400 Milliarden wert: Microsofts fantastisches Comeback

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Vater des Comebacks: Microsofts neuer CEO Satya Nadella (© 2014 CC: Flickr/Fortune Brainstorm TECH )

Es ist neben Apple die ganz große Erfolgsgeschichte in der Techbranche 2014: Microsofts beeindruckendes Comeback unter dem neuen CEO Satya Nadella. Fast täglich verblüfft der Software-Gigant mit Neuankündigungen, Kooperationen und Übernahmen. An der Börse kommt der Kurswechsel extrem gut an: Microsoft ist so wertvoll wie seit Anfang 2000 nicht mehr – und steht gar auf dem Sprung zur weltweiten Nummer zwei…

Am Ende fehlten ganze fünf Milliarden zum Sprung auf den zweiten Platz der Börsenwelt. Und doch war auch der heutige Börsentag einer ganz nach dem Geschmack der Microsoft-Aktionäre: Der vor Jahren noch als Techkonzern des 20. Jahrhunderts abgeschriebene Software-Riese ist plötzlich wieder so wertvoll wie seit April 2000 nicht mehr!

Bei nunmehr 47 Dollar notiert die Microsoft-Aktie heute nicht nur auf dem höchsten Stand seit 14 Jahren, sondern katapultierte den Windows-Hersteller wieder in Sphären, die Altaktionäre wohl einst schon für immer abgeschrieben hatten: Der Redmonder Software-Riese ist plötzlich wieder über 400 Milliarden Dollar wert!

Damit hat Microsoft inzwischen nicht nur locker den Erzrivalen Google distanziert und ist zum ersten Apple-Herausforderer in der Techbranche avanciert – der Office-Anbieter ist auch in unmittelbarer Schlagdistanz zum zweitwertvollsten Konzern der Welt: Noch ein Prozent Plus, während die aktuelle Nummer zwei Exxon ein Prozent verliert, und Microsoft wäre wieder der zweitwertvollste Konzern weltweit!

Comeback unentwirrbar mit Satya Nadella verknüpft

Zwischen 1998 und 2000 rangierte Microsoft sogar auf dem Spitzenplatz, verlor diesen dann aber erst an Cisco und dann GE – und rutschte seitdem beständig ab und phasenweise sogar aus den Top Ten; erst mit dem Rückzug von Steve Ballmer wurde das furiose Comeback des Techpioniers eingeleitet, der im nächsten Jahr sein 40-jähriges Firmenbestehen feiert.

Damit ist bereits viel über die Hintergründe des Comebacks gesagt: Es ist unentwirrbar mit dem neuen CEO Satya Nadella verknüpft, dem es in Rekordzeit gelungen ist, neues Vertrauen bei Investoren zu stiften und Microsoft gleichermaßen so gravierend umzukrempeln, wie seit den frühen Tagen unter Bill Gates nicht mehr.

„Nadella räumt Ballmers Schrott weg“

Dabei war Satya Nadella um seine Aufgabe nicht zu beneiden: Langzeit-CEO Steve Ballmer nach fast eineinhalb Jahrzehnten zu folgen, schien eine Herkulesaufgabe. Doch 10 Monate  nach Übernahme der Amtsgeschäfte steht Nadella wie der Heilsbringer da – auch, weil er sich rigoros von seinem Vorgänger distanziert.

„Nadella räumt Ballmers Schrott weg“, kommentierte der Business Insider etwa die rigorose Kürzungswelle beim übernommenen Smartphone-Hersteller Nokia, den Nadella schnellstmöglich auf Konzernsparten-Größe und die mit Negativwachstum assoziierte Marke eindampfte.

Konzerngewinn mehr als doppelt so hoch wie Googles

Vor allem jedoch lieferte Nadella betriebswirtschaftlich. Im abgelaufenen dritten Kalenderquartal konnte Microsoft seine Umsätze um üppige 25 Prozent auf 23,2 Milliarden Dollar steigern  – Analysten hatten lediglich mit Erlösen von 22 Milliarden Dollar gerechnet. Der Konzerngewinn ist mit 5,8 Milliarden Dollar rund doppelt so hoch wie Googles.

Wie hat Nadella Microsoft nun wieder auf Spur bekommen und für die Zukunft gerüstet? Die Generalüberholung erfolgte in sechs Akten:

• Office für iPad und iPhone

Knapp vier Jahre nach dem Launch des iPad öffnete Microsoft sein Office-Paket doch noch für das Apple-Tablet. Die Office-Software steht seit dem Frühjahr im App Store bereit und wurde als Freemium-Modell angeboten. Dokumente konnten gelesen, aber nicht bearbeitet werden.

Gestern ging Microsoft noch einen Schritt weiter:  Ab sofort ist die Office Suite für iPhone und iPad kostenlos, ohne dass dafür ein Office-365-Abo notwendig ist. Microsoft bietet Word, Excel und PowerPoint nun als Universal-Apps an.

• Smarte Kooperationen wie mit Dropbox

iPhone- und iPad-Nutzern von Office 365 dürfte es gleich aufgefallen sein: Der Zugriff auf Dokumente, die im beliebten Cloud-Speicherdienst Dropbox liegen, ist nun ebenfalls möglich.

Während Nutzer einer Office-App in Zukunft dank direkter Einbettung ohne Umwege auf ihren Dropbox-Ordner zugreifen dürfen, verweist Dropbox Nutzer beim Öffnen von Office-Dokumenten innerhalb der Cloud direkt auf den Download von Microsofts Büro-Software. Kurz: Auf Microsoft arbeiten und auf Dropbox speichern – das klappt ab sofort lückenlos.

