das Wearable permanent tragen, damit es jede Bewegung trackt. "Nach kurzer Zeit habe ich gerade den Vorteil genoßen, dass sich die Armbänder in Sekundenschnelle tauschen lassen: Zum Laufen Silikon, das lässt sich leicht vom Schweiß reinigen, und zum Anzug gern auch mal etwas optisch Hochwertigeres" erklärt Lars seinen Standpunkt zur Optik und Alltagstauglichkeit der Apple Watch.
Was bedeuten die technischen Daten konkret für Läufer?
Auf der Apple Watch Series 3 war zumMarathon das Betriebssystem watchOS 4 installiert, mittlerweile gibt es aber ein Update auf watchOS 5. Die Uhr ist mit GPS sowie den zusätzlichen globalen Navigationssatellitensystemen, GLONASS, Galileo und QZSS, einem Dual-Core Prozessor, barometrischen Höhen- und Beschleunigungsmessern, acht oder 16 Gigabyte internen Speicher, Bluetooth, einer WLAN- und wahlweise LTE-Konnektivität und gehärtetem Ion-X Glas ausgestattet. Sie ist wasserdicht und damit theoretisch auch für Triathleten geeignet – allerdings ist die optische Herzfrequenzsmessung am Handgelenk unter Wasser nicht zuverlässig und darum sollte man egal welches Wearable als Schwimmer grundsätzlich mit einem Brustgurt koppeln. An dieser Stelle geht es aber vorrangig um die Performance beim Laufen.
"Die Apple Watch Series 3 hat meiner Erfahrung nach nie Probleme, das GPS zu finden. Im Gegenteil, die Uhr war manchmal schneller bereit zum Laufen als ich. Dafür dauert es am Anfang manchmal, bis der optische Sensor die Herzfrequenz darstellt und die angegebenen Werte sind naturbedingt gewissen Garmin vivoactive 3 verglichen: Die Daten zur Herzfrequenz weichen jeweils nur minimal um maximal vier Schläge pro Minuten ab und bei den Durchschnittswerden am Ende eines Laufes sind kaum Unterschiede auszumachen.
Etwas anders verhält es sich mit dem zwar schnell gefundene GPS-Signal, das unterwegs dann aber den Anschluss verliert: "Leider ist mir aufgefallen, dass die aufgezeichnete Strecke mit diversen Apps immer länger ist als zum Beispiel mit Laufuhren von TomTom oder Garmin. Mir ist bewusst, dass die mittels GPS ermittelten Ergebnisse niemals zu hundert Prozent korrekt sind, aber in der Regel ist die Strecke mit der Apple Watch immer ein Prozent weiter als mit anderen Geräten. Das sollte man bei der Freude über die Leistung mit einkalkulieren, um im Wettkampf nicht enttäuscht zu sein." Wenn man bedenkt, dass Apple sämtliche Navigationssatellitensysteme verbaut hat, ist das schon enttäuschend. Nach dem Berlin Marathon zeigte Lars Uhr nur 41,2 Kilometer an – dabei hatte sie bis Kilometer 30 den üblichen Prozentpunkt mehr Strecke auf dem Zähler. So fehlen der Apple Watch am Ende mindestens 1,5 bis 2 Kilometer. "Für einen Marathonläufer ist das natürlich schon ein K.O.-Kriterum", bemängelt Lars.
Die passende Trainings-App für Apple Watch
Lars nutzt für die Dokumentation seiner Läufe die Training-App aus dem Hause Apple selbst sowie die Drittanbieter-Apps, wie Nike+ Run Club oder auch Strava. Das hat die Vorteile, dass man sich das Design und Handling der App selbst aussuchen kann und seine Daten behält, wenn man das Wearable mal wechselt. "Andererseits bietet meiner Erfahrung nach bisher keine dieser Apps die Möglichkeit, auf Basis der Daten des integrierten Barometers Unwetterwarnungen herauszugeben. Das finde ich schade! Wenn die Technik an Board ist, kann man die gern auch nutzen."