• Windows 10

Es war ein echter Überraschungscoup zum Ende des dritten Quartals: Microsoft überspringt Windows 9 und stellte auf einem eilig einberufenen Event in San Francisco seine kommende Betriebssystem-Generation direkt als Windows 10 als große, gemeinsame Plattform für PCs, Tablets, Smartphones und das Internet of Things vor.

"Eine Produktfamilie. Eine Plattform. Ein Store“, lautet die Devise, unter der Microsoft seine Cash Cow im kommenden Jahr so radikal wie nie verändert. Natürlich wird Windows 10 auf einem PC sich von dem auf einem Smartphone unterscheiden, welches wiederum anders aussehen wird als auf einer Xbox One-Spielkonsole – trotz jeweils an die Hardware angepasster Oberflächen will Microsoft eine universelle Plattform über alle Geräte hinweg etablieren. Dazu sollen vor allem die Universal-Apps des gemeinsamen Stores mit übergreifenden Updates ihren Beitrag leisten.

• Endlich Konkurrenzfähigkeit mit Smartphones und Tablets

So viel kritisiert die Nokia-Übernahme war, die das Schicksal des langjährigen CEOs Steve Ballmer besiegelte, weil sie gegen den Willen des Aufsichtsrats und ohne die Rückendeckung von Bill Gates erfolgte – so erkennbar ist doch der Erfolg der Schnellintegration. Endlich verfügt der Software-Riese auch über die notwendige Hardware, um nach Apples All-in-one-Prinzip Soft- und Hardwarelösungen aus einem Guss anbieten zu können.

Tatsächlich trägt die Integration der Smartphone-Sparte, die seit zwei Wochen ohne Nokia.-Logo firmiert, inzwischen beachtliche Früchte: Wie aus der vor zwei Wochen 9,3 Millionen Lumia-Geräte absetzen.

Der Lumia-Absatz hat somit im Vergleich zum gleichen Zeitraum im letzten Jahr um knapp sechs Prozent zugelegt und den bisherigen Rekord gebrochen: Im ersten Quartal 2014 waren es noch 8,8 Millionen verkaufte Einheiten. Die Handysparte von Nokia, die nach der im April vollzogenen Übernahme erstmals in die Bilanz mit einfloss, hat damit allein 2,6 Milliarden Dollar zu den Erlösen beigesteuert.

Noch auf einem kleineren Niveau, aber dafür mit weitaus explosiverem Wachstum entwickelt sich die Tablet-Unit:  Microsoft setzte im abgelaufenen Quartal mit seinem Surface nunmehr immerhin schon 908 Millionen Dollar um. Die Konzern-Unit legte damit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gleichwohl schon um enorme 127 Prozent zu – während selbst das vielbeachtete Surface Pro bei CNN immer noch als iPad-Ständer verwendet wird…

• Mutige Übernahmen wie vom Minecraft-Entwickler Mojang

Cash-Reserven in Höhe von knapp 100 Milliarden Dollar hortet Microsoft inzwischen – die nach Apple mit Abstand größten Barmittel. Dass Satya Nadella keine Probleme damit hat, auch mal ein paar Milliarden Dollar in die Hand zu nehmen, wenn es darum geht, in die Zukunft zu investieren, dokumentiert die im September angekündigte Übernahme des schwedischen Spiel-Entwicklers Mojang.

Der Anbieter des Megahits Minecraft wurde gestern offiziell für 2,5 Milliarden Dollar von Microsoft übernommen. Minecraft hat bisher 100 Millionen Spieler angezogen und ist eine der Top Bezahl-Apps sowohl auf Android als auch auf iOS. Seit dem Start vor fünf Jahren wurden bisher 54 Millionen Exemplare verkauft.

Blitzstart mit Microsoft Band

Es war der Überraschnungscoup der vergangenen Woche: Microsoft launcht den Fitness-Tracker Microsoft Band. Mit dem Smartband geben sich die Redmonder ungewohnt offenherzig: Das Microsoft Band lässt auch iOS- und Android-Smartphones ran – und das wohl mindestens vier bis fünf Monate, bevor der große Rivale aus Cupertino seine mit Spannung erwartet Apple Watch ins Rennen schickt.

Dank des kurzfristig angekündigten Launches kam es in den USA in dieser Woche vor Geschäften des Unternehmens zu Szenen wie man sie bisher bei einem iPhone-Launch kannte. Der Ansturm auf das 199 Dollar teure Band ist tatsächlich sogar so groß, dass es mittlerweile ausverkauft ist. Auch im Online-Store ist das Fitness-Armband bereits in allen drei verfügbaren Größen ausverkauft.

Microsoft irgendwann wieder wertvoller als Apple?

Keine Frage: Microsoft scheint so gut für die Zukunft gerüstet wie seit vielen Jahren nicht mehr. Die Konzernsäulen Windows und Office verbuchen auch nach Jahrzehnten trotz der Kostenlos-Konkurrenz in Form von Google Docs und Chrome OS  immer noch solide Zuwächse und fahren Milliarden-Gewinne ein, die durch das boomende Cloud-Geschäft weiter wachsen. 

Dazu kommt die ebenfalls deutlich wachsende Xbox-Sparte und nun die Joker im Smartphone- und Tablet-Bereich. Sollte Apples Cash Cow iPhone, die inzwischen für fast 70 Prozent der Gewinne des Kultkonzerns aus Cupertino verantwortlich ist, in den kommenden Jahren nicht mehr wachsen und rückläufige Erträge verbuchen, könnte gar das vor Jahren noch Undenkbare eintreten – und Microsoft den Erzrivalen wieder überholen. Besser diversifiziert scheint der ewige Rivale aus Redmond zumindest inzwischen…

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