"Je weniger Gepäck, desto besser" – das iPhone kann zuhause bleiben
Der Akku hielt in Lars Langzeittest je nach Training immer zwischen anderthalb und zwei Tagen. Ein Longrun über drei Stunden kostet seiner Erfahrung nach 25 bis 30 Prozent der Akkuleistung. Beim Berlin Marathon habe der Akku mehr gelitten als sonst, sagt Lars: "Bei 98 Prozent gestartet, hatte die Watch nach dreieinhalb Stunden nur noch 38 Prozent Power, ohne iPhone-Kopplung und Musik. Viel länger hätte sie hier nicht durchgehalten." Wird die Akkulaufzeit deswegen grundsätzlich zum Problem? Die Einschätzung: "Da ich keine 100km-Ultras laufe, komme ich damit super zurecht. Einzig und allein saugt die Kopplung mit dem iPhone ganz schön am Akku des iPhones. Aber auch das muss man nicht immer dabei haben." Die Laufdaten werden automatisch synchronisiert, sobald man die Watch dann wieder mit dem iPhone verbindet. Dank des acht Gigabyte großen internen Speichers der Uhr lassen sich genügend Songs, Alben und Playlists von Apple Music auf der Uhr speichern, so dass man beim Training wirklich nur noch Bluetooth-Kopfhörer braucht. "Je weniger Gepäck, desto besser" ist auch Lars Devise.
In Sachen Bedienung ist das Urteil unseres Marathonläufers schnell gefällt: "Die ist intuitiv und macht Spaß. Die Uhr wird mittels Touchscreen, drehbarer Digital Crown und Seitentaste gesteuert, was überwiegend sehr gut funktioniert. Bei schwitzigen Fingern gerate ich aber manchmal an meine Grenzen. Beim Intervalltraining muss ich nämlich die einzelnen Intervalle über eine Geste auf dem Touchscreen stoppen und neu starten. Und das wurde hin und wieder zu einer feuchtfröhlichen Herausforderung."
Die Apple Watch bietet mehr als Laufuhren – und zugleich weniger
Die Apple Watch Series 3 bringt als Smartwatch einerseits eine ganze Reihe mehr an nützlichen Alltagsfunktionen mit, als reine Laufuhren – daran findet auch Lars Gefallen:
"Ich kann hunderte Apps herunterzuladen. Sei es eine App für Yoga oder Atemtraining, den Wetterbericht, Apps mit den Fußballergebnissen und Live-Tickern, zur Navigation oder eine Radio-App. Damit kann keine Laufuhr der Welt mithalten."
Der integrierte Fitness-Tracker zeichnet jeden Gang und jede Treppenstufe auf und animiert vor allem im Büro zu regelmäßiger Bewegung über die bekannten bunten Apple-Ringe: der blaue stellt die Zeit im Stehen dar, grüne Ring symbolisiert das Bewegungsziel in Minuten und der rote das definierte Kalorienziel. Ziel ist es, die Ringe täglich zu schließen und dafür digitale Abzeichen einzuheimsen – indem man an mindestens zwölf Stunden am Tag für mindestens eine Minuten aufsteht, mindestens 30 Minuten spaziert oder Sport treibt, und sein Kalorienkonto im Blick behält – sofern man das denn möchte. Und wenn selbst ein Sportfan wie Lars das lobt, dann kann man sich eigentlich nie genug motivieren: "Ich merke zwar selber, wenn ich mich nicht ausreichend bewege oder zu lange gesessen habe, aber solche Features motivieren mich ehrlich gesagt nochmal mehr. Und da kommt der Typ für Zahlen, Daten und Fakten wieder in mir durch, der seine Ziele erreichen will."
Zusätzlich unterstützt die Apple Watch auch andere Sportarten, falls Laufen gar nicht euer Ding ist: Radfahren drinnen und draußen, Wandern, Crosstrainer, Rudergerät, Stepper, Beckenschwimmen und im Freiwasser. Zudem lässt sich die Watch in vielen Fitnessstudios mit den neuesten Cardio-Geräten von Technogym und Life Fitness verbinden.
Andererseits lässt sie auch ein paar Fitness-Hacks vermissen. Zwar bietet die Nike-Run-Club-App Lars die Möglichkeit, vorab Ziele zu Kilometern oder Zeiten einzustellen und auch ein Intervalltraining ist mit dem Modus Tempo möglich. "Aber das funktioniert mit einer reinen Laufuhr natürlich genauer. Mit der Apple Watch kann ich vorab zum Beispiel keine Intervalle und Pausen programmieren, sondern muss mein Training zu hundert Prozent im Kopf haben. Und auch eine einfache Funktion zum Runden messen gibt es auch nicht. Geschweige denn einen eigenen Knopf für Start und Stopp. Ebenfalls lassen sich keine Grenzen für Geschwindigkeit oder Pulsfrequenz festlegen, bei deren Verlassen die Uhr einen warnt. Und auch ein Nachhause-Funktion, die den Sportler mittels Kompass oder Routenfunktion automatisch nachhause führt, sucht man bei der Apple Watch vergeblich." Zugegeben, das sind schon sehr spezielle Features, die kaum jemand vermissen dürfte, der nicht gerade Profisportler oder Leichtathlet ist, oder für einen Marathon, Triathlon oder Outdoor-Abenteuer trainiert. Dennoch ist es interessant, hier mal eine Einschätzung von jemandem zu haben, der sehr viel und weit läuft.
Übrigens bietet sich für Sportler, die gern über Stock und Stein stolpern oder oft im Dunkeln unterwegs sind, trotzdem die Apple Watch Series 3 in der Cellular-Version an: Über Apple Maps kann man navigieren, wenn auch nicht so intuitiv wie bei High-End-Sportuhren wie der Garmin Fenix 5, vor allem aber kann man mit der LTE-Version ohne Handy über die Uhr telefonieren – und im Notfall Hilfe rufen.
Lars Fazit: Die Apple Watch Series 3 ist für Läufer ein gelungener Kompromiss
Die Apple Watch Series 3 ist aus Lars professioneller Sicht für Hobbyläufer ein gelungener Kompromiss – aber vor allem ein tolles Spielzeug: "Wer beim Laufen nicht unbedingt Runden messen oder vorab programmierte Intervalle ballern möchte, liegt mit der Uhr auf keinen Fall falsch. Denn neben einem schnellen GPS, leichtem Gewicht und einem schicken Design bietet die Uhr alles, was man zum Laufen benötigt."
Wer bisher allerdings eine spezialisierte Laufuhr nutzt, könnte die leichte und schweißfreundliche Bedienung mit diversen Knöpfen am Gehäuse vermissen, der wird sich mit der Apple Watch etwas schwer tun. Ähnliches gilt für Trailläufer in Gebirgen oder auf unbekannten Terrain, die unterwegs auf gutes Kartenmaterial sowie einen großen Display angewiesen sind. Andererseits punktet die Apple Watch Series 3 in Lars Augen mit Qualitäten, die Laufuhren fehlen: "Wer kann schon mit seiner Laufuhr das Licht zuhause ein- und ausschalten oder Siri bitten, zuhause anzurufen, wenn man sich beim Laufen verletzt hat und nicht mehr zurückfindet? Meine bisherige Laufuhr lag in den letzten Monaten fast immer in der Schublade, weil ich bei meinen Laufeinheiten super mit der Apple Watch zurechtkomme."
Wer auf smarte Features im Alltag steht, der kann die Apple Watch definitiv auch für sein Training einsetzen. Für wen das eher Firlefanz ist, der ist mit einer reinen Laufuhr besser beraten: Die konzentriert sich dann aufs Training und spart dadurch im Alltag auch Akkulaufzeit, so dass ihr seltener aufladen müsst. Passende Modelle stellen wir euch gesondert vor.
Alle Vor- und Nachteile der Apple Watch Series 3 für Läufer auf einen Blick
Vorteile:
- Schnelles GPS.
- Gewicht je nach Version mit 26,7 - 34,9 Gramm sehr leicht.
- Leicht wechselbare Armbänder für wechselnde Anlässe.
- Zusätzliche Apps für (fast) jede Lebenslage und Motivation nicht nur beim Sport, sondern auch im Alltag.
- Die Apple Watch fungiert als Multisport-Uhr und unterstützt nicht nur Laufen.
- Musikgenuss und Telefonie unterwegs auch ohne Telefon möglich.
Nachteile:
- Bedienung beim Laufen durch den Touchscreen etwas schwer und rutschig, außerdem nicht ohne Hinschauen möglich.
- Mehr reine Lauffunktionen wie ein im Vorfeld programmierbares Intervalltraining wären wünschenswert.
- Mit einem Preis von derzeit knapp 300 Euro für eine Smartwatch ok, aber nicht unbedingt ein Schnäppchen.
- Größere Abweichungen der mittels GPS getrackten Strecke müssen einkalkuliert werden.
- Durch die vielen Features verbraucht die Uhr viel Akkuleistung und muss jeden bis jeden zweiten Tag aufgeladen werden.